TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 7. März 2012

Late Night am Vorabend: Gottschalk Live

von Tobias Dirmeier

Gottschalk Live ist ein neues Format des ersten deutschen Fernsehens, das von Montag bis Donnerstag um 19:20 Uhr aus einem Studio im Berliner Humboldt-Carré gesendet wird und am 23. Januar 2012 zum ersten Mal ausgestrahlt wurde. Die halbstündige Sendung ist eine Mischung aus Talkshow und Boulevardmagazin und wird, wie der Titel schon erahnen lässt, von Thomas Gottschalk moderiert. In Gottschalk Live werden Themen behandelt, die laut Gottschalk für die Tagesschau "nicht wichtig genug" sind, welche die Leute aber dennoch interessieren. Gottschalk nimmt in der Sendung u.a. Bezug auf aktuelle Schlagzeilen aus unterschiedlichen Tageszeitungen und Illustrierten, lädt Prominente oder auch unbekannte Leute zum Gespräch ein und macht ab und an Liveschaltungen zu weiteren Gästen. Das Konzept der Sendung ist dabei recht locker gehalten und ähnelt eher dem einer Late Night Show.
Gottschalk Live startete Ende Januar sehr erfolgreich mit rund 4,34 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von ca. 14,6 %. Für eine Sendung im Vorabendprogramm waren das recht beachtliche Zahlen, doch wie sich über die letzten fünf Wochen zeigte, konnte diese gute Quote nicht gehalten werden. Im Laufe der ersten Woche sanken die Zuschauerzahlen bereits stetig und rapide bis auf 1,83 Millionen am Donnerstag der ersten Ausstrahlungswoche. Danach verabschiedeten sich noch einige Zuschauer, bis sich die Zuschauerzahl schließlich bei ca. 1,3 bis 1,5 Millionen einpendelte. Für einen Showgiganten wie Thomas Gottschalk ist das natürlich eine Blamage und der Zuschauerschwund bei Gottschalk Live wurde wochenlang groß in den Medien diskutiert. Natürlich spielte bei den guten Quoten der ersten Ausgabe die Neugierde der Zuschauer eine große Rolle, denn viele wollten einfach nur sehen, was es mit Gottschalks lange erwarteter neuer Sendung nach seinem Ausstieg aus der Kult-Show Wetten, dass..? auf sich hat. Viele hatten nie beabsichtigt, die Sendung regelmäßig zu verfolgen. Bei Premieren neuer Serien ist eigentlich immer ein deutlicher Zuschauereinbruch nach der ersten Folge zu beobachten. Zudem muss man in Betracht ziehen, dass viele Zuschauer es von den jeweiligen Gästen abhängig machen, ob sie sich eine einzelne Ausgabe einer Unterhaltungssendung ansehen oder nicht. Dennoch kann man zu einem gewissen Teil sicherlich auch den schlecht durchgeplanten Ablauf von Gottschalk Live für den drastischen Zuschauerschwund verantwortlich machen. In der ersten Woche wirkte die gesamte Sendung nämlich noch ziemlich chaotisch und nicht besonders gut organisiert. Der Aufbau der Sendung war nicht klar, Gottschalk hielt zu viele lange, unwichtige Monologe, vergeudete zu viel Zeit mit seiner nebenan im Studio sitzenden Redaktion, verpasste teils seine Einsätze und die prominenten Gäste, auf denen das eigentliche Hauptaugenmerk liegen sollte, wurden häufig von Gottschalk unterbrochen oder kamen kaum zu Wort.

Auch die Werbung, die es selbst bei den öffentlich rechtlichen Sendern im Vorabendprogramm gibt, wurde oft zu den unpassendsten Momenten geschaltet. Nicht weniger als drei mal wurde die Sendung vom 23. Januar mit Werbung unterbrochen. Bei einer Sendezeit von nicht einmal einer halben Stunde, empfand das mancher Zuschauer als Zumutung und schaltete genervt ab. Viele Zuschauer beschwerten sich sogar im Anschluss an die erste Sendung über die mehr als schlecht platzierten Unterbrechungen. Schauspieler Michael "Bully" Herbig, der als erster Gast in Gottschalk Live zu sehen war, kam aufgrund der "Zwangspausen" so gut wie gar nicht zu Wort. Als er beispielsweise eine lustige Anekdote aus seinem Leben erzählen wollte, fiel ihm Gottschalk ins Wort, da genau zu diesem Zeitpunkt ein Werbeblock gezeigt werden musste. Danach durfte Herbig die Geschichte noch erzählen, musste sich aber beeilen, da die Sendung schon am Ende angelangt war.

Gottschalk scheint zudem oft nicht besonders gut vorbereitet zu sein. Er behauptete zum Beispiel, dass Herbigs erfolgreicher Film Der Schuh des Manitu aus dem Jahr 2001 bereits 1982 produziert worden sei und war ziemlich verdutzt als er von Herbig berichtigt wurde. Dass sich Gottschalk oft nicht ausreichend über seine Gäste und deren Projekte informiert, ist bereits aus Wetten, dass...? bekannt. Ihm wurde es aber immer von seinen Zuschauern verziehen, wenn er einmal wieder falsch informiert war oder ehrlich gesagt keiner Ahnung hatte. In einer langen Samstagabend-Sendung machte das auch Nichts weiter aus, weil Gottschalk meistens genug Zeit hatte, Fehler zu korrigieren und bei Wetten, dass...? nicht die Gespräche mit den Gästen sondern natürlich die Wetten im Mittelpunkt standen. In einer Sendung wie Gottschalk Live, die zum größten Teil aus Gesprächen mit Prominenten besteht und auch nur eine sehr knapp bemessene Sendezeit hat (nämlich gerade einmal 25 Minuten, wenn man die Werbeunterbrechungen und den Wetterbericht wegnimmt) kosten solche Ungereimtheiten aber zu viel Zeit. Thomas Gottschalk muss also manches an seiner Moderation ändern, um die Gespräche mit seinen Gästen auf Dauer für die Zuschauer interessant zu halten. Er selbst erkannte einige dieser Probleme und räumte ein, dass er erst noch "zu einer neuen Form" finden müsse.

Doch seine Form hat Gottschalk nach über einem Monat auf Sendung immer noch nicht gefunden. Interviews führt er immer noch mehr schlecht als recht, genauso wie schon in der ersten Woche und der Ablauf der Sendung wurde kaum verbessert. Es gibt noch immer "kein klares Konzept", wie Markus Peichl, der neue Redaktionsleiter von Gottschalks Sendung, in einem Interview mit Spiegel Online erklärte. Peichl bringt es genau auf den Punkt: "Mal führt er Gespräche, mal kommentiert er das Tagesgeschehen. Mal gibt es Einspielfilme, mal keine. Mal kommen Superpromis ins Studio, mal Unbekannte. Der Zuschauer muss wissen, was ihn erwartet". Genau das kann der Zuschauer im Moment nicht. Man weiß selbst als regelmäßiger Zuschauer von Gottschalk Live vorher nie, was in der Sendung passieren wird, denn wirklich jede Ausgabe ist anders strukturiert. Der Sender gibt  oft auch erst wenige Stunden vor der Ausstrahlung bekannt, wer konkret zu Gast sein wird. Es gibt keinen Wochenüberblick, wie ihn u.a. TV total hat, in dem alle Gäste aufgelistet sind. Die einzige Konstante bei Gottschalk Live stellen im Grunde nur die Werbeeinblendungen dar, von denen die Sendung immer zu den gleichen Uhrzeiten unterbrochen wird. Selbst wenn Gottschalk wieder einmal seinen Einsatz verpasst und noch weiter redet - die Werbung wird konsequent eingeblendet. Dass die Zuschauer vor den Bildschirmen dann überhaupt nicht mehr verstehen, was Gottschalk eigentlich sagen wollte, interessiert die Produzenten scheinbar nicht. Fast in jeder Ausgabe kommt das vor und es ist einfach nur ärgerlich. Es gibt natürlich nicht nur Schlechtes über Thomas Gottschalks Sendung zu sagen. Die Ideen sind ja da und seine Spontaneität hat Gottschalk immer noch nicht verloren. Es mangelt eben an der Umsetzung, wofür aber nicht Gottschalk alleine verantwortlich gemacht werden sollte, sondern sein wenig fähiges Team.

Nun zu den positiven Aspekten der Sendung: Ein großer Vorteil, den Gottschalk Live gegenüber ähnlichen Sendungen hat, ist ganz klar Thomas Gottschalk selbst. Der Moderator konnte in seiner langjährigen Karriere, vor allem durch seine Arbeit beim Bayerischen Rundfunk und als Showmaster der ZDF-Unterhaltungssendung Wetten, dass...?, Kontakte zu unzähligen Prominenten knüpfen. Viele dieser Prominenten kennen Gottschalk persönlich und schätzen ihn. Sie sagen natürlich gerne zu, wenn sie von "Thommy" in seine Sendung eingeladen werden. Interessanterweise waren praktisch alle Gäste in der ersten Woche von Gottschalk Live bereits mehrfach zu Gast bei Wetten, dass...?. Ein weiterer Vorteil ist die Lage des Studios im Herzen von Berlin, einer der wichtigsten Städte im Bezug auf Events wie Filmpremieren, Festspiele, Konzerte und Preisverleihungen. Schauspieler, Musiker und andere Prominente können im Vorfeld von Veranstaltungen wie zuletzt der Berlinale kurzfristig in Gottschalks Sendung eingeladen werden. Das Aufgebot an Prominenten in den ersten Wochen von Gottschalk Live war jedenfalls, gerade für eine Vorabendsendung, recht beachtlich: Michael "Bully Herbig", Franz Beckenbauer, Anna Netrebko, Anke Engelke, Duran Duran, Karl Lagerfeld, Katherine Heigl, Jerry Hall und Kim Wilde, um nur einige zu nennen.

Man darf gespannt sein, wie sich Gottschalk Live in den nächsten Wochen und Monaten weiterentwickelt. Zeit genug hat Thomas Gottschalk auf alle Fälle, das Konzept der Sendung zu verbessern und an die Zuschauervorlieben anzupassen, denn insgesamt sind 144 Ausgaben fest vereinbart. Es bleibt abzuwarten, ob sich Gottschalk Live auf Dauer im Vorabendprogramm des Senders halten kann. Gottschalk selbst bat sein Publikum und die Medien indes um Geduld. In einer BILD-Kolumne vom 27. Januar schrieb er, dass er als Entertainer "nur vor Publikum seine Form suchen und finden" könne. "Das geht nicht anders, auch wenn er sich dabei zwei- bis dreimal blamiert", so Gottschalk. Es sei ihm wichtig, dass das Publikum ihm "die Zeit gibt, auf einem neuen Sendeplatz zu einer neuen Form zu finden", doch das werde "nicht von heute auf morgen klappen".

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