TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Freitag, 13. August 2010

Wieso wird eigentlich niemand mehr Millionär?


von Jeanette Bretan

Jeder kennt es, jeder hat es schon unzählige Male gesehen. Die Quizshow „Wer wird Millionär“ (RTL) ist seit seinem Beginn im Jahre 1999 äußerst beliebt und gern gesehen. Kein Wunder, dass die berühmte Show heute inzwischen in der elften Staffel läuft und Günther Jauch mittlerweile über 900 Sendungen moderieren durfte.
 
Zweimal die Woche gibt er jeweils 10 Personen die Möglichkeit, sich als Kandidat zu qualifizieren und sich somit den 15 Fragen Richtung Millionen zu stellen. Keine allzu leichte Aufgabe – dennoch schafften es in elf Jahren „Wer wird Millionär“ -Geschichte ganze 8 Kandidaten die 15. Frage richtig zu beantworten - und somit eine Millionen Euro (bzw. DM – für die ersten zwei Gewinner) zu erspielen.
Der letzte Millionen-Gewinn ist mittlerweile drei Jahre her. Seit 2007 änderten sich zudem die Grundspielregeln und die Spielvariante mit weiterem Joker wurde eingefügt. Außerdem hat sich das Durchschnittsalter der Kandidaten im Verlauf des letzten Jahrzehnts wohl beinahe halbiert. Was ist da los in der beliebtesten Quizshow Deutschlands? Und wieso wird eigentlich niemand mehr Millionär?

Das größte Problem der „Wer wird Millionär“ Redaktion ist wohl die Erstellung und Einordnung neuer Fragen. Nach über 20.000 gestellten Fragen wird es langsam schwierig neue, interessante und trotzdem lösbare Aufgaben zu kreieren und diese in den Fluss eines 15-Fragen Rahmens sinnvoll einzubauen. Gerade diese Tatsache macht sich in den heutigen Sendungen besonders deutlich. Die ersten fünf Fragen, welche dem Kandidaten einen sicheren Gewinn von 500€ einspielen, sind meist eine eher förmliche Angelegenheit, die Moderator Jauch gerne kurz und knapp in wenigen Minuten abhandelt. Das darauf folgende Fragenniveau scheint heute beinahe willkürlich. Unterschiedlichste Themengebiete werden bunt gemischt – mal schwer, mal leichter – mal aus der Allgemeinbildung, mal aus den Tiefen eines Spezialgebietes - ohne jegliches System auf den Kandidaten-Monitor geworfen. Ob es früher wirklich einmal anders war oder das heutige Problem bei der Erstellung sinnvoller Fragen Grund für dieses Durcheinander ist, wird sich wohl nie genau feststellen lassen. Jedoch bricht hier einer der wichtigen Eckfeiler einer „Quiz“ – Sendung ein: der Faktor des Glücks, eine gute Frage zu erwischen.

Eine weitere große Veränderung brachte wohl die Erneuerung der Quizregeln vor 3 Jahren. Dem Kandidaten ist es seitdem vor Beginn des Quiz möglich, sich für eine Spielvariante zu entscheiden. Entweder für die Standartvariante mit drei Jokern und zwei Sicherheitsstufen oder der neuen „Risikovariante“, die - natürlich passend für besonders „risikofreudige“ Spieler - einen weiteren Zusatzjoker bietet, und somit eine Sicherheitsstufe weglässt. Diese, heute am meisten gewählte, Variante erlaubt es dem Kandidaten einen Zuschauer aus dem Publikum direkt nach der Lösung zu fragen – und ist so, mit einer Trefferquote von über 80%, der sicherste Joker von allen. Wo dabei genau das „Risiko“ liegt, bleibt rätselhaft.

Es ist jedoch genau diese Spielvariante in Kombination mit dem Definitionsproblem der Fragen, die die Sendung auch über seine Grenzen verändert hat. Das einstige Ziel allein mit seinem Wissen den Höchstgewinn von einer Millionen Euro zu erspielen scheint vergessen. Bei regelmäßiger Verfolgung der Quizshow wird deutlich, dass „Wer wird Millionär“ heute auch gerne von Studenten und jungen Leuten dazu genutzt wird, sich ein nettes Taschengeld dazu zu verdienen. Und dieses neue Ziel wird hartnäckig – ohne Rücksicht auf Verluste – verfolgt. Der Millionengewinn?? – Ist von Anfang an nicht eingeplant. Somit wird auch die Vorraussetzung einer gewissen Allgemeinbildung eher hinfällig. Schließlich sind die ersten fünf Fragen geschenkt, anschließend werden die Joker der „Risikovariante“ gezogen – und so schafft es auch die 18-jährige Abiturientin auf einen Gewinn von 8.000€ - obwohl sie alleine wohl keine Frage richtig beantwortet hätte. Sogar Günther Jauch selbst scheint diese neue Entwicklung nicht besonders zu gefallen. Er reagiert genervt, wenn ahnungslose Kandidaten die Beantwortung der Frage von IHM erwarten und scheint sich ebenso Unwohl bei der Sache zu fühlen, wie der Zuschauer vor dem Fernseher. Aber wem das Ganze eben nicht unangenehm ist? Wieso eigentlich nicht? Pro Sendung werden durchschnittlich Gewinne in Höhe von 75.000 Euro ausgeschüttet – eine Menge Geld! Und wieso den utopischen Millionengewinn ansteuern, wenn sich jeder auf einfachste Weise ein paar Tausend dazu verdienen kann? Wen interessiert schon, was die Leute vor dem Fernseher denken?

Ich persönlich würde es nicht tun. Allerdings muss ich zugeben, dass ich, wenn ich im Fernsehen auf „Wer wird Millionär“ stoße, auch beinahe jedes Mal bei der Quizshow hängen bleibe. Heute zwar nicht aus denselben Gründen wie früher - was schade ist - denn gerade eine Sendung wie diese ist wohl nicht dafür gemacht eine so lange Lebensdauer ohne Veränderung zu überstehen. Aber unterhaltend ist es trotzdem – auch wenn ich den Moment des Fremdschämens schon im gesamten Nachmittagsprogramm erleben durfte.

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