TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 6. September 2017

Louie – mehr als Comedy

von Denis Tambic 

Er ist Ende 40, geschieden, und lebt in einer kleinen Wohnung in New York. Von Beruf ist er Stand-up-Comedian und er ist dabei relativ erfolgreich. Seine beiden Töchter, die er nur ein paar Tage die Woche sieht, liegen ihm sehr am Herzen. Sein Name ist Louis C.K., und die nach ihm betitelte Sendung Louie, die seit 2010 auf dem amerikanischen Sender FX und inzwischen auch auf U.S. Netflix gesendet wird, zeigt fiktive Momente aus seinem Leben.
Der Gedanke liegt natürlich nahe zu denken, Louie sei eine pure Komödie, vielleicht sogar eine Sitcom. Doch das wäre ein Trugschluss. Denn mit Louie ist C.K. etwas gelungen, das viele zurecht als Unmöglichkeit sehen: eine Sendung absolut ohne Einfluss des Studios oder anderer Produzenten. Dieser Umstand sei natürlich auch FX Produktionschef John Landgraf gedankt der anderen Serien wie It´s always Sunny in Philadelphia und Wilfred ähnlich große kreative Freiheit eingeräumt hat. Der Produktionsprozess einer Staffel Louie sieht also wie folgt aus: Louis C.K. schreibt Drehbücher für eine Staffel, dreht dann drei Tage pro Woche (den Rest der Woche verbringt er mit seinen Kindern). Wenn seine Kinder in der Schule sind schneidet, meist komplett alleine, die Folgen und schickt dann das fertige Produkt an FX. Landgraf und FX stellen ihm dafür ein Budget von 200,000 Dollar pro Staffel zur Verfügung. Diese experimentelle Natur, die sich nicht nur in der Produktion sondern auch, sowohl in strukturellen als auch thematischen Aspekten, durch das gesamte Format ziehen, geben nicht nur einen unglaublichen inhaltlichen Mehrwert. Sie halten auch das gesamte Format frisch, so dass auch nach fünf Staffeln keine erzählerische Erschöpfung einsetzt.

Der Aufbau einer Folge ist vollkommen frei. Meistens besteht diese aus zwei Ereignissen aus dem Leben von Louis und etwas Stand-up, der die Folge thematisch bindet. So beginnt die Folge Bummer/Blueberries mit Louis auf dem Weg zu einem Date und er wird Zeuge eines Unfalls, als ein Obdachloser von einem Lkw überfahren wird und bekommt im zweiten Teil der Folge eine Einladung zu beiläufigem Sex von einer der Mütter der anderen Kinder in der Klasse seiner Tochter. Selten haben Ereignisse in vorhergehenden Folgen einen Einfluss auf spätere Episoden. In den späteren Staffeln wird dann der Status Quo nochmals gebrochen mit Geschichten, die über mehrere Folgen erzählt werden, wie zum Beispiel die sechsteilige Elevator-Reihe in der vierten Staffel. Eine weitere Besonderheit ist, dass Louis C.K. absichtlich die Continuity bricht, sollte diese im Weg einer neuen Idee stehen. So wechseln gelegentlich Schauspieler für Rollen (z.B. eine seiner Töchter) und die Familienverhältnisse ändern sich stetig. So hat Louis einen Bruder in der ersten Staffel, dann mehrere (bis jetzt drei) Schwestern, die bisher in der Serie erschienen sind. In Flashbacks zu Louis' Kindheit allerdings macht es den starken Eindruck, als ob dieser ein Einzelkind ist, außerdem passen die Persönlichkeit von Louis‘ Mutter in diesen Flashbacks überhaupt nicht zur Mutter in der Gegenwart. Genauso interagieren keine der Geschwister miteinander im Verlauf der Serie. 

Thematisch deckt Louie ein breites Spektrum ab. Wo es in Travelday/South lediglich um eine Reise zu einem Stand-up-Auftritt und einer unangenehmen Begegnung mit einem Fan geht, zeigt uns die Folge Dad Louie als einen Mann, der seine Gefühle gegenüber seinem Vater lieber verdrängt anstatt sich ihnen zu stellen. Und Louie ist geradezu überfüllt mit komplexeren Themen, die den Comedy-Aspekt oft in den Hintergrund drängen. In der Folge So did the Fat Lady artet eine Geschichte über eine übergewichtige Frau, die ein Date mit einem abgeneigten Louis haben will, aus in einen zehnminütigen, tiefgreifenden Monolog über die Leiden von übergewichtigen Frauen. Etwas, das in einer regulären Komödie absolut jeden Rahmen sprengen würde. Noch ein letztes Beispiel: Subway/Pamela. Im Verlauf der ersten zwei Staffeln lernt Louie Pamela (Pamela Adlon) kennen, eine allein erziehende Mutter und fühlt sich prompt zu ihrer offenen, oft etwas groben, Art hingezogen. Das Problem: die Liebe wird nicht erwidert. Pamela schätzt Louie als einen Freund, fühlt sich allerdings nicht im geringsten zu ihm hingezogen. In dieser Folge gesteht Louie offen seine Liebe und die Ansprache, die er Pamela auf einem Trödelmarkt hält, ist wohl mit Abstand einer der ehrlichsten und besten Liebeserklärungen, die jemals für das Fernsehen geschrieben wurden. 

Leider ist Louie auch nach 7 Jahren recht erfolgreicher U.S. Ausstrahlung in keiner deutschen Übersetzung verfügbar, weshalb Zuschauer ohne gute Englischkenntnisse es schwer haben werden. Allerdings scheint sich Louie als Phänomen auch nicht sehr viel weiter als über die USA hinaus etabliert zu haben, so gibt es nur wenige Staffeln in einer UK-Version mit europäischen Regionalcode. U.S.-DVDs sind leider nur auf dem PC abspielbar. Trotz starker Probleme in der Verfügbarkeit ist Louie in jeder Hinsicht absolut empfehlenswert.

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