TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 11. Juli 2012

Serienkritik zur 4. Staffel „O.C. California“

von Daniela Härtl 

Nachdem die ersten drei Staffeln von der beliebten US-Serie „O.C. California“ weltweit einen riesigen Erfolg feierten, wurde auf den Start der vierten Staffel lange hingefiebert. Eine herbe Enttäuschung war ja bereits der Serientod von Marissa Cooper, einer der Hauptpersonen am Ende der dritten Staffel. Immer wieder wurden Stimmen laut, dass die Serie ohne Mischa Barton nicht mehr den Erfolg haben werde, wie in den ersten drei Staffeln. 
 Dass sie recht behalten sollten, war bereits zu Beginn der letzten Staffel zu sehen. Die Macher ließen einige Episoden der Staffel wegfallen, nachdem man schon in den ersten Folgen bemerkt hatte, wie wenige Zuschauer die Serie verfolgten. Bereits nach nur 16 Folgen wurde die Serie nach der vierten Staffel dann eingestellt. Die Einschaltquoten waren im Keller. Was als großer Erfolg begonnen hatte, endete mit einer nicht besonders ruhmreichen letzten Staffel.
 Am Anfang der vierten Staffel geht es um die ersten Monate nach dem Unfalltod Marissa Coopers, die in der letzten Folge der vorherigen Staffel nach einem Verkehrsunfall in den Armen ihres Freundes Ryan Atwood starb. Aus diesem Grund trifft ihr Tod Ryan am meisten, sodass er sein ganzes, bisheriges Leben aufgibt. Wie zu Beginn der ersten Staffel lebt er wieder in ärmlichen Verhältnissen und kellnert in einer Bar, um sich über Wasser zu halten. Bei seinen wohlhabenden Adoptiveltern, den Cohens, die ihn in der ersten Staffel bei sich aufnahmen, ist er ausgezogen. Ohne seinen Stiefvater Sandy Cohen, der ihm bisher aus jeder noch so schweren Lage geholfen hat, scheint Ryan jeglichen Halt in seinem Leben verloren zu haben. Er rutscht immer weiter ab, zurück in die Gesellschaft, aus der er ursprünglich kam. Die Jahre, in denen er wohlhabend und wohlbehütet bei den Cohens gelebt hatte, scheinen nie passiert zu sein. Als Zuschauer fühlt man sich an den Anfang von O.C. California zurückversetzt und frägt sich, ob Ryan es noch einmal schafft sich aufzurappeln, auch ohne seine große Liebe Marissa. Bei illegalen Käfigkämpfen lässt er sich Abend für Abend nach seiner Arbeit übel zurichten. Die Schläge scheinen ihm zu helfen, den Schmerz über Marissas Tod zu vergessen. Als Zuschauer bekommt man Mitleid mit Ryan und hofft auf den rettenden Strohhalm, der ihn aus diesem Tief herausholt. 
Die Cohens haben ihren Ziehsohn nicht vergessen und versuchen mehrmals, ihm zu helfen und ihn aus seiner Lethargie zu befreien, doch es scheint aussichtslos. Ryan bleibt stur und will sich einfach nicht helfen lassen. Benjamin McKenzie spielt die Rolle sehr überzeugend, sodass seine tiefe Trauer und seine Verzweiflung auf den Zuschauer übergehen. 
Während dem weiteren Verlauf der Staffel, will sich Ryan an Volchok rächen, der den Verkehrsunfall verursacht und so Schuld an Marissas Tod hat. Ryan erhofft sich Seelenfrieden, indem er Volchok das nimmt, was er Marissa genommen hat, sein Leben. Auch Ryans leiblicher Vater taucht nach vielen Jahren urplötzlich auf und versucht, Interesse an seinem Sohn zu zeigen. Ryan ist nach wie vor die Hauptperson der Serie, um die sich alles dreht. Nach und nach kämpf sich Ryan in sein altes Leben zurück und das normale Serienleben kann weitergehen. Das wohl markanteste Merkmal einer Serie sind oftmals Beziehungsprobleme. Wer mit wem zusammen ist, wer wen mit wem betrügt und so weiter und so fort. In diesem Teil unterscheidet sich die Serie kaum von anderen Serien, dennoch kann man sagen, dass man es geschafft hat, die Handlung spannend zu halten, sodass der Zuschauer wirklich noch immer wissen will, wie es weiter geht. In diesem Sinne plätschert die Serie so vor sich hin, zwar spannend, aber nicht außergewöhnlich. Als es dann zu einem Erdbeben in Orange County kommt, dem sich die Akteure stellen müssen, bekommt man als Zuschauer das Gefühl, dass wieder einmal etwas Spannenderes als Beziehungsprobleme über die Mattscheiben flimmern sollte. Man merkt, wie sehr man darauf bedacht war, aus dem „Serientrott“ auszubrechen, um dem Zuschauer etwas Interessantes zu bieten. Dinge wie das Erdbeben wirken sehr aufgesetzt und konstruiert. Natürlich muss man, wenn man es objektiv betrachtet, sagen, dass eine Serie immer fiktiv ist und von den Regisseuren gelenkt wird. Alles wird auf den Zuschauer zugeschnitten, um sich dessen Aufmerksamkeit zu sichern. Allerdings sollte man den Regisseur während dem Verfolgen einer Serie einen vergessen und sich dessen nicht erst bewusst werden. Das setzt allerdings auch ein gutes Drehbuch voraus. Dass Dinge aufgesetzt und gelenkt wirken, ist schon in der zweiten und dritten Staffel aufgefallen. Ich persönlich finde, hingegen der Meinungen, die überall in Internetforen zu lesen waren, dass zumindest dieser Teil in der 4. Staffel um Weiten besser gelöst wurde, als in den vorangegangenen Staffeln. Sicher wirken viele Dinge noch immer konstruiert, aber nicht mehr so offensichtlich, wie in den älteren Staffeln. 
Etwas, dass sicher auch zu diesem Thema gehört, ist die Weiterentwicklung von Ryans Liebesleben. Sobald er sich nach Marissas Tod gefangen hatte und wieder ein halbwegs normales Leben führen konnte, musste ein „Liebesersatz“ für ihn gefunden werden. Das ist genau das, was sich die Zuschauer schon seit der ersten Folge fragen. Die Hauptperson einer Serie braucht einen Partner. Wenn dieser verstirbt, ist eine Zeit der Trauer angemessen, aber dann muss ein Ersatz her. Eigentlich offensichtlich, in der vierten Staffel von O. C. California aber gut gelöst. 
 Die zickige Taylor, die in der vorherigen Staffel nicht unbedingt mit ihrer Freundlichkeit glänzen konnte und bis zur vierten Staffel eigentlich wenig mit Ryan zu tun hatte, soll die Neue an seiner Seite sein. Für viele Fans zunächst wahrscheinlich die schlechteste Entscheidung, die man hätte fällen können. Doch genau, das ist es, was die Zuschauer wieder vor den Fernseher lockt. Man will wissen, wie es mit der quirligen Blondine und dem doch eher mürrischen Ryan weitergeht und ob das mit den beiden wirklich funktionieren kann. Ein geschickter Schachzug, der die Quoten zumindest stabil hält. 
 So grotesk die Geschichte zunächst auch aussehen mag, ist sie meiner Meinung nach doch ziemlich gut umgesetzt. Spannend gestaltet, dadurch, dass Taylors Ex-Mann immer wieder auftaucht und sie überall hin zu verfolgen scheint und romantisch dadurch, wie Hauptakteur Ryan langsam merkt, dass ihm Taylors Art vielleicht mehr als nur gefällt. 
Allgemein kann man sagen, dass die ganze Serie gut inszeniert ist, wie auch schon in den vergangenen Staffeln. Der Drehort wird gut in Szene gesetzt und bringt dem Zuschauer vor dem Fernseher „Urlaubs-Feeling“. Im Gegensatz zu den Dailysoaps aus Deutschland, bei denen die Drehorte erstens reduziert und zweitens meist nur aus Pappe sind, wird bei O.C. California zu großen Teilen am Strand gedreht. Überhaupt sprechen die Villen, in denen die Akteure leben, das Meer und der Strand ihre eigene Sprache und sind sicher auch mitverantwortlich für das Besondere in der Serie, das die Fans von Anfang an so fasziniert hat.
 Auch in puncto Struktur hat man sich in einigen Folgen an etwas Neues gewagt. Dinge werden vorweggenommen, sodass der Zuschauer kurzzeitig mehr weiß, als der Darsteller. Dies bringt Dynamik in die Erzählung und bricht aus der typischen chronologischen Erzählweise aus, was für den Zuschauer durchaus erfrischend ist. Mit der Folge "Die Parallelwelt" haben die Macher sogar noch einen Schritt mehr gewagt und durch die Bewusstlosigkeit zweier Akteure eine Parallelwelt erschaffen. In der genannten Folge liegen Ryan und Taylor, nachdem sie von einer Leiter gefallen sind, in einem kleinen Koma und erleben ihre Welt in einem Paralleluniversum vollkommen neu, bis sie wieder erwachen und wie geläutert sind. 
An solche Veränderungen hatten sich die Regisseure in den vorangegangenen Staffeln nicht gewagt, was sehr schade ist. Denn genau solche Experimente sind es, die eine Serie am Leben und vor allem den Zuschauer vor dem Fernseher halten. Abwechslung ist das Zauberwort. So wird mit der Routine gebrochen und ich finde es lobenswert, dass man die Erzählweise mal etwas variiert. 
 Auch die Atmosphäre wirkt in der vierten Staffel lockerer und um einiges heiterer als in älteren Folgen. Es ist weniger düster und der Zuschauer bekommt mehr und mehr Lust, die Serie zu verfolgen. Natürlich tauchen auch hier hin und wieder Probleme auf, ufern aber nicht mehr so aus, wie in der zweiten und dritten Staffel und sbleiben somit auch ohne größere Folgen. 
Aus diesem Grund ist auch mehr Raum für Emotionen und der Fokus wird mehr auf die Akteure als auf die Handlung gelegt. Gefühle wirken realer, was zur Folge hat, dass sie den Zuschauer vor dem Bildschirm auch besser erreichen. Es geht viel um Liebe und das Verlassenwerden, wie in jeder anderen Soap auch, doch was ich nicht als selbstverständlich sehe, ist Humor. Auch dieser kommt hier nicht zu kurz. Seth Cohens Rolle wurde in dieser Staffel viel mehr Raum zur Entfaltung gegeben und da ist Spaß vorprogrammiert. 
Man kann während der Staffel einen gewissen Wandel der Stimmung feststellen. Sie beginnt sehr düster und wird nach und nach aufgelockert. Eine logische Schlussfolgerung, denn der Tod eines Menschen muss auch in einer Serie erst verarbeitet werden. Doch wie nach jedem Verlust müssen auch die Charaktere weiter leben und darüber hinweg kommen. Das Ende der Staffel mit der Hochzeit von Seth und Summer ist sehr gelungen und ein guter Abschluss der gesamten Serie, trotzdem war deutlich zu merken, dass für die vierte Staffel mehr Handlung vorgesehen war, als letztendlich ausgestrahlt wurde. Vor der Hochzeit haben die Regisseure einen Zeitsprung von mehreren Monaten eingebaut, um die abschließende Folge ausstrahlen zu können, ohne den Zuschauer mit einem Bruch der Handlung vor den Kopf zu stoßen. 
Ich habe diese Serie wirklich gern gesehen und mit der letzten Staffel bekommt sie auch einen würdigen Abschluss. Auch wenn die Meinungen, die in die Öffentlichkeit getragen wurden, auseinander gehen finde ich, dass die letzte Staffel von "O.C. California" auf jeden Fall sehenswert war. Man tut der Staffel unrecht, wenn man sagt, dass sie ohne Schauspielerin Mischa Barton nicht an alte Erfolge anknüpfen kann. Ganz im Gegenteil, die Staffel ist in vielerlei Hinsicht besser, als so manche Folge, in der Mischa Barton noch Teil der Serie war.

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