TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 12. September 2017

Köln 50667 - Wat is' dat denn?

Von Stefanie Lederer 

Köln 50667 – erstmal nur die schlichte Aneinanderreihung einer deutschen Großstadt und deren Postleitzahl – mehr kann man aus dem Titel der vermeintlich berühmtesten Serie von RTL2 nicht entnehmen. Doch wer sich normalerweise nicht auf diesem Sender aufhält, könnte mit seinen Erwartungen durch den Titel leicht in die Irre geführt werden. Klingt es vielleicht im ersten Moment nach einer Dokumentation über die rheinische Karnevalshochburg oder verspricht man Einblicke in landestypische Panoramen und Sehenswürdigkeiten, oder könnte eventuell diese Sendung auch kulturell informieren? Nein, definitiv nicht. Und diejenigen, die treue Zuschauer dieser Sendung sind und somit wissen, wovon wirklich die Rede ist, werden nach dem vorherigen Satz eventuell geschmunzelt haben. Denn Kenner wissen, dass dieses Formats herzlich wenig mit einer lehrhaften Message zu tun hat oder geschweige denn kulturelle Intentionen beabsichtigt. 


Angefangen bei einem auffallend niedrigen Sprachniveau, was zwischen den Darstellern herrscht und sekundär auch die Bekanntheit der Sendung erklärt. Einige würden es „Gossensprache“ nennen, was hier auf den Bildschirmen Deutschlands gesprochen wird. Für den Sender wäre diese Betitlung vermutlich nichts Neues, da RTL2 als das Paradies für Trash-Formate gilt, jedoch wenn man einen Schritt weitergeht und diesen Aspekt in Relation zum Titel stellt, frage ich mich: ist das denn jetzt wirklich typisch „kölsch“ oder schlichtweg verblödend? 

Beliebte Sätze, die im Überdruss verwendet werden, sind „Verpiss dich!“ oder die Fragestellung ob man sein Gegenüber denn „verarschen“ will und dass „Scheiße“ achtzehn Mal in einem Satz vorkommen kann, scheint niemanden zu stören – fraglich, ob das zur sprachlichen Horizonterweiterung beiträgt. Die Bildzeitung errechnete durchschnittlich 110 Kraftausdrücke pro Folge, wobei zugegebenermaßen auch diese Quelle ihre Seriosität anzweifeln lässt, jedoch bestätigt sie ebenso meinen persönlichen Eindruck als Zuschauer. Betrachtet man beispielweise die zwei Charaktere Kevin und Chantal – und die zwei Namen sprechen hinsichtlich der Qualität ihres Inputs schon Bände – kann man feststellen, dass dieses Duo ein Paradebeispiel für das Format ist. Sie sind innerhalb des Handlungsverlaufs für eine Zeit lang ein Paar, was sie aber erst nach jahrelanger - Zitat Chantal - „Bromance“ festgestellt haben, und meistern ihren gemeinsamen Alltag in ihrer Teenie-WG, in der sie mit ihren Freunden zusammenleben. „KevKev“ ist der Chaot mit eindringlichem Berliner-Akzent, der seine Partnerin aufrichtig liebt, sie aber im Verlauf der Sendung mit Yvonne, die eigentlich auf 40 Jahre ältere Männer steht, betrügt. Seine zeitweise Freundin Chantal, die sich am Anfang der Serie mit zarten 17 Jahren durch Sätze wie „Isch‘ brauch Alkohol!“ auszeichnet, ist die klischeehafte Partyqueen, die auch beim Männerfang darauf achtet, nicht zu kurz zu kommen. Wahnsinnig repräsentative Charaktere, die sich die Zielgruppe der jungen Erwachsenen als Vorbild nehmen sollte! Und genauso banal wie dieses Beispiel auch klingt, ist für mich die Handlung dieser Sendung aufgebaut. 

Zusammengefasst geht es um den Alltag verschiedener WGs, wobei die Altersklassen bunt gemischt sind und sich zwischen 16 und Ü40 bewegen, und die Protagonisten verschiedene, aber nur selten aufstrebende Lebenspraxen vertreten, zudem aus unterschiedlichen sozialen Schichten kommen und über mindestens eine Person dieser Gruppen miteinander vernetzt sind. 

Doch der Unterschied zu scheinbar ähnlichen Formaten wie BigBrother ist, dass hierbei Laiendarstellen engagiert wurden, die im Sinne der „Scripted Reality“ ihre vorgegebene Rolle spielen, aber das auf gutdeutsch „frei Schnauze“ tun dürfen. Ziel ist es alles wie eine realitätsgetreue Dokumentation wirken zu lassen und in dem Zuschauer den Eindruck zu erwecken, er verfolge gerade normale Menschen in “echten“ Lebenssituationen auf dem Bildschirm. Festzustellen ist, dass mittlerweile zahlreiche solcher Serien auf dem TV-Markt existieren, wozu zum Beispiel „Verdachtsfälle“, „Frauentausch“ oder „Extrem schwer – mein Weg in ein neues Leben“ und viele weitere zählen. Und mindestens bei einem dieser Beispiele hat jeder von euch einmal eingeschaltet, gerne auch „versehentlich beim Durchzappen“. Und trotzdem hat man dann die ein oder andere Folge auch bis zum Ende laufen lassen, weil sie einen doch irgendwie unterhalten hat - obwohl man sich bewusst ist, wie viel dabei eigentlich gestellt ist oder dass Personen nochmal mit einer Portion extra Dummheit versehen werden. Aber genau das ist entertaining, das schafft nur Trash-TV, eben solche Formate wie Köln 50667 – daher entspringt deren Popularität, was ich auch erst verstehen musste. 

Trash-TV im Allgemeinen, oder auch „Unterschichtenfernsehen“, wie es gerne genannt wird, hat seit Anfang des Jahrhunderts bis heute einen enormen Wandel durchlebt. Beginnend mit „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Big Brother“, die als die ersten Formate dieser Sorte aufkamen und eher zur Belustigung über die Darsteller oder bis hin zur Erniedrigung jener beitrugen. Zum Glück kann man hierbei beobachten, dass sie in den letzten Jahren tatsächlich weniger eingeschaltet werden und die Verantwortlichen dazu anstoßen, ihre Moral zu überdenken. Zumindest ist es bei den besagten Scripted-Reality-Formaten vorgegeben, wie die Wirkung der handelnden Personen sein sollte und die Darsteller sich bewusst über die Verkörperung ihrer selbst bzw. ihrer Figur sind. Trotz meiner hier sehr skeptischen Haltung gegenüber dem Format muss ich zugeben, habe ich meinen Beitrag zu der anfänglichen Erfolgswelle von Köln 50667 beigetragen, da ich mich tatsächlich über Monate hinweg um 18 Uhr von Montag bis Freitag vor dem Fernseher Chips essend erwischt habe, um mich die folgende Stunde an Skandalgeschichten, geistig anspruchslosen Dialogen und plattem Content zu belustigen. Denn wie anstrengend wäre das Fernsehen, würden auf allen Sendern nur ernsthafte Inhalte vermittelt werden, bei denen man als Zuschauer stets aufmerksam dranbleiben muss, um den Faden nicht zu verlieren? Manchmal ist es doch auch angenehm, sich ins Sofa fallen zu lassen, den Fernseher anzuschmeißen und sich der Banalität des Programms und der Einfachheit der Primitivität hinzugeben. 

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