TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 7. März 2012

"New Girl" - Exzentrik par excellence

von Julia Kempe

Amerikanische Sitcoms sind aus unserer Fernsehlandschaft nicht mehr wegzudenken. Neben "Two and A Half Men" oder "How I Met Your Mother", die sich im deutschen Fernsehen schon manifestiert haben und sich hohen Zuschauerzahlen erfreuen , ist "New Girl" ein neues Format, das sich erst zu etablieren versucht. Wie andere ähnliche Produktionen hat sich auch hier die ProSieben Sat1. GmbH die Rechte auf die deutsche Ausstrahlung gesichert und ihr von Anfang an eine beliebte Sendezeit nach den "Desperate Housewives" mittwochs um 21:15 Uhr verschafft. Die Rechnung geht auf: ProSieben kann sich einen regelmäßigen Marktanteil von bis zu 16 Prozent sichern.

Gründe für die rasch steigende Beliebtheit sind leicht zu finden, denn die Serie zeichnet sich vor allem für ihre besondere Note Exzentrik aus. Am Besten hervorgebracht durch die Protagonistin Jessica "Jess" Day, die schon in der Pilotfolge von sich selbst sagt, dass sie ihre "verrückte Seite kaum verstecken" kann. Die Grundschullehrerin, die nach einer missglückten Versuch einer Überraschung in Form einer Stripeinlage für ihren Freund plötzlich vor eben diesem mit seiner Affäre steht, sucht - sich im Liebeskummer suhlend - eine neue Bleibe. Ihre Anlaufstelle ist dabei eine Wohngemeinschaft mit drei Männern, die sich alle auch durch ihre speziellen Persönlichkeiten gegenüber der Masse abheben. Sowohl Nick, der ebenfalls verlassen wurde und sich als Barkeeper durchschlägt, als auch Schmidt, ein vermeintlicher Frauenschwarm und der Basketballspieler Winston, weisen dabei nicht nur verrückte Seiten auf, sondern scheinen auch einen Spiegel der gegenwärtigen Gesellschaft darzustellen. Während der eine sich nach einem abgebrochenen Jura-Studium als Barkeeper durchschlägt und gegen die Arbeitslosigkeit kämpft, ringt der Andere unter dem Motiv des ständigen Schönheitswahns um die Aufmerksamkeit der Frauen, in dem er bei jeder Gelegenheit seinen durchtrainierten Oberkörper präsentiert.
Gepaart mit dieser gesellschaftlichen Reflexion ist hier ein Motiv, das sich seit jeher in Serien als sehr beliebt herausgestellt hat: Die WG, die eine Art "Ersatzfamilie" abgibt. Ein Motiv, das aus "Friends" oder "How I Met Your Mother" schon längst bekannt ist und als Erfolgsgarant gilt: verschiedenste Charaktere prallen aufeinander, entwickeln eine enge Freundschaft, in der jeder mit einer gewissen Prise an ganz persönlicher Ausgefallenheit heraussticht und das Zuschauerpublikum zu unterhalten weiß. Gegenseitig führen sich die Freunde ans Leben heran, wachsen und reifen, was in "New Girl" gleich anfangs deutlich wird, als Jess ihren Liebeskummer überstehen muss ("Es könnte sein, dass ich sechs- bis siebenmal am Tag 'Dirty Dancing' schaue und weine"). Dabei werden ihr ihre drei WG-Kollegen immer wieder zu wichtigen Ratgebern in Sachen Beziehung und Sexualität.
Flotte Dialoge, eine unaufhörliche Folge von Sticheleien und Witze über die Eigenarten der vier individuellen Charaktere sorgen dabei für den Pfiff in der Serie. Vor allem die Hauptakteurin Jess, eine leidenschaftliche Hobbysängerin, ersetzt ihr Gesagtes immer wieder durch Gesangseinlagen, die durch ihre exzentrische Gestik und Mimik unterstrichen werden.  Und auch das Auftreten der Nebenrollen gibt den Anschein, dass die Serie jede Art von (non)verbaler Kommunikation als eine Art Bühnenshow sieht,  die bis ins kleinste Detail in Sachen Sprache, Ausdruck und Optik entfaltet wird.

So gut, so schön denken sich wohl viele Zuschauer, immerhin ist diese Art von Fernsehästhetik schon seit längerer Zeit bekannt. Trotzdem versucht "New Girl" den großen Makel des Fernsehens gegenüber dem Film zu kompensieren. Die Dinge, die in New Girl passieren, sollen ganz in den Auffassungen von John Ellis nicht als fernsehtypisch "unwirklich und klein" erscheinen. Der Zuschauer - oder soll man im Hinblick auf den Versuch eine filmische Ebene anzusprechen eher Betrachter sagen? - soll ganz und gar gefesselt werden von der Serie.
Das Streben nach dem Potenzial des Filmes wird schon deutlich in der Eigenschaft von Jess, sich selbst als eine Protagonistin in ihrem eigenen großen Lebensfilm zu sehen: So denkt sie sich zu jeder erdenklichen Möglichkeit eine eigene Titelmelodie zu ihrem ganz persönlichen Hollywoodstreifen aus und trägt diesen auch gleich lautstark vor ("It's Jess"). Und auch so versucht man viele Reize, die durch den Film geboten sind, auf die Fernsehserie zu übertragen: Die Bildwechsel erscheinen nicht ganz so häufig wie in gleichartigen Formaten. Dieses Bemühen wird auch durch Nahaufnahmen oder Szenen, in denen sich der Zuschauer direkt von Jess angesprochen fühlt, deutlich. Man merkt, dass die Sitcom die Menschen mit ins Geschehen und in die verrückte, kleine Welt der Vierer-WG ziehen und die langweilige vom Alltag geprägte Wirklichkeit außen vor lassen will.

"New Girl" schafft es auf mitreißende Weise, diese Bemühungen umzusetzen. Es fällt schwer in der halbsstündigen Ausstrahlung umzuschalten, ohne das Gefühl zu haben jetzt in dieser Sekunde etwas in der Serie zu verpassen. Denn die Handlung ist nie vorauszusehen, die Ideen der Sitcom-Macher verblüffen immer wieder und man wird den Gedanken nicht los, einer einzigartig kreativen Umsetzung von einer typischen Sitcom zu folgen.
 Jes, gespielt von Zooey Deschanel, die bereits mit dem Film "500 Days of Summer" die Zuschauerherzen eroberte, scheint dabei wie auf die Rolle zugeschnitten zu sein. Sie erscheint authentisch, vereint auf gekonnte Weise Naivität, Liebenswürdigkeit und Sexiness in sich ohne sich dabei selbst ernst zu nehmen. Sie, mit ihrer großen Nerd- Brille, begeistert vor allem mit ihrer ungekünstelten Ungekonntheit, ihrem Desinteresse an sozialen Normen und ihrer kindlichen Ausstrahlung. Jess und die vielen weiteren Charaktere der Serie schaffen es, den Zuschauer wieder mehr mit einem Augenzwinkern auf den eigenen Alltag blicken zu lassen. Und genau das ist es, warum "New Girl" eindeutig Potenzial hat, sich zu einer neuen Lieblingsserie zu entwickeln. Mehr davon!

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