TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 23. August 2010

Die Schulermittler: Konfliktlösung für Anfänger?
















von Christian Lang

Seit August 2009 baut RTL im täglichen Kampf um die besten Einschaltquoten jeden Montag bis Freitag zwischen 17 Uhr und 17.30 Uhr und samstags ab 16.45 Uhr auf die Pseudo-Doku-Soap „Die Schulermittler“. Die Protagonisten lassen sich in zwei Gruppen unterteilen. Das eine Team um den Sozialarbeiter Thorsten Heck und der Sozialpädagogin Sarah Lee, sowie dem Kommissar Stefan Kern ist ebenso in den Konflikten der Schüler involviert, wie das Team um Sophie Koch, Mitarbeiterin des Amtes für Schule, Familie und Soziales, Sören Petersen und die Kommissarin Susanne Kaspary. Die Schulermittler sind beauftragt, Streitigkeiten zwischen den Schülern zu bereinigen, einzelne Jugendliche vor der Gefahr der sozialen Isolation zu bewahren und für ein entspanntes Miteinander unter den Schülern zu sorgen. In den nachgestellten Fällen dreht es sich zumeist um typische Probleme von Teenagern, wie zum Beispiel Liebe, Eifersucht, Gewalt und Alkohol. Ein Beispiel, um ein genaueres Bild von der 23-minütigen Doku zu erlangen:

Der 15-jährige Sam wird auf Grund seiner Hautfarbe von Mitschülern diskriminiert und ausgeschlossen. Mit Hilfe einer Steinschleuders wird ihm ein kleiner Brocken Beton, an welchem ein Zettel mit rassistischen Bemerkungen geheftet ist, an den Kopf geworfen. Mit dieser Situation beginnt die Fake-Doku. Da Sam häufiger von seinen Mitschülern mit rassistischen Äußerungen belästigt wird, schalten sich ab sofort die Schulermittler ein. Sarah und Thorsten fragen den Jugendlichen wie in einem polizeilichen Verhör nach möglichen Verdächtigen. Sams Freundin Nina vermutet stark, dass ihr Ex-Freund hinter der Attacke stecken würde, was sie kurz darauf in einer interviewartigen Situation dem Zuschauer gegenüber begründet. Sofort danach machen sich die Schulpolizisten auf die Suche nach Tom, der auf einen Bolzplatz aufgefunden wird und alle Anschuldigungen von sich weist. Bei der Befragung Toms mischen sich sogar seine Freunde ein und es kommt zum ersten Mal zu einer sehr aggressiven Stimmung gegenüber den zwei Ermittlern und fast zu Handgreiflichkeiten. Abschließend findet auch hier eine kurze Stellungnahme Toms, aber auch der beiden Sozialarbeiter statt. Nun wird Claudia, die Mutter Sams zu den Geschehnissen befragt und es stellt sich schnell heraus, dass Sam über die Vorfälle innerhalb der Familie noch kein Wort verloren haben zu scheint, weshalb die Mutter in Tränen ausbricht. Es folgt, wie immer vor einem Szenewechsel ein weiteres Statement der verzweifelten Mutter zu den Vorfällen. Nach der Werbepause findet sich der Zuschauer auf dem Schulgelände wieder und beobachtet, wie die zwei Ermittler, welche scheinbar immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein scheinen, ein Gerangel um und mit Sam entschärfen. Ähnlich zur „Küstenwache“ im ZDF wird dabei Ort und Zeit am linken unteren Bildrand eingeblendet. Der erneut grenzenlos gedemütigte Sam wird zusammen mit den anderen Beteiligten dieses Gemenges im Direktorat zur Gegenüberstellung gebeten, wobei der Zuschauer dabei sehr schnell an einen Streit vor Gericht erinnert wird. Ein Ergebnis bleibt dabei jedoch aus, so dass Sarah und Thorsten gemeinsam mit ihrem Vorgesetzten Stefan Kern das weitere Vorgehen besprechen und sich auf eine Befragung Toms mit seinen Eltern einigen. Diese zeigen sich wenig beeindruckt von den Vorwürfen, schließlich sei ihr Sohn doch ein wahrer Musterknabe. Die Befragung endet damit, dass die Eltern aus Entsetzen über die Vorwürfe den Raum stürmisch verlassen. Ein weiterer Schultag bringt nun bereits das abrupte Ende hervor. Wieder einmal ist Sams Freundin Nina in eine Auseinandersetzung mit Fabian, der bis dahin unerwähnt blieb, verwickelt. Nach einem kurzen Gespräch mit den Schulermittlern zeigt sich, dass Fabian aus Frust über die Trennung seiner Eltern auf der Suche nach einem Sündenbock in Sam fündig geworden ist, und dies der Grund für die Diskriminierung ist. Darauf verzichtet Sam auf eine Strafanzeige wegen Körperverletzung und plädiert dafür, Fabian professionelle psychologische Hilfe anzubieten. Die Pseudo-Doku endet mit einem graphischen Überblick über die Maßnahmen, welchen auf Grund des öffentlichen Interesses gegen Fabian eingeleitet wurden. Dieser erhält mehrere Sozialstunden zur Tilgung seiner Schuld.

Was kann der Zuschauer dieser Pseudo-Doku-Soap, die auf Grund ihrer knappen Dauer, häufigen Szenewechsel und wegen dem urplötzlichen Ende sehr hektisch wirkt, entnehmen? Zunächst einmal bietet die Sendezeit um 17 Uhr, nach Schul- und Arbeitsende, für eine breite Schicht Identifikationsmöglichkeiten. Schüler, aber auch Erwachsene entdecken sich möglicherweise in den Rollen und Situationen einzelner Darsteller wieder und können daraus lernen, sinnvoll und vor allem ohne Gewalt mit ihren Problemen umzugehen. Denn immer wieder müssen die Schulermittler in Handgreiflichkeiten, Schubsereien und anderen physischen Auseinandersetzungen ihr Geschick unter Beweis stellen und mit Worten Zugang zu den Parteien zu finden. Die Doku beinhaltet also durchaus eine deutliche Botschaft, welche Gewalt in keinster Weise befürwortet. Abgesehen von der physischen Gewalt, kommt jedoch auch die psychische Komponente hinzu. Sarah und Thorsten kämpfen zumeist gegen Mobbing und Ausgrenzung an und zeigen auch somit klar, dass diese Art des sozialen Miteinanders nicht zu tolerieren sein darf. Der Begriff „Ermittler“ trifft dabei auch deswegen so gut zu, da man das Vorgehen der beiden Protagonisten, wie oben erwähnt, tatsächlich mit polizeilicher Tätigkeit vergleichen kann. Dadurch wird den Jugendlichen in einem Spiegelbild des späteren Erwachsenenlebens deutlich vor Augen geführt, dass gewisse Verhaltensweisen nicht zu dulden sind und später von einer kontrollierenden Instanz, der „echten“ Polizei, bestraft werden. Ein weiterer Aspekt, der vor allem in dieser Episode erkennbar wird, ist die Vermittlung von Werten. Sam verzichtet letztendlich auf eine strafrechtliche Verfolgung seines Peinigers, obwohl dieser ihn körperlich und psychisch stark verletzt hatte, und veranlasst die zuständigen Behörden dem frustrierten Fabian professionelle Hilfe zu leisten. Auch wenn es etwas überspitzt klingen mag, so kann man doch manchmal in den zumeist völlig überraschenden Wendungen der Episoden Tugenden wie Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft und vorbildliches Verhalten im Allgemeinen erkennen. Ob diese Aspekte jedoch für den durchschnittlichen RTL-Zuschauer tatsächlich eine Rolle spielen ist eine andere Frage.

„Die Schulermittler“ sind aber auch in mehreren Punkten angreifbar. Die absurden Wendungen, die Batman-artige Präsenz der Sozialpädagogen bei Handgreiflichkeiten und die unglaublich schlechten Leistungen der Laienschauspieler, welche von bodenloser Theatralik und Lustlosigkeit strotzen, lassen pädagogisch wertvolle Ansatzpunkte rasch in das Hintertreffen gelangen. Speziell das schauspielerische Auftreten der Mutter von Sam deckt diese Defizite schonungslos auf, vermag sie es doch zu keinem Zeitpunkt mit Mimik und Gestik eine ernsthafte Betroffenheit und das Gefühl ihrer eigenen Hilflosigkeit darzustellen. Zu offensichtlich sind die nicht vorhandene Realität in der Doku und das Bemühen von RTL, möglichst kostengünstig ein unterhaltsames Vorabendprogramm zu bieten. Persönlich halte ich zwar die Art und Weise der Konfliktlösungen für sehr gut, jedoch auch für völlig unrealistisch. Nur die wenigsten Probleme lassen sich wohl mittels eines kurzen Gespräches mit den Sozialarbeitern lösen.

Zusammenfassend bin ich daher der Meinung, dass „Die Schulermittler“ zwar Schlüssel und Methodik zur Konfliktlösung unter Jugendlichen liefern, diese jedoch selbst die Gespräche suchen sollten und nicht auf die Illusion einer alles-klärenden Instanz namens „Schulermittler“ vertrauen sollten.

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