TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Donnerstag, 7. September 2017

The Walking Dead - Die zweite Wiederbelebung der Zombies: Wieso Untote ins Fernsehen und nicht in den Film gehören

Von Sebastian Schillallis 

1931 kreierte der heutzutage einen Kultstatus genießende Bela Lugosi in Dracula den Stereotypen des Vampiren, als eleganten und gut aussehenden Mann im schwarzen Umhang der seitdem in verschiedensten Abwandlungen die Kinolandschaft heimsucht. Im selben Jahr kam mit Frankenstein die erste Verfilmung des gleichnamigen Romans auf die Leinwand, etablierte Frankensteins künstlichen Menschen als klassisches Filmmonster und stellte die heute noch relevanten Fragen: Wie weit kann künstliches Leben gehen und wo fängt Menschlichkeit überhaupt an?
1968 entwarf George A. Romero in Night of The Living Dead den Prototypen zu einem anderem Filmmonster: Den Untoten – Und stellte die Frage, wie lange können Menschen vor einer Zombiehorde wegrennen bevor sie doch gefressen werden. Während jedes Filmmonster im Laufe der Zeit seinen Siegeszug auf der Kinoleinwand gefeiert hat, haben die Zombies es nie wirklich aus ihren Gräbern zur Spitze der Filmgeschichte geschafft, auch wenn Filme wie Shaun Of The Dead - im Endeffekt das „Menschen-rennen-vor-Zombies-weg-Prinzip“ in witzig – oder World War Z – „Menschen rennen vor Zombies weg“ in größer und mit mehr CGI – zeigen, dass die Untoten noch nie endgültig ins Graß gebissen haben.

Der große Hype aber um diese Monster wurde ihnen erst durch die von AMC produzierte Fernsehserie The Walking Dead beschert, die die Zombies zum zweiten Mal zum Leben erweckte. Der späte, aber immense Erfolg dieses Filmmonsters liegt sicher in der Qualität der Produktion, allerdings auch am Format der Fernsehserie selber, denn was macht einen Zombie überhaupt aus? 

Zunächst einmal die fehlende Motivation bzw. der fehlende Antrieb – Zombies sind eigentlich echt langweilig und machen was Zombies so machen, weil sie eben Zombies sind. Kein innerer Kampf, kein Zwiespalt zwischen Mensch und Tier wie beim Werwolf, keine grundlegenden moralischen Fragen über das künstliche Leben wie bei Frankenstein. Zombies sind einfach nur da. Wie eine Epidemie oder eine Naturkatastrophe. 

Ein Film hat dabei 1 ½ bis 2 Stunden Zeit um Charaktere vorzustellen, diese zu entwickeln, die Nebenhandlungen durch zu bringen und die Bedrohung durch die Zombies, was meistens den zentralen Aspekt des Films darstellt, zu zeigen. Und genau hier werden die eigentlich ausschlaggebenden Aspekte von Zombies außer Acht gelassen und genau hier greifen eben die Vorzüge des Serienformats. Denn was die Untoten von anderen Monstern unterscheidet, ist dass es eigentlich irgendwann gar nicht mehr um sie geht, denn die Bedrohung kommt eigentlich von der anderen Seite. Wird in The Walking Dead zu Beginn ein Beißer – wie Zombies dort genannt werden – als eine große Bedrohung in den Fokus der Konfliktsituationen gestellt, wendet sich das Blatt im Laufe der Staffeln. Die Untoten geraten immer mehr in den Hintergrund, ihre Anwesenheit wird zum Teil kaum noch wahrgenommen, aus dem Grund, dass in einer postapokalyptischen Welt die Bedrohung nicht primär von den Zombies ausgeht, sondern vielmehr vom Menschen und was er gewillt ist seinen anderen Mitmenschen anzutun, um sein eigenes Überleben zu sichern. Die Frage lautet nicht, wie überleben wir die Monster, sondern wie überleben wir uns selber, was sind wir bereit zu opfern und wie viel Menschlichkeit können wir ablegen, bis wir die eigentlichen Monster werden. Um diese Aspekte überzeugend darzustellen ist ein Menge Zeit nötig, Zeit, die dem Film fehlt. In 90 bis 120 Minuten den moralischen Zerfall der Menschheit durch eine Zombieapokalypse darzustellen grenzt an eine Unmöglichkeit, zumindest mit dem qualitativen Anspruch mit dem es The Walking Dead macht. 

Jeder, der diese Serie schaut, weiß, wie hart der Tod einer lieb gewonnen Person uns treffen kann – aber wieso nimmt uns das Schicksal der Protagonisten in dieser Serie in einem größeren Maße mit als in einem Zombiefilm? Weil wir das Gefühl vermittelt bekommen, diese Personen zu kennen bzw. kennen zu lernen. Der Zuschauer verbringt Stunden mit der Geschichte dieser Menschen, es werden über Folgen und Staffeln hinweg verschiedenste Personenkonstellationen aufgebaut und die Serie nimmt sich viel Zeit für die Emotionen und Reaktionen all ihrer Charaktere. Im Serienformat werden zum Teil ganze Folgen nur der Charakterentwicklung gewidmet, man erfährt viel über das Leben vor den Beißern - kleine Geschichten und Anekdoten: die Sachen eben, die einen Charakter menschlich wirken lassen. 

Um so etwas zu erreichen, ist eine gute Produktion, viel Schauspielerisches Talent und ein Menge Zeit nötig um diese Faktoren voll auszunutzen – und es sind eben diese Aspekte, die The Walking Dead zu so einer großartigen und vor allem beliebten Serie macht und den Untoten im seriellen Fernsehformat ein neues zu Hause bietet.

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