Warum
sehen sich Leute gerne Ärzte im Fernsehen an? Ich weiß es nicht, zähle mich
aber auch nicht zu dieser Spezies. Den Kleinmädchentraum Tierärztin zu werden
habe ich früh wieder verworfen und auch ansonsten sehe ich mir lieber anderes
an, als Leute, die an anderen herumschnippeln. Doch eine dieser sogenannten
Arztserien hat es tatsächlich geschafft, auch mich vor den Fernseher zu
fesseln, auch wenn auf eklige Operationen nicht völlig verzichtet wird. Die
Rede ist von der Dramedy-Serie Royal Pains, die beim Zuschauer Urlaubssehnsüchte weckt.
Da wird die protzige Luxus-Villa zum OP-Saal, wenn Hank und Kollegin Dyvia zu Hilfe eilen…natürlich im gepflegten Freizeitoutfit. |
Die Hauptfigur, Doctor Henry, genannt Hank Lawson, ist nämlich Hausarzt in den wunderschönen Hamptons. Wie es ihn aus dem sterilen New Yorker Krankenhaus, in dem er vorher tätig war, in dieses Paradies verschlagen haben, erfahren wir in der Pilotfolge: Um einen Straßenjungen zu retten, ließ er den reichen Sponsor des Krankenhauses versehentlich sterben… und sorgte dadurch für seine Kündigung. Zur Ablenkung des in Selbstmitleid und Binge-Watching versunkenen Hank schleppte ihn sein Bruder Evan in die Hamptons. Dort rettete der arbeitslose Arzt auf einer Party einer Frau das Leben … und wurde somit über Nacht zum Privatarzt der Reichen und Schönen. Gemeinsam mit Evan und der Inderin Divya Katdare gründet er den Hausarzt-Service HankMed und behandelt Patienten entweder in ihren protzigen Villen oder im Gästehaus des adligen Milliardärs mit dem wahrhaft exotischem Namen Boris Kuester von Jurgens-Ratenicz, der Hank und Evan bei sich wohnen lässt.
Ich
finde, allein schon für eine bei Arztserien eigentlich ungewohnte Ästhetik
lohnt sich die Serie. In jeder Folge gibt es immer wieder eingeschobene Clips
in denen die Kamera in Vogelperspektive den Strand, das Meer, die kompletten
Hamptons und natürlich Boris riesigem luxuriösen Anwesen entlang gleitet. Bei
diesen schönen
Sequenzen kommt man ins Schwärmen und Träumen und schaltet daher immer wieder
gerne ein - vor allem wenn man wie ich nicht vordergründig Fan von
Arztserien ist. Diese Wirkung der Ästhetik
haben auch die Macher erkannt und zu ihrem Nutzen gemacht. So ist mir
aufgefallen, dass ab den späteren Staffeln die Sättigung hochgeschraubt wurde,
um das Wasser noch blauer und klarer, die Kleider farbenfroher und die Haut
gebräunter wirken zu lassen.
Doch
auch wenn der Titel der Sendung Royal Pains, also königliche Schmerzen lautet, geht es dort nicht nur um die Elite der
Hamptons. Schon in der Anfangs beschriebenen Pilotfolge wird deutlich, dass
Hank nicht der klischeehafte Hausarzt ist, der einfach seinen Scheck abholt und
wieder fährt. In nahezu jeder Folge gibt es neben einem vermögenden
Klienten, der Hank und Co wegen größerer und kleinerer Wehwechen zu sich
bestellt, auch einen Patienten, dessen Erkrankung dem Team zufällig im privaten
Umfeld auffällt und der daraufhin unentgeltlich von HankMed behandelt wird. Die
Probleme dieser unterschiedlichen Gesellschaftsschichten werden dabei in
vielfältiger Weise beleuchtet, da sie sich oft ähneln aber genauso häufig
unterscheiden. Die einen bekommen im örtlichen Krankenhaus nur die unzureichende Standardbehandlung
während die anderen es nicht riskieren wollen, dass die Presse von jeglichen
Krankheiten Wind bekommt, was ja dem Prestige schaden würde. Da wird schon mal
ein MRT-Röntgengerät
extra aus dem Krankenhaus eingeflogen und das Wohnzimmer wird zum OP. Daraus
folgt dass „die Reichen- und auch die
nicht ganz so Reichen einen Typen brauchen der Hausbesuche macht”, wie Hank
in der ersten Staffel jede Recap beendete.
Obwohl
wenn es natürlich nur selten vorkommt, dass Dr. Lawson einen Patienten
verliert, läuft die Behandlung nie wie am Schnürchen. Mal ignorieren die
Patienten aus Geldnot oder Bequemlichkeit jeden guten Rat des Hausarztes, hin
und wieder stellt sich eine anfangs harmlose Krankheit als etwas viel größeres
mit fatalen Folgen heraus. In letzter
Sekunde und mit viel - womöglich nicht immer ganz realistischer - Improvisation wird Hank zum
MacGyver der Medizin und schafft es, wie dieser berühmte Agent mit herumliegenden
Alltagsgegenständen (eine Flasche Wodka, ein Teppichmesser, ein Kugelschreiber,
ein wenig Plastikfolie) medizinische Wunder zu vollbringen. Diese
Komplikationen lassen den Zuschauer die ganze Folge über am Bildschirm kleben,
da es dadurch hin und wieder zu komischen, oft aber auch brenzligen Situationen
kommt. Nicht selten wirken diese Krankheiten anfangs auf den ersten Blick völlig komisch
und absurd, wie bei der Dame, die bei jedem Essen in Ohnmacht fällt oder dem
Mann, bei dem ein bestimmtes Bild Halluzinationen hervorruft, bis diese anhand
eines kleinen Details, welches erst im Laufe der Folge auffällt, plötzlich
medizinisch plausibel werden.
Aber
auch ansonsten bleibt bei Royal Pains der Humor nicht auf der Strecke. Dies
wird vor allem dadurch erzielt, dass die Hauptcharaktere Hank, Evan und Divya
unterschiedlicher nicht sein könnten - ein bewährtes Erfolgsrezept vieler
Serien. Unter den beiden Brüdern ist Hank der ruhige und schüchterne, während
der tollpatschige Evan nie die Klappe halten kann und auch mindestens dreimal
pro Folge betont, dass er Finanzchef von HankMed ist. Divya als medizinisch technische
Assistentin ist die Dritte im Bunde: Nach außen kompetent, klug, hin und wieder
vor allem Evan gegenüber sarkastisch und schlagfertig. Bei diesem Trio gibt es
immer wieder lustige Momente und mehr oder weniger starke Streits, wenn Evan
seinen kamerascheuen Bruder mitten in die „Today Show“ schleppt oder das Team
für Evans aufwendige und animationsgespickte Power Point Präsentationen zu
Business Strategien nur ein müdes Gähnen übrig hat. Die Interaktion mit den wiederkehrenden Nebenfiguren eröffnet schließlich noch
weitere Themenfelder wie natürlich die ein oder andere Romanze bis hin zur
Familienplanung in den späteren Staffeln oder das Wiedersehen mit ihrem Vater,
der sie im Kindesalter verlies. Hinzu kommt noch die Storyline um den
undurchsichtigen Boris, der sowohl einen Hai in seinem Labor als auch noch ganz
andere Geheimnisse verbirgt, wodurch sich Hank vorkommt, „als würde er mit
einem James-Bond Schurken zusammenleben“.
Neben
dieser bewährten Mischung aus Romantik, Witz und Intrigen hat die Serie noch
weitere Elemente, die eher untypisch im TV sind. Denn Hank und Evan sind nicht
nur Brüder und zumindest teilweise Ärzte, sondern auch Unternehmer, die sich
aus dem Nichts heraus eine Existenz aufgebaut haben. Im Laufe der Serie
unterliegen sowohl ihre Firma HankMed, als auch ihre eigenen Pläne über die
berufliche Zukunft stets einigen Veränderungen. Da dieses Gründer-Thema und die
damit thematisierten Probleme vor allem in Ärzteserien normal keine Rolle
spielen, finde ich diesen Aspekt der Serie umso interessanter. Des Weiteren
bietet auch Divyas indische Herkunft eine Menge Stoff für Konflikte und auch
die Ansichten einer anderen, weniger beachteten Kultur zu den
unterschiedlichsten Themen, allen voran Liebe und eigene Entscheidungsfreiheit.
Alles
in allem bietet Royal Panik dem Zuschauer sehr
viel Vertrautes mit Liebe, Familienproblemen, Geheimnissen und Situationskomik.
Der Fan der Arztserie erhält zudem spannende und verblüffende Fälle und für
alle anderen ist die Serie auch nicht
allzu anspruchsvoll von der Handlung her. Gleichzeitig werden aber auch diese bisher in Fernsehserien
eher unbeachteten Themen angesprochen und vor allem durch die Stimmung und das
Setting hebt sich die Serie damit deutlich von anderen Arztserien ab. In
den USA war Royal Pains bis zur letzten achten Staffel eine der am meisten
verfolgten Serien im Kabelfernsehen. Bei uns in Deutschland haben vor RTL,
Super RTL und seit neuestem auch sixx die neuen Folgen ausgestrahlt, dies
meistens zu einer etwas späteren Uhrzeit um etwa 22 Uhr. Für mich war dies
immer ideal, da ich gerne nach einer actiongeladenen, aufreibenden und
verlustreichen Folge meiner Lieblings-Sci-Fi Serie zum Tagesabschluss zu Royal
Pains eingeschaltet habe, um mit einem gutem Gefühl schlafen zu gehen. Denn in
den Hamptons ist die Welt - zumindest meistens- in bester Ordnung.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen