TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Freitag, 13. August 2010

23. Spieltag der Fußball-WM: „Das Traumschiff“ – Kontrastprogramm mit Happy-End


von Bastian Zieglgruber


Eines vorweg: Ich habe die am vergangenen Mittwoch im ZDF gesendete Wiederholung der unter eingefleischten Fans hoch gehandelten „Traumschiff“-Episode „Vancouver“ nicht gesehen, schließlich ging es im öffentlich-rechtlichen Nachbarsender um den weiteren WM-Verbleib der Deutschen Nationalmannschaft – mit ernüchterndem Ergebnis, wie im weiteren Verlauf des Abends neben mir weit über 30 Millionen deutsche Leidensgenossen beziehungsweise 85 Prozent der Fernsehgucker feststellten mussten. Das „Kraken-Orakel“ sollte Recht behalten, die Spanier entpuppten sich als wesentlich stärkerer Gegner als Maradonas Argentinier. „Uns’re Jungs“ gingen im Vuvuzela-Meer von Durban sang und klanglos mit einem enttäuschenden 0:1 unter – aus der Traum vom WM-Finale, Fußball-Deutschland im Tal der Tränen. 

Da blieb auch dem Kapitän des deutschen WM-Dampfers, Phillip Lahm, im Interview nach Spielende nur die traurige Feststellung: „Es ist sehr, sehr bitter, wenn man im Halbfinale ausscheidet. Die Enttäuschung ist sehr groß.“ Dem bleibt außer einem Frust-Bier nichts hinzuzufügen. Weit weniger deprimierend verlief der Fernsehabend höchstwahrscheinlich für die Zuschauer des ZDF, das an diesem Abend bei der Programmgestaltung vor allem auf Kontrast setzte und damit alles richtig machte. Immerhin rund 1,6 Millionen Deutsche verfolgten dort zeitgleich zum äußerst dramatischen Untergang der Nationalmannschaft die Wiederholung einer gewohnt betulichen Kreuzfahrt der MS Deutschland ins kanadische Vancouver und machten das „Traumschiff“ an diesem Abend so zur zweiterfolgreichsten Sendung hinter der Fußball-WM. Eigentlich wenig verwunderlich, gilt die mittlerweile seit knapp 30 Jahren von Fernseh-Urgestein Wolfgang Rademann produzierte Urlaubs-Serie doch als Quotengarant und Publikumsmagnet – Schiffsbruch ausgeschlossen. Durchschnittlich rund zehn Millionen Deutsche verfolgen regelmäßig die bis zur Schmerzgrenze in Edel-Kitsch verpackten Reisen des „Traumschiffs“.

Rademanns Erfolgsstrategie folgt dabei unermüdlich dem gleichen, äußerst einfachen Rezept: Schockierend banale Beziehungskisten werden auf herzerwärmende und simpelste Art und Weise unter kräftiger Mithilfe der Stamm-Crew um Kapitän Jakob Paulsen (Siegfried Rauch) vor den spektakulärsten Naturkulissen ausnahmslos zu einem guten Ende geführt - Rosamunde Pilcher lässt grüßen. Wirkliche Probleme haben in der „Traumschiff“-Welt ebenso wenig Platz, wie ein differenzierter Blick auf die an den Urlaubszielen vorherrschenden politischen oder sozialen Realitäten – aber wen interessiert das schon? Viel zu vorhersehbar und berechenbar ist die Oberflächlichkeit der Serie, als dass man dem „Traumschiff“ deswegen böse sein könnte. Jeder weiß, auf was er sich bei einer Reise mit dem Fernseh-Schiff einlässt. So auch Harald Schmidt, der den eigentlichen Kern der Serie nach seinem ersten und nicht ganz ironiefreien Gastauftritt im Jahr 2006 recht passend charakterisierte, als er witzelte, künftig gehe bei ihm Drehort immer vor Drehbuch. Und zugegeben, die exotischen Drehorte haben durchaus ihren Reiz und werden vom ZDF auch äußerst ansprechend in Szene gesetzt. 

Kaum ein Fleckchen Erde wurde noch nicht vom „Traumschiff“ angesteuert und so manch ein Reiseziel lässt den Zuschauer vom nächsten Urlaub unter Palmen träumen - und genau das ist wohl entscheidend für den großen Erfolg des „Traumschiffs“. Neben all den unerträglich kitschigen Storys bietet die Serie seinen Fans vor allem die Möglichkeit einer entspannten medialen Alltagsflucht, ganz ohne Hektik, mit viel Herz, einer Menge Urlaubsflair und üppigen Naturaufnahmen – so höchstwahrscheinlich auch in „Vancouver“ am 23. Spieltag der Fußball-WM. Happy-End als Versprechen. Beneidenswert.

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