TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Freitag, 8. September 2017

Ein Musical der Highschool-Klischees - Glee

von Helena Baumer
 
Glee kann man sich so vorstellen, als wäre aus High School Musical kein Film sondern eine Serie geworden. Von Teenage-Schwangerschaft, über Liebesdramen bis hin zur Gruppe der unbeliebten Außenseiter, steckt Glee alle Klischees der Hollywood Highschool-Dramedy ab. Und trotzdem besitzt die Serie einen unbestreitbaren Charme, der mich in ihren Bann gezogen hat. Glee sah ich zum ersten Mal in 2011 auf SuperRTL, drei Jahre nachdem die erste Staffel der Serie in den USA bereits ihre ersten Erfolge feierte. 


Der Plot dreht sich um den Glee-Club (eine Art Schulchor an amerikanischen Highschools) der William McKinley Highschool in Lima, Ohio. Der dortige Glee-Club „New Directions“ wird zu Beginn der Serie von dem Lehrer William Schuester übernommen und besteht zu Beginn aus nur fünf Schülern. Die ersten drei Staffeln bestehen dann immer aus dem Rekrutieren von neuen Mitgliedern, Vorbereiten auf die Schulchor Wettbewerbe und der Rivalität zu den Cheerleadern und ihrem Coach Sue Sylvester, die es darauf abgesehen hat den Glee-Club abzuschaffen. Dazwischen sind die Episoden natürlich mit alltäglichen Teenager Problemen, wie Gewicht, Eifersucht oder Beliebtheit gefüllt. Der eher leichte und humorvolle Ton der Serie hat laut Co-Produzent das Ziel, gegen die aktuellen Trends eines ernsteren und dunkleren Fernsehens zu gehen und mit seiner ansteckenden Positivität eine Wirklichkeitsflucht zu bieten. Und ich möchte behaupten, dass das wirklich gelungen ist, denn die herrlich übertriebene Highschool Welt von Glee lädt die Zuschauer sich einfach unterhalten zu lassen, ohne mit überkomplizierten Handlungen oder Themen konfrontiert zu werden. Und das funktioniert über die ersten zwei Staffeln sehr gut, die einzelnen Schüler entwickeln sich weiter und man fiebert mit, ob die „New Directions“ mit ihren Auftritten gegen die rivalisierenden Gruppen durchsetzen können.


Eine von Glee´s wohl wichtigsten Markenzeichen ist die Musik. Über 800 Songs wurden über die sechs Staffeln von der Show gecovert, also durchschnittlich 6 Songs pro Folge. Die unterschiedlichen Lieder und aufwendige Tanzchoreografien werden oft als Handlungsträger in der Serie benutzt, um etwa Beziehungen zwischen Charakteren aufzuzeigen. Die Vielfalt an verwendeten Genres und Künstlern half sicherlich auch damit, die Beliebtheit der Serie zu steigern. Finanziell rentierte sich die aufwendige Produktion der Songs und der Tanzchoreographien vor allem in den USA, wo es den Großteil der gecoverten Lieder als Alben zu kaufen gab. In den amerikanischen Charts hielt sich vor allem die Coverversion von Journeys „Don´t Stop Believin‘“ aus der Pilotfolge 37 Wochen in den Top 3. Außerdem half es der Serie durch dieses neue Format einer Serie im Musicalstil Beliebtheit aufgrund ihrer Einzigartigkeit zu gewinnen. Ein weiterer Publikumsmagnet den Glee für sich nutzt ist die immense Menge an Gaststarauftritten wie Neil Patrick Harris, Britney Spears, Jeff Goldblum oder Idina Menzel um nur einige zu nennen. Insgesamt sind es fast 40 (mehr oder weniger) bekannte Stars aus Musik-, Film- und Fernsehen, die in der Serie auftreten.


Trotz der vielen Faktoren, die Glee zu Beginn rasch erfolgreich werden ließen, hielt die Beliebtheit der Serie nicht lange und ab der dritten Staffel sanken die Einschaltquoten stetig, am Ende sogar soweit, dass die sechste und letzte Staffel nur noch aus 13 anstatt der vorherigen 22 Episoden bestand. Was hat Glee also falsch gemacht? Warum hat der Erfolg nicht angehalten? Meiner Meinung nach gab es einige Faktoren, die dazu beitrugen, dass die Serie konstant an Popularität verlor.


Der erste Faktor war meiner Meinung nach, dass die Begeisterung über eine neue Art Serie spätestens nach der ersten Staffel gelegt hatte und die Zuschauer höhere Ansprüche an die Handlung und Charakterentwicklung legten, die Serie aber nicht mitzog. Sie behielt das Konzept der ersten Staffel bei und lieferte dem Publikum kaum etwas Neues. Ein weiterer Grund, der von Anfang an klar gewesen sein muss ist, dass wenn eine Staffel ein Schuljahr repräsentiert, die meisten Hauptcharaktere spätestens in der vierten Staffel die Highschool beenden. Die Autoren von Glee standen also vor dem Problem, wie sie die von den Fans geliebten Charaktere nicht aus der Serie nehmen müssen, aber trotzdem die Serie in gewohnter Weise fortführen können. Und sie entschieden sich für den meiner Meinung nach schlechtesten Weg: Ein Teil der „New Directions“ bleibt an der Schule, während ein anderer nach New York aufs College geht und dazu werden noch mehrere neue Charaktere eingeführt, die die Lücken im Glee-Club füllen. Ich hätte verstanden, wenn man die Charaktere, die die Zuschauer über drei Staffeln hinweg begleitet haben, auch auf ihren Wegen außerhalb der Highschool weiter thematisiert oder wenn man eine neue Generation des Glee-Clubs einführt, die den alten Cast komplett ersetzt. Aber die Serie versuchte einen eigenartigen Spagat zwischen den beiden Optionen, der die Serie für mich letztendlich auch ruinierte. Dadurch, dass der Cast dadurch auch erheblich vergrößert wurde, bekamen einzelne Charaktere (vor allem die neuen) wenig Zeit sich zu entwickeln und blieben sehr eindimensional. 

Glee war nie ein Meisterwerk und hatte auch nie den Anspruch eines zu werden. Aber im Kern erfüllt es die Ansprüche, die es an sich selbst hat: Eine fröhliche Unterhaltungsendung, die sich selbst nicht so ernst nimmt und durch zahlreiche ansteckende Songs begeistert. Für mich ist und bleibt Glee meine guilty pleasure, zu der ich nur allzu gerne zurückkomme und die mich in die surreale und übertriebene Welt der McKinley High eintauchen lässt.

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