TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 6. September 2017

15 Fragen bis zur Million - Rateklassiker mit Niveau…auf RTL!

von Jule Schmieder  

Unter den zahlreichen Quizshows im deutschen Fernsehen ist sie ein Klassiker - Wer wird Millionär?. Das Pendant zum britischen Original Who Wants to Be a Millionaire wird seit 1999 auf RTL ausgestrahlt und seit jeher von Sympathieträger Günther Jauch moderiert. Neben Sendungen wie Das Dschungelcamp, Familien im Brennpunkt oder Bauer sucht Frau scheint RTL mit Wer wird Millionär? das Niveau doch noch nicht ganz verloren zu haben. Montagabends zur Prime Time heißt es Miträtseln und Mitfiebern, wenn sich Kandidaten auf den „heißen Stuhl“ bei Günther Jauch wagen, um ihr Glück auf dem Weg zur Million zu versuchen.

Im Vergleich zu anderen Quizshows ist das Konzept von Wer wird Millionär? simpel: Pro Sendung werden fünf Kandidaten vorgestellt, die die Chance haben, eine Million Euro zu gewinnen. Nach der Nennung von Name, Wohnort und einem mehr oder weniger interessanten Fakt aus dem Leben der Kandidaten folgt die Auswahlrunde, welche darüber entscheidet, wer gegenüber von Jauch Platz nehmen darf. Vier Antworten müssen in die richtige Reihenfolge gebracht werden. Anschließend wird der schnellste Kandidat mit der richtigen Lösung ermittelt. Kurzer Jubel, Begrüßung per Handschlag, Siegerlächeln in die Kamera, und dann – eingeläutet durch die typische Wer-wird-Millionär?-Melodie – ran an die Million! 

Denn noch ist nichts geschafft. Es gilt 15 Multiple-Choice-Fragen mit steigendem Schwierigkeitsgrad richtig zu beantworten, um die maximale Summe in Höhe von einer Million Euro zu gewinnen. Jede richtig beantwortete Frage erhöht die Gewinnsumme, sodass der Kandidat jederzeit aussteigen und mit dem bereits erspielten Geld nach Hause gehen kann. Unterstützung bieten ihm die drei einmalig einlösbaren Joker. Der „50:50-Joker“ löscht automatisch zwei falsche Antworten, der „Telefon-Joker“ erlaubt es, eine Person aus dem Bekanntenkreis anzurufen und um Rat zu fragen, und mit dem „Publikumsjoker“ wird das gesamte Studiopublikum per Tasten-Voting um Hilfe gebeten. Die vor einigen Jahren eingeführte „Risikovariante“ bringt einen zusätzlichen Joker ins Spiel, bei dem eine einzelne Person aus dem Publikum helfen darf. Entscheidet sich der Kandidat zu Beginn für die „Risikovariante“ (Jauch empfiehlt sie immer!), anstatt für die klassische Variante mit drei Jokern, wird der „Zusatzjoker“ hinzugeschaltet. Dadurch entfällt die zweite der beiden Sicherheitsstufen, auf die der Kandidat bei einer falschen Antwort zurückfällt, um nicht mit null Euro nachhause zu gehen. Risiko ist garantiert! Nicht nur für den Kandidaten, sondern auch für die Zuschauer ist diese Variante auf jeden Fall die spannungsreichere. 

Wer nicht nur zuschauen, sondern selbst bei Wer wird Millionär? mitmachen und nach der Million greifen möchte, muss mehrere Bewerbungsrunden durchlaufen. Sitzt man dann endlich auf dem begehrten Stuhl, gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren. So manchen Kandidaten brachte die Nervosität schon um den Traum von der Million. Wie schnell dies gehen kann musste Studentin Tanja erleben. Der 20-Jährigen wurde bereits die erste Frage, bei der es um 50 Euro geht, zum Verhängnis. „Seit jeher haben die meisten…? A: Dober Männer, B: Cocker Spaniels, C: Schäfer Hunde oder D: Riesen Schnauzer“. Statt für die richtige Antwort C, entschied sie sich für D, Riesen Schnauzer, und war damit ausgeschieden. Die Joker blieben ungenutzt, der Traum von der Million unerfüllt. 

Dass man nicht immer Gewinn machen kann, musste auch das Format selbst erleben. Seit dem Sendungsstart 1999 gingen die Einschaltquoten vor allem in den letzten Jahren zurück. Waren es 2001 noch 14 Millionen Zuschauer, so hielten sich die Zuschauerzahlen in den letzten fünf Jahren eher konstant im Bereich von 5 Millionen. Damit liegen die Zahlen immer noch im grünen Bereich. Um dennoch mehr ratefreudige Zuschauer vor den Fernseher zu locken, setzte der Sender auf einige Veränderungen, die das Format aufpeppen sollten. 

Neben der Einführung der „Risikovariante“ sollten vor allem die zahlreichen Spezial-Shows für neuen Schwung sorgen. Das wohl bekannteste ist das Prominenten-Special, bei dem unter anderen schon Thomas Gottschalk, Alice Schwarzer, Anke Engelke und Oliver Pocher Geld für einen guten Zweck erspielt haben. An sich eine tolle Sache, doch da in jeder Show möglichst hohe Spendenbeiträge erzielt werden sollen, sind die Fragen deutlich einfacher als in dem klassischen Format. Außerdem ist die gegenseitige Hilfe unter den Prominenten, sowie von Seiten Günther Jauchs erlaubt. Für den ein oder anderen Zuschauer mögen „Prominenten-“, „Blind-Date-“, „Zocker-“, oder „Chef-und-Angestellten-Specials“ eine Steigerung der Unterhaltung von Wer wird Millionär? darstellen, für mich verliert die Sendung dadurch ihren speziellen Charakter einer einfachen Quizshow, die es sich leisten kann, auf Entertainment auf RTL-Niveau zu verzichten. 

Eine sinnvolle Form des Specials dagegen ist meiner Meinung nach die Sendung mit Doppellänge, da die einstündige Sendung, wie sollte es auf RTL auch anders sein, ganze 20 Minuten Werbung miteinschließt und die Show dadurch wie im Flug vergeht. Hat gerade erst ein Kandidat auf dem Stuhl Platz genommen, da ertönt auch schon der vertraute Gong, der den Rate-Spaß beendet. 

18 Jahre Wer wird Millionär?, 33000 Sendungen und 2649 Kandidaten. Trotz langfristigem Quotenrückgang – der Quiz-Dauerbrenner blickt auf eine echte Erfolgsgeschichte zurück. Was macht die Sendung so beliebt für Jung und Alt? „Wer wird Millionär?“ bietet anspruchsvolle Fragen zum Mitdenken (zumindest sobald die 500-Euro-Marke und damit die ersten fünf etwas lachhaften Fragen überwunden sind), interessante Kandidaten und durchgehend Spannung. Den großen Erfolg hat die Show aber vermutlich vor allem einem zu verdanken: Moderator Günther Jauch. Mit seinem trockenen Humor und den amüsanten Gesprächen, die er mit Kandidaten, Begleitern, Telefon- oder Publikumsjokern führt, sorgt er für Lacher und macht aus einer Quizshow mit einem einfachen Konzept eine unterhaltsame Sendung, die nie langweilig wird. Momentan gibt es Spekulationen darüber, ob der 61-Jährige Moderator seine Quizmaster-Karriere bald an den Nagel hänge. Anlass hierfür gibt sein demnächst auslaufender Vertrag. Mit dem Ausstieg des Publikum-Lieblings könnte wohl sogar das Ende des beliebten Formats prophezeit werden, gehören für die meisten Zuschauer, einschließlich mir, doch Wer wird Millionär? und Günther Jauch untrennbar zusammen. Man denke an das Schicksal von Gottschalks Wetten dass…?

Für mich ist Wer wird Millionär? eine der wenigen Sendungen im Programm von RTL, für die es sich definitiv lohnt, dranzubleiben und das eigene Allgemeinwissen zu testen beziehungsweise zu erweitern. Im Vergleich zu anderen Quizshows ist es bei Wer wird Millionär? gerade die Einfachheit des puren Quiz-Ratens, die dieses Format so sehenswert macht. Abgesehen davon lohnt es sich allein schon Günther Jauchs wegen, und seiner einzigartigen, lockeren Umgangsweise mit den Kandidaten, die Sendung zu schauen. Es bleibt zu hoffen, dass der sympathische Moderator dem Format noch lange treu, und mit Wer wird Millionär? eine Sendung mit vergleichsweise hohem Niveau im Programm von RTL erhalten bleibt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen