TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 17. Juni 2020

Gülle, Heringe und die Ostsee - Frontal 21

von Herbert Schwaab
Gibt es etwas, das mehr entspannt, als am Abend Politmagazin zu schauen? Schon der erste Bereicht „Ostsee in Not“ von Frontal 21 vom 16.6.2020 führt uns vor, warum Magazinsendungen immersive Erlebnisse sein können, in die wir uns gut eingebettet fühlen: 
Zunächst sehen wir einen Fischer, der in der Ostsee von heute auf morgen keinen Dorsch mehr fischen darf, aber trotzdem einigermaßen erfolgreich ist, weil er einen großen Schwarm Heringe aufgestöbert hat, den er mit seinen Netzen fangen konnte. Er klagt über Überfischung und Fangverbote, die seine Existenz bedrohen.

Donnerstag, 4. Juni 2020

Bares für Rares – eine seichte, schnelle Entertainment Version von ,,Kunst und Krempel“

von Carolin Wittmann
Was machen ein Briefträger aus Pforzheim, eine Verwaltungsangestellte aus Köln und eine Mutter mit ihrer Tochter in einer Halle voller Gerümpel? Kein Anfang eines Witzes, sondern die ernste Frage, die den Zuschauer bei Bares für Rares vor dem Bildschirm hält. Die seit 2013 im ZDF laufende Serie hat just diesen Mai die 1000 Folgen-Marke gebrochen und nichts scheint den eigentlichen Koch Horst Lichter davor stoppen zu können, dem Publikum die Inhalte deutscher Keller näher zu bringen.

Formula 1: Drive to Survive. Folge 1 der ersten Staffel

von Matthias Fehlner

“All to Play For” - auf deutsch “Es ist noch alles drin” - so lautet der Titel der ersten Folge der 2019 erschienen Netflix-Serie „Formula 1: Drive to Survive“. Und dieser Titel trifft es, zumindest für mich, sehr gut, denn als Formel-1-Neuling gehe ich unvoreingenommen an die Serie heran und auch für mich „ist noch alles drin“.

Mittwoch, 3. Juni 2020

Unter Druck. Eine neue Serie soll Zuschauer*innen für ARD und ZDF gewinnen

von Lily Marsh
Druck erfährt jeder einmal. Vor allem als Jugendlicher: Druck in der Familie, Druck in der Schule, Druck beliebt zu sein. Und genau darum geht es in der gleichnamigen Serie. Die „Internet-Serie“ Druck ist eine Adaption, der aus Norwegen stammenden Serie „Skam“. Erstmals erschien Skam 2015, produziert von dem norwegischen Sender NRK und wurde ein Hit. In Deutschland wird Druck vom öffentlich-rechtlichen Onlineangebot „Funk“ produziert.

Die Inflation der Unterbrechung. Alexander Kluge, Joko und Klaas und Männerwelten

von Herbert Schwaab 
Wenn sie folgenden Link (https://www.prosieben.at/tv/joko-klaas-gegen-prosieben/video/32-maennerwelten-joko-klaas-15-minuten-clip) anklicken, dann haben sie eine am 14.5.2020 im Fernsehen ausgestrahlte 15-minütige Show über männliche Gewalt im Internet und außerhalb des Internets gesehen. Sie haben sie aber auch nicht gesehen, weil zu der Wirkung dieses Clips dazugehört, dass er im laufenden Fernsehprogramm als von Joko und Klaas in ihrem Duell gegen Pro7 gewonnene 15 Minuten Sendezeit zur Primetime gezeigt und damit der Flow des Fernsehens auf radikale Weise unterbrochen wurde. Daher ist es auch schade, dass der von Pro7 aufbewahrte Clip mit dem Joko und Klaas Intro im 1980er Jahre Stil zwar ein kleines Moment von Heterogenität anbietet, der so typisch für den Raymond Williams in den 1970er Jahren definierte flow des Fernsehens ist. Was fehlt ist aber das tatsächliche Programm, das der lange Clip unterbrochen hat, und der Schock, den es für die Grey’s Anatomy Fans bedeutet haben muss (denn davor lief angeblich der Clip), sich mit dieser Ausstellung von männlicher Gewalt, Stumpfheit, Empathielosigkeit, Egozentrik und ihrer hässlicher Fantasien und egozentrischen Maßlosigkeit beschäftigen zu müssen.
Unterbrechung ermöglicht eine interessante, strategische Vereinnahmung des Fernsehprogramms. Als Ende der 1980er Jahre die ersten privaten Sender wie RTL oder Sat1 auch terrestrische Frequenzen für die Antennenausstrahlung haben wollten (bisher waren sie nur über Kabel empfangbar gewesen), wurde ihnen von der Politik auferlegt, auch einen Kulturauftrag zu erfüllen. Weil das zu anstrengend war, hat der Filmemacher Alexander Kluge mit seiner Produktionsfirma dctp (an der auch der Spiegel beteiligt war), diesen Sendern das Angebot gemacht, diesen Kulturauftrag für sie zu übernehmen, worauf vor allem RTL zurückgegriffen hat. Seine Sendungen wie News and Stories, 10 vor 11 und das ironisch betitelte Prime Time,  waren die sperrigsten Stücke Fernsehen, die sich vorstellen lassen: Manchmal waren es collagenartige Zusammenstellungen von Bildern und Tönen, meistens in einer Einstellung gedrehte Interviews mit Experten zu kulturell hochrelevanten, aber komplizierten Themen, häufig aber auch Interviews mit Menschen, die so taten, als wären sie Experten (wie Helge Schneider oder Peter Berling). Immer kam aus dem Off immer die überaus beruhigende und nachhakende Stimme von Alexander Kluge, der zwar Fragen stellte, sich aber auch gerne eigenen Assoziationen, die immer weiter vom Thema wegführten, hingab.