von Caroline Struzina
Sobald ich den Fernseher anmache, fange
ich an wie wild herum zu zappen.
Ja, ich gebe es zu, ich bin bekennender
Zapper. Ewig auf der Suche nach einem anderen, einem besseren Programm, die
rastlosen Finger stets auf der Fernbedienung. Die bringe ich so lange zum
Glühen, bis mir schließlich a) im vorüber zappen etwas Interessantes begegnet oder
ich b) erschöpft beim nächst besten Programm hängen bleibe und mich ergeben
berieseln lasse. Das geht mittlerweile schon so weit, dass ich selbst während
einer Sendung, die ich wirklich sehen wollte, schnell noch mal bei RTL oder
ProSieben vorbei schaue. Mal gucken, was da grad so läuft. Das typische
Verhalten eines Fernseh-Junkies. Nie zufrieden mit dem was man hat und immer
dem inneren Drang nachkommend, das komplette Programm aller Sender zu erfassen.
Während ich fernsehe, erstelle ich quasi im Kopf einen Überblick über das
aktuelle Angebot.
Dabei gibt es für genau diesen Zweck extra
ein Medium, genauer gesagt, ein Werbemedium, das mir eben diesen Service
liefern soll: die Fernsehzeitschrift.
Nur hilft die mir so gar nicht weiter. Zum
einen ist allein die Anschaffung irgendwie ein Widerspruch an sich. Warum Geld
bezahlen für etwas, dass kostenlos im Internet verfügbar ist, noch dazu viel
aktueller? Gerade in der jüngsten Vergangenheit fühle ich mich oft genug vom
gedruckten Programmplan im Stich gelassen. Meine elterliche Hauszeitschrift
kündigt für 10.35 Uhr am Sonntagmorgen „Gossip Girl“ auf ProSieben an. Ich
kenne die Tücken der Programmplanung und schalte lieber schon fünf Minuten eher
ein. Nur um festzustellen, dass die Sendung bereits seit zehn Minuten läuft und
ich den Anfang verpasst habe. Mal wieder.
Fernsehredakteure haben es aber auch nicht
leicht. Sie sollen dem Leser einen Überblick über meist 14 Tage TV-Programm
geben und Redaktionsschluss dafür ist schon Wochen vorher. Dabei tun sie sich
mittlerweile mit ihren Prognosen ähnlich schwer wie Meteorologen und sind
ebenso mäßig erfolgreich. Denn viel zu häufig neigen die Senderchefs dazu, ihr
weit im Voraus festgelegtes Programm in letzter Minute zu kippen. Welche
Zeitschrift soll da noch hinterherkommen. Gedruckt ist gedruckt. Da kann nicht
auf kurzfristige Brennpunkte, Specials oder Serienrauswürfe reagiert werden.
Die Fernsehzeitschrift richtet sich nach den Programmplanern und die richten
sich nach der Quote. Stimmt die Quote nicht, stimmt das Fernsehprogramm nicht.
Daher ist es auch kaum verwunderlich, dass
immer mehr Fernsehzeitschriften ihr Augenmerk auf das „Drumherum“ der
TV-Landschaft richten. Bevor ich zum eigentlichen Programmplan komme, blättere
ich erst durch einen seitenlangen Dschungel von Klatsch und Tratsch über
Schauspielsternchen, Technikneuheiten, Filmvorstellungen und ein paar
TV-Highlights der Woche. Selbst Fernsehwerbung wird vorgestellt und bewertet.
Wirkliche Fernsehkritik findet man jedoch kaum. Allerdings kann auch das
Internet hier nicht wirklich mehr bieten. Es existieren zwar beispielsweise
einige Fanseiten im Internet, die bestimmte Serien vorstellen und vorsichtige
Kritik üben – allerdings stets aus Sicht des Fans. Sarkastisches Niedermachen
der deutschen TV-Kultur a la Kalkhofe kann ebenfalls nicht als fundierte
„Kritik“ verstanden werden, da hierbei der Unterhaltungswert klar im
Vordergrund steht.
Ich denke, sachliche Fernsehkritik fällt
deshalb so schwer, weil fernsehen mehr als alles andere ein subjektives Erleben
ist. Fernsehen ist für die meisten ein Begleiter des Alltags. Die „Glotze“
läuft morgens beim Frühstück, nebenher bei der Hausarbeit, zur Entspannung am
Nachmittag und als Abendunterhaltung oder Einschlafhilfe. Das Medium Fernsehen
wird als solches von den meisten nicht mehr wahrgenommen. Es ist eher zur
Geräuschkulisse unseres Alltags mutiert. Was man schaut, ist bis auf wenige
Ausnahme, die „Highlights“ der Woche, eigentlich egal. Der Inhalt des Programms
rückt in den Hintergrund, wird zur Nebenkulisse. Während ich diesen Text
schreibe, läuft nebenbei ein Spiel der Fußball-Weltmeisterschaft und morgens
begleitet mich das „Morgenmagazin“ beim Start in den Tag. Ich höre beim
Zähneputzen und Frühstücken zu; bewusst gesehen habe ich aber noch kaum einen
Beitrag.
Um diesem Trend etwas entgegen zu stellen,
setzen die Fernsehmacher voll auf „Eventjournalismus“. Wenn niemand mehr genau
hinschaut, dann muss dem Publikum ein Anreiz geboten werden, es eben doch zu
tun. Dabei bieten sich vor allem Sport- bzw. Wettkampfveranstaltungen an. So
fesselten ARD und ZDF Anfang des Jahres Zuschauer mit der stundenlangen und
über den gesamten Tag verteilten Olympia-Berichterstattung aus Kanada. Die
eigentlichen Sportereignisse wurden umrahmt mit Vor- und
Nachberichterstattungen und wenn gerade niemand die Skipisten hinunterjagte
oder die Eisbahn entlang hetzte, gab es ja noch genug über Vancouver oder
Olympiatouristen zu erzählen. Pünktlich zum Ende der Winterspiele startete dann
die „nationale Aufgabe“, den geeigneten Kandidaten für den Eurovision Song
Contest zu suchen. Dazu holten sich die öffentlich-rechtlichen Verantwortlichen
einen großen Privatsender mit ins Boot, um die angestaubte Veranstaltung etwas
aufzupeppen und der Berichterstattung ein noch größeres Publikum ist geben. Als
„Unser Star für Oslo“ gefunden war, hieß es, die Zeit bis zum eigentlichen
Contest zu überbrücken, um dann mit umso größerer Energie ganz
Fernsehdeutschland mit Lena-Specials zu überfluten.
Der Höhepunkt des Eventjournalismus ist
seit dem Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft erreicht. ARD, ZDF und RTL
sicherten sich die Übertragungsrechte und wer immer die jeweiligen Spiele
zeigt, gestaltet die komplette Tagesplanung um das WM-Spiel herum. Mehr oder
minder kompetente Expertenteams analysieren was das Zeug hält und geben dabei
so qualifizierte Kommentare von sich wie: „Eine Weltmeisterschaft ist halt kein
Ponyhof“ (RTL).
Das wird selbst einem Sport- und besonders
Fußballfan wie mir zu viel. Da die meisten Spiele bei mir sowieso nur nebenbei
laufen, starte ich zum „Must see“ der Woche einen Selbstversuch: das Spiel
Deutschland gegen Serbien schaue ich nicht wie mittlerweile üblich im Public
Viewing - Großleinwandformat mit Freunden und vielen Fremden, sondern ganz
allein, in meiner Wohnung vor dem Fernseher.
Keine Deutschlandfarben im Gesicht, statt
im obligatorischen Fanshirt sitze ich im Pulli vor meinem kleinen Fernsehgerät.
Irgendetwas stimmt nicht. Das Zurechtmachen vor dem Spiel ist ein Ritual
geworden, das jetzt richtig fehlt. Ich schmiere mir schnell etwas schwarz-rot-gold
auf die Wange, komme mir aber schon etwas blöd dabei vor. 75 Minuten vor
Spielbeginn startet das ZDF seine Übertragung aus Port Elizabeth mit einem
„Countdown“. Moderatorin Kathrin Müller-Hohenstein und Neu-„Experte“ Oliver
Kahn parlieren über dieses und jenes. Kahn wirkt fehl am Platz, während seine
Partnerin wenigstens noch versucht, einen kompetenten Eindruck zu vermitteln.
Ich schalte kurz rüber zu RTL „Punkt 12“, auch nicht viel unterhaltsamer, also
zurück zu Müller-Hohenstein und Kahn. Die beiden dürfen die
Vorberichterstattung wohl nur moderieren, weil vor dem Spiel eh keiner richtig
zuhört. Erleichterung, als es endlich Zeit wird, ins Stadion zu schalten, wo
der Vuvuzela Lärm den Zuschauer bzw. Zuhörer schon erwartet. Als die Mannschaften
das Spielfeld betreten und die Nationalhymnen ertönen (übrigens die einzigen
Vuvuzela-freien Minuten des Spieles), wird klar, dass vor allem das Wir-Gefühl
die Faszination eines Fußball-Länderspiels ausmacht. Wäre ich jetzt in einer
Kneipe, statt allein zuhause, hätte ich mit Sicherheit Kribbeln im Bauch vor
Spannung. Die Stille in meinem Zimmer wirkt betäubend im Vergleich zum
Atmosphäre erzeugenden Kollektiv des Public - Viewings. Normalerweise ist es
für mich ein Ereignis, heute ist es nur ein simples Fußballspiel. Eben dieses
läuft daher auch mehr oder weniger an mir vorbei. Die ersten Minuten kann ich
mich noch selbst begeistern, eine Aufgabe, die normalerweise mehrere hundert
Menschen übernehmen. Nachdem das Spiel aber bis auf die inflationär verteilten
Karten des überfordert wirkenden Schiedsrichters vor sich hinplätschert, fahre
ich meinen Laptop hoch. Es gibt noch ein paar Sachen zu tun, das könnte ich ja
schnell nebenbei erledigen. Noch vor dem Halbzeitpfiff greife ich aus
Gewohnheit zur Fernbedienung und schalte um.
Ich kann es kaum fassen. Fast eine Woche
habe ich auf diese 90 Minuten hingefiebert, und jetzt zappe ich mich durchs
abstruse Nachmittagsprogramm der deutschen Fernsehanstalten. Dass ich auch die
Nachberichtserstattung nur noch mit einem Ohr verfolge, muss wohl nicht extra
erwähnt werden. Nach meinem einsamen Fußballnachmittag bin ich ernüchtert.
Fernsehen macht nur noch dann richtig Spaß, wenn man es gemeinschaftlich
zelebriert.
Auch die Sender haben dieses Phänomen
längst erkannt. Ob „Germanys Next Topmodel“, „Deutschland sucht den Superstar“
oder spezielle Serienabende – solche Primetime - Angebote sind darauf
ausgelegt, gemeinsam geguckt zu werden.
Alleine fernsehen dient nicht mehr primär
der Unterhaltung, sondern vielmehr der Entspannung. Der bekannte Spruch
„einschalten um abzuschalten“ bewahrheitet sich immer häufiger. Alleine schauen
wird zum Erholungs-, gemeinsam schauen zum Ereignis-TV. Und das nächste
Spiel der deutschen Fußballer schaue ich ganz bestimmt wieder in beruhigend
belebter Umgebung.
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