Die Frau ist aufgeregt. Sie zittert. Gleich wird sie ihrer Familie gegenübertreten. Das erste Mal seit vier Monaten. Wie werden die Anderen reagieren? Wie kommt ihre „Verwandlung“ an? Langsam öffnet sich die Tür. Zeitlupe. In ihren neuen Pumps geht sie die Treppe herab. Staunen und Tränen bei der Familie. Die Kamera schwenkt hoch und zum ersten Mal sieht man Mandys Gesicht. „Oh Mandy“ von Westlife untermalt die Szene. Mann und Kinder stürzen auf Mandy zu und fallen ihr in die Arme. Sind zu Tränen gerührt. „Für mich ist ein Traum wahr geworden.“
Mandy Heider hat sich im Rahmen der Sendung „Extrem schön! Endlich ein neues Leben“, einer „Beautydoku“ auf RTL II, zahlreichen chirurgischen Eingriffen unterzogen. Pro Folge werden abwechselnd die Schicksale von zwei Frauen gezeigt, die sich durch verschiedenste Schönheitsoperationen ein besseres Selbstwertgefühl, Attraktivität und Lebensfreude erhoffen. Zunächst werden die Frauen von Bekannten mit der Nachricht überrascht, dass sie bei „Extrem schön“ teilnehmen dürfen. Daraufhin müssen sie ihre „Problemzonen“ vor der Kamera präsentieren und gehen zu Beratungsgesprächen bei Zahnärzten und Chirurgen. Es folgen Interviews mit den Partnern und Ärzten der Frauen. Selbst Ausschnitte aus den Operationen werden gezeigt. Anschließend sieht man die Ergebnisse der OPs, allerdings wird erst nach darauf folgenden Stylings und Friseurbesuchen die gesamte „Verwandlung“ beim erwähnten großen Wiedersehen gezeigt.Im Werbetrailer von „Extrem schön - Endlich ein neues Leben“ sieht man zunächst, begleitet von dem Lied „Liebe ist schön“, verzweifelte Menschen, die psychisch scheinbar so stark unter ihrem Äußeren leiden, dass sie das Haus nicht mehr verlassen wollen oder Schlimmeres. Während man Interviewausschnitte und Bilder der Personen sieht, erklärt ein Kommentator auf unangemessene und plakative Weise, sie seien „vom Unglück gezeichnet“. Anschließend erläutert er das Selbstverständnis von „Extrem schön!“; die Sendung schenke „zutiefst verzweifelten Menschen ein neues Leben“.
Und was wäre naheliegender als für einen Neubeginn zahlreiche Schönheitsoperationen über sich ergehen zu lassen? Denn laut Arzt im Trailer hätten schon „kleine Eingriffe eine große Wirkung“. Abschließend zeigt der Trailer noch das große dramatische Finale, also den Moment, in dem die Teilnehmerinnen mit ihrem gelifteten „neuen Ich“ auf ihre Familien und Freunde treffen.
In diesem 40-sekündigen Werbespot wird genau umrissen, was der Kern der Sendung ist. Menschen, die unter ihrer Erscheinung leiden, zeigen gerade diese Schwachstellen im totalen Zoom der Kamera einem Millionenpublikum. Schon hier fragt man sich, welche Psychologen, die laut RTL II die Kandidatinnen betreuen, eine derartige Bloßstellung, sowie unzählige plastische Eingriffe für das psychische Wohlbefinden gutheißen können.
Einige der Teilnehmerinnen haben auch in der Vergangenheit Traumatisches erlebt, zum Beispiel Kandidatin Manuela, die von ihrem Exmann misshandelt wurde. Wie soll dieser Frau durch eine nur zweimonatige psychologische Betreuung und operative Behandlungen ein „neues Leben“ ermöglicht werden? Meist reagieren die Frauen auf die Ergebnisse der OPs und Umstylings äußerst positiv, doch letztlich findet die Verwandlung vor allem auf der oberflächlichen Ebene statt.
An dieser Stelle muss gesagt werden, dass es hierbei nicht darum gehen soll, plastische Chirurgie zu verteufeln, sondern die Gefahr der Darstellungsweise in „Extrem schön! Endlich ein neues Leben“ aufzuzeigen. Die Sendung verwendet den äußerst schwierigen und nicht wirklich greifbaren Begriff der Schönheit in fatalen Pauschalisierungen. So heißt es auf der der RTLII Homepage des Formats: „Schöne Babys bekommen mehr Zuwendung, schöne Erwachsene haben mehr Erfolg.“ Es wird also behauptet ein attraktives Äußeres führe automatisch zu Aufmerksamkeit, Liebe und Erfolg. Im Rückschluss bedeutet das, wer gängigen Schönheitsidealen nicht entspricht, erwartet ein unglückliches Leben. Einen Beleg oder eine Quelle zu dieser Annahme wird nicht aufgeführt.
Die Sendung wird um 22:15 Uhr ausgestrahlt richtet sich an eine Zielgruppe zwischen 14 und 49. Vor allem junge Menschen werden oft von Selbstzweifeln geplagt. Hier kann „Extrem schön“ den bedenklichen Eindruck verstärken, dass die Schönheitsindustrie das Leben zum Positiven hin verändern und die unterschiedlichsten Probleme lösen kann.
Auf der Internetpräsenz kann man auch Bildergalerien aller Teilnehmer sehen. Dort sind auch Vorheraufnahmen der halbnackten Kandidaten für jeden zugänglich. Außerdem kann man Porträts und Interviews der einzelnen „Experten“ und Schönheitschirurgen nachlesen, sowie auch Kontakt zu ihnen aufnehmen. Interessant sind hierbei insbesondere die Antworten auf die Fragen, weshalb sie bei „Extrem schön“ mitwirken. Dr. Alexander Berghaus, Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, distanziert sich zum Beispiel vom Format, indem er es als „reißerisch“ bezeichnet und den Rezipienten das Urteil über die Sendung zuspricht. Natürlich erwähnt keiner der Ärzte die enorme Publicity, die mit der TV-Präsenz einhergeht.
Trotz oder gerade auf Grund der plakativen Darstellungen ist „Extrem schön – endlich ein neues Leben“ recht erfolgreich und läuft bereits in der 3. Staffel. Die extreme Vorher-Nachher-Show enthält, wie im Anfang ausgeführt, spannende Momente. Wie wird der Protagonist nach den OPs aussehen? Welche Möglichkeiten stehen der Schönheitschirurgie heute zur Verfügung?
Das dramatische Schicksal des Einzelnen wird thematisiert und auf äußerst emotionale Weise gezeigt. Beispielsweise Mandys große Verwandlung spiegelt die Freude und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft wieder.
Die Kandidatinnen fühlen sich wie Märchenprinzessinnen.
Doch die ungeschönte Wahrheit ist, dass „Extrem schön - Endlich ein neues Leben“ das wichtigste Element des Märchens vermissen lässt: die Moral von der Geschichte.
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