von Stefan Wallner
Die
Konstellation Ermittler/Verdächtiger hat in der Filmgeschichte große Dialoge
hervorgebracht. Man denke an die Szene aus Das Schweigen der Lämmer, als
Clarice Starling, die unerfahrene FBI-Agentin, und Hannibal Lecter zum ersten
Mal aufeinander treffen, an das Ende von Sieben, wenn John Doe Detective Mills
dazu verführt, ihn zu erschießen, oder an die Befragung von Arthur Leigh Allen
in Zodiac – Die Spur des Killers. Diese Dialoge leben von der Beziehung, die
zwischen den Gegenspielern aufgebaut wird. Sie leben vom Machtverhältnis, das
sich permanent verschiebt.
Der
Polizeiruf 110 mit dem vielsagenden Titel Kreise, der erstmals am 28. Juni 2015
ausgestrahlt wurde, scheitert genau an dieser Beziehung. Der zehnminütige
Dialog zwischen Kommissar Meuffels und dem Verdächtigen Peter Brauer, der den
Ton für den Krimi setzt, verkörpert dabei, was viele Zuschauer am modernen,
deutschen Krimi der öffentlich-rechtlichen Sender nervt: der Anspruch, an dem
er zum Scheitern verdammt ist.
Der
Dialog will viel und schafft wenig. Er versucht sich an intermedialen
Querverweisen. Doch die inhaltliche Einbindung des Films Ganz so schlimm ist er
auch nicht, über den Brauer sehr ausführlich monologisiert, an das Verhör
erfolgt nur über oberflächliche Verknüpfungen. Peter Brauer teilt mit dem Film
die Passion für Möbel, doch eine tiefere Bedeutungsebene bleibt aus. Der Song
I‘m not in love von 10cc, der am Ende des Dialogs erwähnt und im Laufe des
Krimis wiederholt gespielt wird, wird mit der Ambition verwendet, das
Gefühlsleben von Brauer zu versinnbildlichen. Doch letztendlich bleibt das nur
ein Vorwand, um alte Musik in einer neuen Produktion zu verwenden, was nicht
erst seit The Guardians of the Galaxy in Mode zu sein scheint.
Doch
es bleibt nicht bei den nostalgischen Anspielungen auf alte Filme oder Songs.
Alles soll interpretiert werden, um eine bedeutungsschwangere Aura zu erzeugen.
Besonders das Philosophieren über „Kreiswelten“, die dem Krimi seinen Titel
geben, versucht sich an tiefgreifenden Erkenntnissen über das Leben und die
Welt. Als Ergebnis stehen am Ende aber nur Gemeinplätze, Stereotypen und
Alltagsweisheiten. So ist zum Beispiel die Erkenntnis, dass es sich bei dem
Emporkömmling, der die Unternehmerstochter heiratet, um ein Klischee handelt,
bei weitem keine neue. Um solche Schwächen zu kaschieren, werden immer wieder
einzelne Geschichten aus dem Leben des Peter Brauer eingestreut, die er mit
blumiger Sprache, viel zu langen Pausen und schwelgerischer Miene vorträgt.
Diese Einschübe sollen wohl poetisch und detailverliebt wirken, bleiben
allerdings hölzern und trocken. Vor allem aber lassen sie häufig den Bezug zum
Hintergrund der Befragung, der ja immerhin ein Mord ist, vermissen. Warum
interessiert es den Kommissar, ob Möbellinien, die Brauers Firma vor seiner
Übernahme hergestellt hat, schön waren oder nicht? Diese Frage und weitere
bleiben offen.
Wenigstens
scheint die Folge des Polizeiruf 110 ihre eigenen Unzulänglichkeiten zu
erkennen. So lässt Meuffels Brauer wenigstens ordentlich auflaufen, als dieser
anfangen will über seine „Kreiswelten“ zu diskutieren und Brauer fragt mitten
im Verhör, als es gerade um die Geschichte der Möbelfirma geht: „Keine Fragen
wie: Wo waren sie zum Zeitpunkt der Tat? Wie war ihr Verhältnis zum Opfer? Gab
es Differenzen? Streit? Hatte Claudia Feinde?“. Doch es ist zu befürchten, dass
vor allem letzteres eher als ironische Kritik an der Gattung des Krimis gedacht
ist und sich somit wieder in den pseudointellektuellen Habitus eingliedert, der
dem Rest des Verhörs innewohnt.
Wenigstens
findet das Verhör ein versöhnliches Ende, wenn Meuffels nach 10 Minuten
Vorspiel dann doch noch die eine unumgängliche Frage stellt: „Wo waren Sie denn
am Freitag zwischen 15 und 17 Uhr?“ und Brauer mit dem vorletzten Satz des
Dialoges endlich seine Unschuld beteuert. Leider lässt es sich der Krimi nicht nehmen,
mit dem letzten Satz die gesamte Unstimmigkeit des Dialogs auf den Punkt zu
bringen, wenn Brauer auf die Beteuerung seiner Unschuld die seltsam
deplatzierte und pathetische Feststellung folgen lässt: „Ich kann nicht
weinen.“
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