TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 4. September 2017

Männer, die Frauen hassen - die Millenium-Trologie beginnt (Stieg Larssons Verblendung)

von Katharina Sodtke 

Der Film ist vorbei, doch wir bleiben auf dem Sofa sitzen, jeder in sich selbst vertieft und dabei seine Gedanken zu ordnen. Einerseits die Gänsehaut, andererseits die Erkenntnis einiger Handlungsstränge, die sich in letzter Minute erst aufgeklärt haben. Doch am Ende sind wir uns einig, wir haben gerade einen richtig guten Film gesehen. Denn Handlung, schauspielerische Leistung und filmisches Können haben sich zu einem faszinierenden Werk zusammengefügt. Der Film, von dem gerade gesprochen wird, ist Verblendung, der erste Teil der Milleniumtriologie.




Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch des schwedischen Autors Stieg Larsson, der als Herausgeber des antirassistischen Magazins Expo erste internationale Bekanntheit erlangte. Seinen Lebenskampf gegen gesellschaftliche Missstände nimmt er in seinen Romanen mit auf. Er schafft es, diese Missstände in Schweden in seinen Büchern deutlich offen zu legen und zu kritisieren, diese Kritik ist auch im Film gut zu erkennen. Stieg Larsson sei ein richtig guter Journalist, aber ein schlechter Autor, diese Aussage liest man bei Kritiken bezüglich der Milleniumtriologie häufig. Und in gewisser Art und Weise stimmt dies auch, denn die ersten hundert Seiten des ersten Buches sind schon ziemlich langatmig. Doch trotzdem stehen 35 Millionen verkaufte Exemplare klar auf der positiven Seite. Umso schöner ist die wunderbare gelungene schwedische Verfilmung, die es schafft an den Erfolg des Buches anzuknüpfen.


Im ersten Teil wird zunächst in zwei Handlungssträngen die Geschichte des Journalisten Mikael Blomkvist, sowie die der Hackerin Lisbeth Salander erzählt. Die Wege der beiden Protagonisten verstricken sich immer mehr ineinander bis zum Schluss ein gemeinsamer Handlungsstrang die beiden miteinander verbindet.


Die Geschichte beginnt mit dem Schicksal des schwedischen Journalisten Mikael Blomkvist, der nach einer verlorenen Gerichtsverhandlung den Fall der vor 40 Jahren verschwundenen Harriet Vanger annimmt, um mit seinem journalistischen Talent deren tragischen Tod aufzuklären. Engagiert wird er von Henrik Vanger, dem Onkel des vermissten Mädchens, der der festen Überzeugung ist, dass seine Nichte von irgendeinem Mitglied seiner Familie umgebracht wurde. Während des Gerichtsprozesses gegen Blomkvist erscheint immer wieder eine junge Frau im Bild, die ihren Kleidung und den zahlreichen Piercings nach in die Punkrichtung einzuordnen ist. Sie spioniert offensichtlich Mikael aus. Dieses Mädchen ist Lisbeth Salander, die im späteren Verlauf noch eine große Rolle spielen wird.


Die Szenerie springt um und man erfährt erste Details zu Lisbeth Salanders Leben. Sie lebt unter einem sie terrorisierenden Vormund, der dem Zuschauer auf Anhieb unsympathisch ist. Doch sie ist weder auf den Mund gefallen, noch hat sie Probleme sich zu wehren. Nachdem Mikael sich des Falls von Harriet Vanger angenommen hat versucht er mithilfe von alten Ermittlungsunterlagen der Sache auf den Grund zu gehen. Doch kommt er alleine nicht wirklich voran.


Währenddessen sieht man immer wieder Ausschnitte aus Lisbeths Leben, wie sie Mikael im Auge behält, wie sie verprügelt wird und wie sie sich mit ihrem Vormund herumärgern muss. Die Probleme mit ihrem Vormund eskalieren dermaßen, dass sie um einen neuen Laptop zu bekommen, zu sexuellen Handlungen gezwungen wird und am Ende in einer sehr detailreichen und sehr grausam und ehrlich dargestellten Szene von ihm vergewaltigt wird. Als Zuschauer stellt es einem alle Haare auf und es bleibt ein wirklich ungutes Gefühl. Großes Lob jedoch hierbei an die grandiose schauspielerische Leistung von Naomi Rapace. Doch anstatt sich selber zu bemitleiden, liefert Lisbeth den entscheidenden Hinweis im Fall Harriet Vanger, nachdem sie sich selber durch das Hacken von Mikaels Computer auf den neuesten Stand gebracht hat.


Durch diesen Tipp treffen sich die Geschichten der zwei Hauptdarsteller, indem sie anfangen den Fall Harriet Vanger gemeinsam aufzuklären. Mithilfe von Harriets Tagebuch sowie Lisbeths hackerischen Fähigkeiten, finden die beiden einige erschreckende Details. Die dadurch entstehende Verbindung von pseudo-religiösen jüdischen Frauenmorden zur Familie des Auftraggebers wird dessen Familie dann doch zu heikel. Für den Zuschauer steht also eine Verschwörung unmittelbar im Raum, vor allem nachdem eigentlich klar scheint, dass nur der Vater Harriets als Mörder in Frage kommen kann, doch ist dieser schon vor ihrem Tod gestorben. Also wer aus der Familie hat Harriet Vanger vor 40 Jahren umgebracht und versucht dies nun wieder weiter zu vertuschen?


Wie schon erwähnt gab es bei dieser Verfilmung nicht nur ein hervorragende schauspielerische Leistung, sondern auch eine beeindruckende Kameratechnik. Die Stimmung ist von Anfang an dunkel, gruselig und voll Spannung geladen. Die Grundstimmung wird durch die Farbwahl des Regisseurs Niels Arden Oplev gut unterstrichen. Die Szenerie spielt im schwedischen Winter, in alten Häusern mit ausgebleichten Tapeten. Da Mikael mit Materialien von vor 40 Jahren arbeiten muss, hat er nur unscharfe Bilder, die jedoch von der Kamera in Großaufnahme gezeigt werden.

Die Milleniumtrilogie wird durch zwei weitere Teile komplettiert. Diese beiden Teile wurden auch nach der Buchvorlage von Stieg Larsson verfilmt. Sie sind genauso mystisch gehalten und lassen den Zuschauer zwischenzeitlich mit einem großen Fragezeichen im Gesicht zurück. Auch hier führen erst am Ende die einzelnen Handlungsstränge zu einem großen gemeinschaftlichen zusammen, wodurch die Spannung erhalten bleibt und die Fragen des Zuschauers bis zum Schluss offen bleiben.


Der zweite Teil heißt Verdammnis und dreht sich vornehmlich um den familiären Hintergrund von Lisbeth Salander. Denn Mikael Blomkvist möchte eine Story über einen Fall von Sklavenhandel mit jungen russischen Frauen herausbringen. Involviert ist hier neben der Mafia auch der Geheimdienst, der mit allen Mitteln die Veröffentlichung verhindern will. Einer der größten Nummern in dieser russisch-schwedischen Mädchenhandelsmafia ist Zala, Lisbeths Vater. Obwohl dieser keinerlei väterliche Gefühle für Lisbeth besitzt, macht sich diese auf die Suche nach ihm. Das ganze Drama endet damit, dass ihr Halbbruder und ihr Vater alles daran setzen sie umzubringen. Auch Mikael Blomkvist ist weiterhin ein wichtiger Bestandteil des zweiten Teils, denn er recherchiert hinter Lisbeth hinterher, um sie vor der Polizei zu finden.


Vergebung ist der dritte und letzte Teil der Milleniumtriologie. Im Mittelpunkt steht der Vertuschungsversuch von Seiten der SiPo, der Sicherheitspolizei bezüglich der Vorfälle aus dem zweiten Teil um Lisbeths Vater Zala. Lisbeth steht wegen diverser Anschuldigungen vor Gericht und soll im schlimmsten Fall in die Psychiatrie eingewiesen werden. Während Mikael alles daran setzt, Lisbeths Unschuld zu beweisen, muss er gleichzeitig darauf achten, seinen eigenen Ruf zu wahren, da auch seine Glaubwürdigkeit bewusst geschwächt werden soll.


Die schwedische Verfilmung von Verblendung wurde in kürzester Zeit zu einem Kassenschlager mit mehr als 100 Millionen Dollar Umsatz. Da in Amerika jedoch ausländische Filme nicht synchronisiert werden und das amerikanische Publikum keine Untertitel mag, entstand im Jahr 2011 ein amerikanisches Remake. Hollywood versuchte also mit dem gleichnamigen Film Verblendung auf den Zug mit aufzuspringen. Doch nicht nur der Name wurde übernommen, sondern auch die gesamte Handlung bis hin zu den meisten Dialogen. Auch der Fakt, dass der sehr bekannte Schauspieler Daniel Craig die Hauptrolle des Mikael Blomkvist übernimmt und dass die Newcomerin Rooney Mara einen hervorragenden Job macht, täuschen nicht über den Fehltritt Hollywoods hinweg.


Der schwedische Originalfilm ist auf alle Fälle empfehlenswert, jedoch bleibt zu beachten, dass er sehr an den Nerven zerrt, denn die Folterszenen sind schwer zu ertragen und auch was die psychische Brutalität angeht lässt er dem Zuschauer das ein oder andere Mal den Atem stocken. Er zeigt den ungetrübten Blick auf die Grausamkeit menschlicher Abgründe und ist gleichzeitig bestürzend und grandios.

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