von Katharina Sodtke
Der Film ist vorbei, doch wir
bleiben auf dem Sofa sitzen, jeder in sich selbst vertieft und dabei seine
Gedanken zu ordnen. Einerseits die Gänsehaut, andererseits die Erkenntnis
einiger Handlungsstränge, die sich in letzter Minute erst aufgeklärt haben.
Doch am Ende sind wir uns einig, wir haben gerade einen richtig guten Film
gesehen. Denn Handlung, schauspielerische Leistung und filmisches Können haben
sich zu einem faszinierenden Werk zusammengefügt. Der Film, von dem gerade
gesprochen wird, ist Verblendung, der erste Teil der Milleniumtriologie.
Der Film basiert auf dem
gleichnamigen Buch des schwedischen Autors Stieg Larsson, der als Herausgeber
des antirassistischen Magazins Expo erste internationale Bekanntheit erlangte.
Seinen Lebenskampf gegen gesellschaftliche Missstände nimmt er in seinen
Romanen mit auf. Er schafft es, diese Missstände in Schweden in seinen Büchern
deutlich offen zu legen und zu kritisieren, diese Kritik ist auch im Film gut
zu erkennen. Stieg Larsson sei ein richtig guter Journalist, aber ein
schlechter Autor, diese Aussage liest man bei Kritiken bezüglich der
Milleniumtriologie häufig. Und in gewisser Art und Weise stimmt dies auch, denn
die ersten hundert Seiten des ersten Buches sind schon ziemlich langatmig. Doch
trotzdem stehen 35 Millionen verkaufte Exemplare klar auf der positiven Seite.
Umso schöner ist die wunderbare gelungene schwedische Verfilmung, die es schafft
an den Erfolg des Buches anzuknüpfen.
Im ersten Teil wird zunächst in
zwei Handlungssträngen die Geschichte des Journalisten Mikael Blomkvist, sowie
die der Hackerin Lisbeth Salander erzählt. Die Wege der beiden Protagonisten
verstricken sich immer mehr ineinander bis zum Schluss ein gemeinsamer
Handlungsstrang die beiden miteinander verbindet.
Die Geschichte beginnt mit dem
Schicksal des schwedischen Journalisten Mikael Blomkvist, der nach einer
verlorenen Gerichtsverhandlung den Fall der vor 40 Jahren verschwundenen
Harriet Vanger annimmt, um mit seinem journalistischen Talent deren tragischen
Tod aufzuklären. Engagiert wird er von Henrik Vanger, dem Onkel des vermissten
Mädchens, der der festen Überzeugung ist, dass seine Nichte von irgendeinem
Mitglied seiner Familie umgebracht wurde. Während des Gerichtsprozesses gegen
Blomkvist erscheint immer wieder eine junge Frau im Bild, die ihren Kleidung
und den zahlreichen Piercings nach in die Punkrichtung einzuordnen ist. Sie
spioniert offensichtlich Mikael aus. Dieses Mädchen ist Lisbeth Salander, die
im späteren Verlauf noch eine große Rolle spielen wird.
Die Szenerie springt um und man
erfährt erste Details zu Lisbeth Salanders Leben. Sie lebt unter einem sie
terrorisierenden Vormund, der dem Zuschauer auf Anhieb unsympathisch ist. Doch
sie ist weder auf den Mund gefallen, noch hat sie Probleme sich zu wehren.
Nachdem Mikael sich des Falls von Harriet Vanger angenommen hat versucht er
mithilfe von alten Ermittlungsunterlagen der Sache auf den Grund zu gehen. Doch
kommt er alleine nicht wirklich voran.
Währenddessen sieht man immer
wieder Ausschnitte aus Lisbeths Leben, wie sie Mikael im Auge behält, wie sie
verprügelt wird und wie sie sich mit ihrem Vormund herumärgern muss. Die
Probleme mit ihrem Vormund eskalieren dermaßen, dass sie um einen neuen Laptop
zu bekommen, zu sexuellen Handlungen gezwungen wird und am Ende in einer sehr
detailreichen und sehr grausam und ehrlich dargestellten Szene von ihm
vergewaltigt wird. Als Zuschauer stellt es einem alle Haare auf und es bleibt
ein wirklich ungutes Gefühl. Großes Lob jedoch hierbei an die grandiose
schauspielerische Leistung von Naomi Rapace. Doch anstatt sich selber zu
bemitleiden, liefert Lisbeth den entscheidenden Hinweis im Fall Harriet Vanger,
nachdem sie sich selber durch das Hacken von Mikaels Computer auf den neuesten
Stand gebracht hat.
Durch diesen Tipp treffen sich
die Geschichten der zwei Hauptdarsteller, indem sie anfangen den Fall Harriet
Vanger gemeinsam aufzuklären. Mithilfe von Harriets Tagebuch sowie Lisbeths
hackerischen Fähigkeiten, finden die beiden einige erschreckende Details. Die
dadurch entstehende Verbindung von pseudo-religiösen jüdischen Frauenmorden zur
Familie des Auftraggebers wird dessen Familie dann doch zu heikel. Für den
Zuschauer steht also eine Verschwörung unmittelbar im Raum, vor allem nachdem
eigentlich klar scheint, dass nur der Vater Harriets als Mörder in Frage kommen
kann, doch ist dieser schon vor ihrem Tod gestorben. Also wer aus der Familie
hat Harriet Vanger vor 40 Jahren umgebracht und versucht dies nun wieder weiter
zu vertuschen?
Wie schon erwähnt gab es bei
dieser Verfilmung nicht nur ein hervorragende schauspielerische Leistung,
sondern auch eine beeindruckende Kameratechnik. Die Stimmung ist von Anfang an
dunkel, gruselig und voll Spannung geladen. Die Grundstimmung wird durch die
Farbwahl des Regisseurs Niels Arden Oplev gut unterstrichen. Die
Szenerie spielt im schwedischen Winter, in alten Häusern mit ausgebleichten
Tapeten. Da Mikael mit Materialien von vor 40 Jahren arbeiten muss, hat er nur
unscharfe Bilder, die jedoch von der Kamera in Großaufnahme gezeigt werden.
Die Milleniumtrilogie wird durch
zwei weitere Teile komplettiert. Diese beiden Teile wurden auch nach der
Buchvorlage von Stieg Larsson verfilmt. Sie sind genauso mystisch gehalten und
lassen den Zuschauer zwischenzeitlich mit einem großen Fragezeichen im Gesicht
zurück. Auch hier führen erst am Ende die einzelnen Handlungsstränge zu einem
großen gemeinschaftlichen zusammen, wodurch die Spannung erhalten bleibt und
die Fragen des Zuschauers bis zum Schluss offen bleiben.
Der zweite Teil heißt Verdammnis
und dreht sich vornehmlich um den familiären Hintergrund von Lisbeth Salander.
Denn Mikael Blomkvist möchte eine Story über einen Fall von Sklavenhandel mit
jungen russischen Frauen herausbringen. Involviert ist hier neben der Mafia
auch der Geheimdienst, der mit allen Mitteln die Veröffentlichung verhindern
will. Einer der größten Nummern in dieser russisch-schwedischen
Mädchenhandelsmafia ist Zala, Lisbeths Vater. Obwohl dieser keinerlei
väterliche Gefühle für Lisbeth besitzt, macht sich diese auf die Suche nach
ihm. Das ganze Drama endet damit, dass ihr Halbbruder und ihr Vater alles daran
setzen sie umzubringen. Auch Mikael Blomkvist ist weiterhin ein wichtiger
Bestandteil des zweiten Teils, denn er recherchiert hinter Lisbeth hinterher, um
sie vor der Polizei zu finden.
Vergebung ist der dritte und
letzte Teil der Milleniumtriologie. Im Mittelpunkt steht der
Vertuschungsversuch von Seiten der SiPo, der Sicherheitspolizei bezüglich der
Vorfälle aus dem zweiten Teil um Lisbeths Vater Zala. Lisbeth steht wegen
diverser Anschuldigungen vor Gericht und soll im schlimmsten Fall in die
Psychiatrie eingewiesen werden. Während Mikael alles daran setzt, Lisbeths
Unschuld zu beweisen, muss er gleichzeitig darauf achten, seinen eigenen Ruf zu
wahren, da auch seine Glaubwürdigkeit bewusst geschwächt werden soll.
Die schwedische Verfilmung von
Verblendung wurde in kürzester Zeit zu einem Kassenschlager mit mehr als 100
Millionen Dollar Umsatz. Da in Amerika jedoch ausländische Filme nicht
synchronisiert werden und das amerikanische Publikum keine Untertitel mag,
entstand im Jahr 2011 ein amerikanisches Remake. Hollywood versuchte also mit
dem gleichnamigen Film Verblendung auf den Zug mit aufzuspringen. Doch nicht
nur der Name wurde übernommen, sondern auch die gesamte Handlung bis hin zu den
meisten Dialogen. Auch der Fakt, dass der sehr bekannte Schauspieler Daniel Craig
die Hauptrolle des Mikael Blomkvist übernimmt und dass die Newcomerin Rooney
Mara einen hervorragenden Job macht, täuschen nicht über den Fehltritt
Hollywoods hinweg.
Der schwedische Originalfilm ist
auf alle Fälle empfehlenswert, jedoch bleibt zu beachten, dass er sehr an den
Nerven zerrt, denn die Folterszenen sind schwer zu ertragen und auch was die
psychische Brutalität angeht lässt er dem Zuschauer das ein oder andere Mal den
Atem stocken. Er zeigt den ungetrübten Blick auf die Grausamkeit menschlicher
Abgründe und ist gleichzeitig bestürzend und grandios.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen