TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 4. September 2017

Suits. Unwiderstehliche Anzugsträger

von Anna Leandra Fischer 

Zugegeben: Wenn man jemandem erzählt, dass man eine Anwaltsserie schaut, sieht man in – nett ausgedrückt – nicht besonders begeisterte Gesichter. Die Reaktionen reichen von gespieltem Interesse bis sofortiger Ablehnung. Doch wer Suits kennt, weiß: Diese Serie ist absolut nicht langweilig, es wird nicht nur über Paragraphen gesprochen und Hinterhalte und Intrigen sind das Standardgeschäft. 


Der Sender USA Network hat mit der Serie einen Erfolg gelandet, der nicht nur Jurastudenten und Richter anspricht. Denn die Anzugträger vermitteln dem Zuschauer ein Gefühl von Neid, Mitleid und Mitgefühl zugleich und schaffen damit ein Erfolgsrezept, das ein Millionenpublikum vor die Bildschirme holt. 

Auch wenn man sich als Zuschauer überhaupt nicht für Recht und Justiz interessiert, so fesselt die Serie trotzdem durch die vielen emotionalen Beziehungen, wodurch dem Anwaltsberuf durchaus auch etwas abgewonnen werden kann. 

Die Anwaltskanzlei rund um Harvey Specter (Gabriel Macht), einem gutaussehenden Frauenschwarm, ist eine der renommiertesten in ganz New York. Der dahergelaufene Mike Ross (Patrick J. Adams) will hier am Anfang noch nicht so recht ins Bild passen mit seinen 50-Dollar-Anzügen und dem Fahrrad, mit dem er zur Arbeit radelt. Er rutscht eher versehentlich ins Anwaltsgeschäft – auch weil er nicht einmal Jura studiert hat. Trotzdem stellt Harvey Mike ein, weil der Wissensdrang, der Scharfsinn und die enorme Gedächtnisleistung von Mike beeindruckend auf ihn wirken. Diese Tatsache soll ihm im Verlaufe der Sendung auch noch zum Verhängnis werden und er landet (Vorsicht Spoiler!) deswegen in Staffel sechs auch noch im Gefängnis. So ändert sich der Schauplatz in dieser Staffel – wenn auch nicht ausschließlich – und es werden die Abgründe rechtlicher Illegalität aufgezeigt. Dadurch bekommt die Serie durch das völlig gegensätzliche Setting eine neue Komponente und gewinnt durch neue Konfliktlinien mit anderen Häftlingen an Brisanz. 

Im Gefängnis tun sich ungeahnte Abgründe und Existenzsorgen auf, die im Beruf als gut situierter Anwalt bisher nicht so spürbar waren. Es schwang vorher zwar auch schon immer die Angst vor dem Gefängnis oder einer anderen Strafe in den Handlungssträngen mit, doch mit dem Antreten der Strafe werden diese Ängste zur Realität. Dadurch verändert sich auch der Umgang mit dem Erlebten. Es ist also auch nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen! Harvey und Mike mausern sich über die Folgen hinweg zu einem eingespielten Dreamteam, das durch die perfekte Symbiose des Fachwissens und Spürsinns der beiden einfach jeden Fall gewinnt. 

Die aalglatten, gefühllosen Anzugträger sind aber vor allem eines: kapitalistisch und auf Erfolg bedacht. Auch wenn die Anwälte im Privatleben durchaus emotional sein können, in den verschiedenen Fällen wollen sie vor allem eines – gut dastehen. Die Bezahlung muss stimmen und bei Niederlagen ist vor allem eines wichtig: Das Image der Kanzlei als beste im ganzen Land wahren. 

Erst in den späteren Staffeln entdeckt Mike seine engagierte Ader und beginnt auch Leuten zu helfen, die kein Geld für einen Anwalt aufwenden können, aber unbedingt Hilfe brauchen. Das passiert allerdings auch erst nach dem Gefängnis. Schade! Denn durch ein früheres Engagement hätten die Produzenten noch ein wenig mehr Menschlichkeit ohne Erfolgsdrang und Geldhunger in die Serie gebracht. 

Trotzdem: auch wenn oft eine gehörige Portion Trickserei und Betrügerei dazugehört, die Anwälte unserer Serie vergessen die menschliche Seite nicht in dem knallharten Geschäft, während viele Konkurrenten selten ethisch korrekt operieren. Der Zuschauer soll die Art der Charaktere und deren Sinn für Gerechtigkeit liebgewinnen – und das funktioniert auch. Die vielen Hintergrundgeschichten schaffen emotionale Verbindungen. So berührt der Tod von Mikes Großmutter viele Herzen und Harveys schlechte Beziehung zu dessen Mutter sorgt viele Male für mitleidige Seufzer. 

Viele Serienliebhaber – oder zumindest mich – bringen die Macher trotzdem und sogar dazu, neidisch zu werden. Wie kann jemand nur so viel Spaß an der Arbeit haben, obwohl er täglich die gesamte Zeit im Büro verbringt und nur zum Schlafen kurz nach Hause geht?! Und wie kann man, obwohl man eigentlich nie Freizeit hat, eine funktionierende Beziehung aufbauen? Wenn Harvey oder Mike wieder einen Fall gewonnen haben, stoßen sie – spät in der Nacht, denn was sollten sie so spät sonst noch machen – in den Büros der Kanzlei stilecht mit sündhaft teurem Whisky an. Auch wenn das für Mike, einen einfachen Jungen ohne abgeschlossenes Studium und in der Jugendzeit mit so manchem Dreck am Stecken, nicht selbstverständlich scheint. Nur die enorme Intelligenz – und das Glück zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein – hat den jungen Pseudoanwalt in die Situation gebracht, in einer der renommiertesten Kanzleien ganz Amerikas zu arbeiten. Statt wie vorher als Lieferjunge und Zusteller zu arbeiten, kann er sich unter Harvey nun auch einen maßgeschneiderten Anzug leisten. Und das sollte er besser auch: Geht es in der Anwaltsbranche – zumindest in der Serie – hauptsächlich um Überzeugungskraft und äußerliches Auftreten. 

Mich fesseln vor allem auch die vielen Beziehungsstränge an die Serie. Die Beziehung zwischen Mike und Rachel (Meghan Markle) – einer Anwaltsgehilfin aus derselben Kanzlei, die mehr oder weniger erfolgreichen Beziehungen von Louis Lit (Rick Hoffman), die vielen Affären und Techtelmechtel von Harvey. Der gutaussehende Harvey: Hier schmilzt wirklich jedes Frauenherz dahin. In den sündhaft teuren Anzügen und mit dem schüchternen, aber überzeugendem Lächeln sieht dieser Mann einfach zu gut aus! Das findet wohl auch Donna (Sarah Rafferty), die Sekretärin Herveys. Donna ist die wohl spannendste Figur der Serie. Sie scheint immer den richtigen Riecher zu haben, Situationen zu sehen, bevor sie entstehen und zu wissen, was zu tun ist, bevor es jeder andere weiß. Donna ist eine Freundin und Vertraute wie sie im Buche steht, die immer einen Ausweg auf Lager hat. Die Tatsache, dass Anspielungen zur Beziehung zwischen Donna und Harvey seit Staffel eins immer wieder in die Folgen eingebaut werden, hält den Zuschauer am Ball und führt auch dazu, dass Bingewatching eine völlig neue Dimension erfährt. Ich denke hier kann ich vor allem für die weibliche Delegation sprechen, wenn ich sage, dass Cliffhanger der besonders gemeinen Art dazu führen, dass man sich nur noch mehr wünscht, dass hier die eher unterkühlte Arbeitsatmosphäre über Bord geworfen werden soll. 

Neben den Figuren sind aber auch die Settings der Serie interessant. Die moderne Anwaltskanzlei über den Dächern New Yorks und mit einem atemberaubenden Ausblick auf die Skyline ist wohl der Traumarbeitsplatz aller. Die Luftansichten der New Yorker Hochhäuser und der pulsierenden Stadt lassen einen vom Großstadtleben träumen. Angesichts dieser Arbeitsräume in der wohl aufregendsten Stadt lohnt es sich auch bis spät in die Nacht noch am Schreibtisch zu sitzen. Die Einrichtung ist makellos, genauso wie das Aussehen aller Schauspieler. Die Gefühle und Emotionen, die die menschliche Seite der Charaktere zeigen, kommen erst auf den zweiten Blick zur Geltung. Es scheint hier vor allem eines im Mittelpunkt zu stehen: Erfolg. Und wie man ihn bekommt. Trotzdem ist die Arbeit in der Serie nur die Nebensache und es steht vor allem das Büroleben und das – zugegeben oft auf der Strecke gebliebene – Private im Vordergrund. Genau dieses Zusammenspiel aus Arbeit und Privatleben, aber auch die schwierige Vereinbarkeit von beidem, das so viele plagt, macht die Serie auch so erfolgreich. 

Die von dem amerikanischen Kabelsender USA Network produzierte Serie zählt mittlerweile sieben Staffeln. Die bisher letzte Staffel läuft im Moment im amerikanischen Fernsehen. Sieben Staffeln seit der Erstausstrahlung im Jahr 2013 ist eine beachtliche Zahl und zeugt davon, dass die Nachfrage groß ist. An den Einschaltquoten gemessen ist die Serie eine der erfolgreichsten aller USA-Network-Produktionen, allein die erste Staffel hatte eine durchschnittliche Einschaltquote von über 6,3 Millionen Zuschauern. Ideengeber und Autor Aaron hat eine Anwaltswelt geschaffen, die nicht nur Juraspezialisten anzieht, sondern ein sehr gemischtes Publikum. Auch weil die Charaktere im Vordergrund stehen. 

Eine achte Staffel ist schon im Gespräch – Gott sei Dank! Ich verfolge die neuen Folgen der siebten Staffel wöchentlich und wäre wirklich traurig, wenn die Serie bald schon zu Ende gehen würde. Mir fällt es wirklich schwer, etwas Negatives an der Serie zu finden. Das einzige, was mich wirklich stört: Schauspielerin Meghan Markle ist mit Prinz Harry verlobt und es kommen immer wieder Gerüchte in den Umlauf, wonach sie in der Serie kürzertreten oder ganz aussteigen will. Das wäre wirklich zu schade!

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