TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 4. September 2017

The Big Bang Theory. Der Knall bleibt aus.

von Patrick Farkas 

Kein Entkommen! Egal zu welcher Zeit man auf Prosieben „unterwegs ist“. Ob am Morgen oder am Abend. Einmal falsch abgebogen, ein kurzer Blick nach links oder rechts, die Werbepause nur ein wenig verschlafen - schon lauern sie einem auf. Könnte der Beginn einer Walking Dead Fernseh-Kritik sein, doch die Rede ist in diesem Fall von der Nerdclique aus The Big Bang Theory, die mittlerweile eigentlich jeder kennen dürfte, da Prosieben uns gefühlte 24/7 mit Folgen der Sitcom versorgt. 



Die Serie handelt von den hochintelligenten jungen Physikern Leonard Hofstadter und dem etwas autistisch veranlagten Sheldon Cooper, ergänzt durch den jüdischen Ingenieur Howard Wolowitz und den indischen Astrophysiker Rajesh Koothrappali die zusammen eine große Leidenschaft für Comics, Science-Fiction, Computer- und Videospiele hegen. Mit dem allmählichen Einzug der Damenwelt durch Penny und später Amy und Bernadette prallen unterschiedlichste Welten aufeinander, da die Ladys mit Geektum eher wenig am Hut haben und beim Tetris selbst das Quadrat drehen. 

Klingt soweit ganz interessant, doch mittlerweile habe ich mich an dieser schrägen Konstellation der Gruppe satt gesehen und so manche neue Folge von Big Bang verursacht bei mir nur noch Bauchschmerzen. Leider, denn anfangs übte die Serie bei mir eine Anziehungskraft wie ein schwarzes Loch aus. 

Doch das war einmal. Schuld daran ist aber weniger die Sendepolitik ProSiebens (zwar kann man hier durchaus ankreiden, dass Big Bang Theory zu oft im Programm läuft oder eine Werbepause zum „Bier zapfen“ geeignet sein sollte und weniger zum „Bier brauen“), als vielmehr die Serie an sich. Denn wo früher Themen wie, „Wie viele Steuern hinterzieht Batman dem Staat“, „wie oft würde The Flash Usain Bolt in einem Rennen überrunden“ oder „Klingonisch oder Dothrakisch, welche Sprache ist leichter zu erlernen“ auf der Agenda standen, wandelt sich das Grundkonzept der Serie weg von dem Nerddasein hin zu einer Beziehungscomedy. „Wer heiratet wann?“, „wie bringt man Karriere und Kind unter einem Hut“ und andere Fragen sind nun in den Vordergrund gerückt. 

Während die drei ersten Staffeln sich durch gute Charakterzeichnungen der fünf Hauptpersonen auszeichneten, die auf uns schräg, verpeilt, gutmütig und lieb wirkten und uns damit in ihren Bann zogen, bekommt man nun eine Art Paartherapie mit aufgewärmten Gags der ersten Staffeln vorgesetzt. Bei TBBT wiederholt sich alles nur noch, jeder Gag ist schon zigmal recycelt. Sei es Sheldons Mitbewohnervereinbarung, oder dass Leonard mit Penny außerhalb seiner Liga spielt, Stuart seine Stromrechnung nicht bezahlen kann, oder Raj bei Frauen so erfolgreich ist, wie England im Elfmeterschießen. Spaß mit Flaggen macht schon lange kein Spaß mehr und dieses dämliche Katzen Tanz Lied toppt selbst Bibis Wab Bap Song hinsichtlich der Ohrenschmerzen. Die Witze sind dabei selten intelligent oder kreativ. Diese Gags basieren meistens darauf, dass jemand anderes in die Pfanne gehauen wird. Ich sehe nur einen Haufen Ansammlung von Klischees, die immer wieder nach dem Schema F eingebaut werden. Nerds werden unsportlich dargestellt und Blondinen wie Penny werden eher naive und leicht dümmliche Attribute zugeschrieben. Dafür sitzen bei ihr alle Atome an der richtigen Stelle. Nur in wenigen Situationen schafft es die Serie, mit ihren aktuellen Folgen mir ein Lächeln abzugewinnen. 

Mein Eindruck ist, dass die Serie durch andere Schwerpunkte (vor allem den Liebesbeziehungen) sehr an den Mainstream angepasst wurde, um NOCH erfolgreicher zu werden. Das mag hinkommen, wenn man die Zahl der stetig hohen Zuschauerquoten betrachtet, aber gleichzeitig geht der Markenkern mehr und mehr verloren. Und so fürchte ich, dass die Qualität nie wieder, die der ersten Staffel erreichen wird und sich die Serie auf diese Weise totläuft. Das ist schade, weil das ursprüngliche Fünfer-Ensemble einfach eine Klasse für sich war. Doch nun scheint es so, als hätten die Drehbuchautoren seit anderthalb Jahren das Festhalten am Nerdtum eingestellt und sich darauf konzentriert, möglichst stinknormale Paare mit stinknormalen Konflikten zu erschaffen. Doch wenn ich sowas konsumieren möchte, kann ich genauso gut Verbotene Liebe oder GZSZ anschauen. Die starken Momente, in denen die oft ausgegrenzten und verspotteten Nerds die wahren Helden waren und die spannendsten und kuriosesten Einfälle hatten und einem klar wurde, das die Drehbuchautoren nicht die typischen Null-acht-fünfzehn-Sitcom Figuren ins Clown Kostüm stecken wollten, kamen mir in letzter Zeit viel zu kurz. Warum bleibt man nicht bei diesem Alleinstellungsmerkmal, wenn es ohnehin so viele andere Comedys gibt, bei denen es vorrangig um Familien und Beziehungen geht? Denn das Besondere, ihre Andersartigkeit ist den Figuren dadurch weggenommen worden. 

Es fehlt an neuen Ansätzen. Bernadettes Schwangerschaft ist letztendlich das offizielle Eingeständnis von fehlenden neuen, zündenden Ideen. Und an eine Abtreibung ist nicht zu denken. Und auch auch bei anderen Story Lines ist man sich unsicher, wie man diese weiterführen soll. Bei Raj etwa. Eine Figur mit der ich nichts mehr anzufangen weiß. Mir ist es völlig egal, ob er nun mit der alten oder der neuen Frau etwas hat oder gar mit beiden oder doch auf die Sexpuppe am Dachboden zurückgreifen muss. Raj wird von der Serie so stiefmütterlich behandelt, das seine Figur entsprechend flach daherkommt und ich zu ihr keine Bindung aufbauen kann. Dabei könnte Raj eine spannende Figur sein, wenn man ihr mehr Raum und Charakter geben würde, so aber hätte ein Blinzeln fast ausgereicht um ihn in den neueren Folgen gar nicht mehr zu sehen. Dafür bekommen wir stets aufs neue Sheldon im Überfluss. Mir ist klar, dass jede Serie ihr Zugpferd hat, ihren Hauptcharakter, aber bei TBBT steht Sheldon mittlerweile so enorm im Zentrum des Geschehens, dass man mittlerweile sogar anfängt, Stories von anderen Charakteren zu nehmen, und diese so zu auszurichten, dass diese schlussendlich Sheldons Stories sind. Die Drehbuchautoren können es sich nicht erlauben, dass dieser mal nicht das gesamte Rampenlicht für sich beanspruchen kann. TBBT lebt in einer reinen Sheldon Diktatur. 

Sheldon bekommt jetzt dann sogar bald sein eigenes Spinn Off über seine Kindheit. Darüber schüttelt selbst Stephen Hawking mit dem Kopf. Außerdem ist zu Sheldon noch zu sagen, dass er als Charakter mittlerweile nicht mehr konstant ist. In jeder Folge wird mittlerweile Sheldon gefühlt anders porträtiert und mit anderen Eigenschaften bestückt. Mal mitfühlend, dann wieder gemein und egoistisch. Man experimentiert mit dem Charakter nur um die Story oder den Gag abzuändern. 

Leicht abändern könnte man zumindest mal die Schauplätze. Ständig besucht man als Zuschauer dieselben Orte: Treppenhaus (dessen Fahrstuhl wahrscheinlich erst repariert wird, wenn der Berliner Flughafen eröffnet), Wohnzimmer, Kantine der Uni. Es kann doch nicht sein das all das Budget einer Folge nur in den Taschen der Schauspieler landet. Aber anscheinend schon: pro Folge betragen die Gehälter der Hauptdarsteller fast 1 Millionen US. Dollar! Geld welches, so habe ich zumindest den Eindruck, dafür an anderen Stellen gespart wird. Eben an neuen, abwechslungsreicheren Locations oder an vernünftigen Drehbuchautoren. 

Wahrscheinlich tu ich der Serie aber auch zu viel Unrecht. Denn es handelt sich bei The Big Bang Theory nach wie vor um eine Sitcom, wo eine Folge an die 20 Minuten dauert. Eine kurze Zeitspanne, in der man versucht dem Zuschauer einfache Unterhaltung zu bieten, die man gut nebenbei konsumieren kann. Inkonsistenzen in der Charakter Entwicklung, Fehler in der Matrix, werden bewusst in Kauf genommen, um eine Folge so abwechslungsreich und lustig zu gestalten, wie es nur geht. Denn eines muss man The Big Bang Theory durchaus zugutehalten. In den mehr als 200 Folgen versuchte man durchaus abwechslungsreiche Storylines zu bieten. Wäre man bei dem Nerdlastigen Konzept wie in den ersten Staffeln geblieben, hätte sich das Prinzip bestimmt auch irgendwann abgenutzt. 

Es ist ganz normal das man sich weiterentwickelt. Das ist bei Pokémon so und erst recht bei den Nerds – die auch irgendwann erwachsen werden. Durch die zusätzlichen Implementierungen von Beziehungsgeschichten hat man sich zudem die Möglichkeit geschaffen noch variantenreicher zu erzählen und insbesondere damit auch die weibliche Zuschauerschaft noch mehr anzusprechen. Dennoch muss man klar sagen das gerade Sitcoms wie How i met your mother oder Friends die Beziehungscomedy besser und tiefgreifender gestalteten und nicht so oberflächlich wie es bei The Big Bang der Fall ist. 

Und auch wenn es aufgrund meiner harschen Kritik nicht so aussieht, so muss ich dennoch zugeben, dass ich nach wie vor gerne TBBT schaue. Zum einen möchte ich wissen wie es weitergeht und zum anderen taugt es so als Fast Food für zwischendurch eigentlich ganz gut. Auch wenn manche Folgen sehr lahm und unlustig sind und Kontinuitätsfehler begangen werden - Eine spaßige Sitcom ist Big Bang allemal! Und auf Englisch sogar noch mehr, denn viele Wortspiele gehen im Deutschen komplett verloren. Ein weiterer Vorteil der englischen Fassung. Die Lacher wurden teilweise von einem Live-Publikum aufgezeichnet, die Lacher sind in dieser Fassung somit echt, während in der deutschen Synchronisation die Lacher vom 'Band' kommen. 

Bei The Big Bang Theory ist es letztendlich so, wie es bei vielen langläufigen Serien der Fall ist. Stark angefangen aber in letzter Zeit auch sehr stark nachgelassen. Doch ein Ende ist nicht in Sicht. Erst kürzlich wurde die Serie auf eine 11. und 12. Staffel verlängert und mit ihr die Hoffnung, dass die Serienmacher die Kurve bekommen und wieder back to the roots gehen. Die Frage, wer macht zuerst Schluss? Der Zuschauer oder eine der Freundinnen der Nerds, geht in die nächste Runde. Bazinga.

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