TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 14. März 2012

17 Jahre Lug, Trug und viel Liebe: Verbotene Liebe im Ersten

von Anne-Sophie Deiß

Seit dem 2.1.1995 ist die deutsche Erfolgs-Soap „Verbotene Liebe“ ein wichtiger und nicht mehr weg zu denkender Bestandteil des Vorabendprogramms der ARD. Bei dieser Serie dreht sich alles, wie der Name schon sagt, um Verbotenes, vor allem, was Liebesbeziehungen angeht. Neben Affären und unmoralischen Liaisons wird aber auch vor anderen Verbrechen und Intrigen kein Halt gemacht, und das auf einem sehr hohen Niveau, befinden wir uns doch zum Großteil in der High Society von Düsseldorf.
Hier ist nicht nur das „No Limits“ ansässig, eine Szenebar in der die Protagonisten regelmäßig  zusammen kommen und somit Dreh- und Angelpunkt sämtlicher Handlungsstränge ist, sondern auch das „Schneiders“, das Luxusrestaurant in dem sogar die „Bürgerlichen“ der Soap speisen können und sich rein zufällig immer dort treffen oder etwas außerhalb Schloss Königsbrunn, auf dem die Adligen leben und auch regelmäßig Besuch ihrer städtischen Freunde bekommen. Der Bezug zu den „Schönen und Reichen“ erinnert hierbei leicht an amerikanische Serien à la „The Denver Clan“ oder „Dallas“, die auf der ganzen Welt hohen Anklang fanden. Die Einschaltquoten der „Verbotenen Liebe“ sind dabei relativ konstant bei durchschnittlich 1,4 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von  7,3%. Die Serie läuft also besser als der vor kurzem abgesetzte „Marienhof“, eine weitere Soap aus dem Vorabendprogramm im Ersten. Aufgrund von zu schlechten Einschaltquoten wurde die Serie eingestellt und die Sendezeit der „Verbotenen Liebe“ verdoppelt, da ihr die nun fehlenden Sendeminuten zugeschrieben wurden, sehr zu Freuden der Fans, hat man doch jetzt das Doppelte an verbotenen Liebschaften. Doch nicht nur die Sendezeit hat sich geändert, sondern auch die generelle Aufmachung: Das Erscheinungsbild wurde verfeinert, der Vorspann geändert, der typische Titelsong neu eingesungen (meines Erachtens ein Fehler!), neue stilistische Änderungen z.B. bezüglich der Kameraführung wurden eingeführt und auch die Dramaturgie wurde verändert, so hat unter anderem jede Folge einen Namen. Des Weiteren wurde ein neuer, vorübergehender Drehort auf Mallorca eingerichtet, an dem sich die neue, alte Geschichte um „Jan und Julia“ weiter entwickelt. Die verbotene Liebe der Zwillinge war Thema der ersten Folgen in den 90ern und wurde nun wieder neu aufgegriffen, um so weitere neue, aber auch alte Zuschauer (zurück) zu gewinnen, denn die beiden galten als absolute Zuschauermagneten. Insbesondere die Rückkehr der wohl berühmtesten „Verbotene Liebe“ Figur und Intrigantin Clarissa von Anstätten sorgte für noch mehr Spannung und Interesse an dem Format. Es hat funktioniert, die Quoten sind um 0,5 % seit den Neuerungen gestiegen. Allerdings wurde die Sendezeit durch die neue Thomas Gottschalk Sendung wieder um rund 10 Minuten verkürzt und der Sendebeginn um 10 Minuten nach vorne gelegt. Dadurch könnte es schwieriger werden, neues Publikum zu gewinnen, da zur gleichen Zeit eine ähnliche Zielgruppe bereits bedient wird: auf RTL läuft „Unter Uns“, ebenfalls seit vielen Jahren im Soap Opera Geschäft und damit die wohl größte Konkurrenz. Generell sind die RTL Soaps die größten Konkurrenten für „Verbotene Liebe“. An die Einschaltquoten der Mutter aller deutschen Seifenopern „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ kommt die ARD Serie nicht ran. Hier liegen die Quoten in der relevanten Zielgruppe der 14-49-jährigen bei sehr guten 2-3 Millionen, was einen Marktanteil von rund 20% bringt.

Durch den Schwerpunkt auf dem Adel grenzt sich „Verbotene Liebe“ jedoch von anderen Soaps ab und hat dadurch gute Chancen, noch lange auf dem Markt bestehen zu bleiben. Was sonst macht sie besonders? Ist sie überhaupt etwas Besonderes oder nur eine normale Serie wie auf jedem anderen Sender auch? Dass das Augenmerk eher auf den Reichen liegt, wurde bereits erwähnt. Sonst allerdings beinhaltet die Serie die gleichen Themen wie jede andere Daily Soap auch. Dramen, Schicksalsschläge, Liebesthemen, wie man sie im normalen Leben niemals antreffen würde. Dabei werden alte Storylines regelmäßig mit Abstand von ein paar Jahren wiederholt. Dies ist natürlich nicht verwunderlich, da es die Serie schon lange gibt und es dadurch immer schwieriger wird, sich neue Geschichten auszudenken, die nicht noch weiter von der Realität entfernt sind als teilweise eh schon. So erstehen totgeglaubte Personen nach jahrelanger Abwesenheit wieder kerngesund auf oder überleben die schlimmsten Unfälle, oder sterben auch mal an einer nicht auskurierten Erkältung.
Die Darsteller wechseln bei den häufigen Todesfällen oder plötzlichen längerfristigen Reisen und Umzügen sehr häufig. Man wird permanent mit neuen Gesichtern konfrontiert, so tauchen zum Beispiel regelmäßig neue Familienmitglieder bereits großer Familien auf, von denen zuvor nie etwas erwähnt wurde, und werden wieder liebevoll in den Familienkreis aufgenommen. Genauso schnell kann es natürlich wiederum auch passieren, dass Familienmitglieder wieder verstoßen werden, wenn sie sich nicht richtig benommen haben oder aber entsetzt sind von den Geschehnissen, die nicht unhäufig sehr unmoralisch sind und deshalb nicht vertretbar. Bei der „Verbotenen Liebe“ ist eben alles möglich! Nur keine Langeweile. Denn trotz der immer wiederkehrenden Geschichten bleiben die Anhänger der Serie treu. Schließlich sind Personen, Umfeld und Story jedesmal verschieden; das reicht, um sich weiterhin täglich den 37 Minuten bestes Soap-Gut zu widmen.
Zurück zu den Konstanten, an die man festhalten kann: Zum einen gibt es natürlich die Diskrepanz zwischen dem Hochadel und der Bürgerschicht, was nicht selten zu Reibereien führt und die Geschichte auf Trab hält. Aber es gibt auch Schauspieler, die seit der ersten Folge stetig dabei sind: Da ist zum einen Arno Brandner, gutmütiger und lieber Familienvater,-onkel,-großvater,-schwager und-cousin sowie bester Freund von vielen, immer stets zu guten Diensten bereit und offen für alles, so auch für immer neu auftauchende neue Mitglieder der Familie. Und es gibt Charly Schneider, die Klatsch-und Tratschexpertin sowie Besitzerin des „Schneiders“, in dem sich sehr vieles, wichtiges abspielt und wohl auch das einzige Restaurant in ganz Düsseldorf zu sein scheint. Durch diese beiden Charaktere, die auch diejenigen mit der meisten Bodenständigkeit sind, lassen sich eine Art Freundschaft und Bindung aufbauen; der Zuschauer kann sich mit ihnen identifizieren und bleibt vielleicht auch dadurch der Serie weiterhin treu. Generell gibt es eine große Artenvielfalt an Charakteren, da ist für jeden jemand dabei, mit dem man besonders stark sympathisiert. Genauso gut gibt es aber auch Reibungspersonen, die man gar nicht mag und deren bloße Anwesenheit schon leicht aggressiv macht, aber dadurch wird die Serie natürlich auch wieder spannender. Denn wer will den schon seinen Schwarm in den Armen einer blöden Kuh sehen.
Durch dieses sich immer und immer und immer wiederholendes, seriales Endlosdrama wird teilweise Hoffnungslosigkeit aufgebaut. Zum einen, da das Böse nie ein Ende findet, und vor allem auch irgendwie nie so richtig bestraft wird. Ein Mord wird hier sehr leicht vertuscht, dies könnte natürlich aber auch an der schlechten Polizeiarbeit von Düsseldorf liegen. (Dafür gibt es dort aber auch die besten Anwälte der Welt.) Zum anderen, weil eine ewige, glückliche Liebe so selten ist wie eine Szene, in der ein Getränk mal ausgetrunken und ein Essen aufgegessen wird. Jede noch so hoffnungstragende Liebe wird oft im Keim erstickt oder durch einen der vielen Bösewichte zerstört. Findet man doch seine großes Glück, flieht man am besten gleich ganz weit aus der Serie weg in ein fremdes Land, denn schließlich ist so eine glückliche Liebe eher langweilig und dementsprechend für längere Geschichten innerhalb der Serie nicht mehr geeignet, da es nun ruhig, sprich langweilig wird. Hier lässt sich ein Bezug zur Gesellschaft ziehen: Durch die eher abstrakte Darstellung scheinbarer Realität kann ein Zuschauer in eine virtuelle Welt eintauchen, die ihn aus seinem Alltag reißt und neben Identifikationsmöglichkeiten auch eine besondere Ablenkung bietet. Dies wird sogar noch durch den großen Internetauftritt der Serie verstärkt. Denn neben allgemeinen Informationen zu der Serie, aktuellem Geschehen und  Darstellern gibt es sogar eine eigene Homepage für „Ligne Clarisse Lahnstein“, der Modemarke einer der Protagonistinnen, die wie eine richtige Homepage aufgebaut ist und sehr authentisch wirkt. Und außerdem gibt es ja auch die liebe „Mediathek“ der ARD, in der man jede Folge nachschauen kann, sollte man mal eine verpasst haben. In einem Forum kann man sich als treuer Fan auslassen und austauschen und im Fancorner kann man die Darsteller auch etwas näher durch Videos kennen lernen. Es ist also für jeden etwas dabei und die Macher der Homepage haben keine Kosten und Mühen gescheut.
Ich muss - teils zu meiner Schande - gestehen, dass ich die Serie seit Jahren, sogar seit dem Anfang, verfolge. Ich komme nicht davon los, habe es einige Male versucht, aber niemals geschafft. Mittlerweile habe ich es aufgegeben und stehe dazu, die Serie zu mögen und regelmäßig zu sehen. Dem Spott, der mir dafür entgegen kommt, stehe ich selbstbewusst gegenüber, schließlich weiß ich, dass die schauspielerischen Qualitäten nicht überragend sind, die Storys flach und unrealistisch und die ganze Aufmachung eher peinlich ist. Aber ich freue mich, mich am frühen Abend vor den Fernseher zu setzen und gespannt den Geschichten um Charly und Co. zu folgen. Ich bin so tief im Geschehen drinnen, dass mir selbst eine 3-wöchige Pause nichts ausmacht und ich mich trotzdem immer wieder darauf freue. Dies liegt wohl zum einen daran, dass ich schon nahezu mit der Serie verwurzelt bin und problemlos wieder in die Geschehnisse reinfinde, da ich jeden einzelnen Charakter gut genug kenne, um zu wissen, was passiert sein könnte. Zum anderen gucke ich nicht so viel TV, um mich mit anderen Serien mehr zu befassen und wahrscheinlich auch zu identifizieren. Die „Verbotene Liebe“ ist ein Bestandteil meines Alltags und ich wäre traurig, sie nicht mehr sehen zu dürfen.
Eine von Marshall McLuans Kernthesen ist: „The medium is the message“. Andi Fritzsche, Teilzeitcasanova und Charmeur der Verbotenen Liebe, sang einmal für seine Freundin: „Love is the message“. Formuliert man dies nun in eine mathematische Formel um, wäre folgendes zu beobachten:
Medium=Botschaft
Liebe=Botschaft
→ Medium=Liebe
Daraus lässt sich interpretieren, dass die Liebe ein Medium ist. Und zwar eins von großer Wichtigkeit und Interesse. Wird sie auch noch verboten, ist das Medium noch interessanter. Und das wussten die Macher von „Verbotene Liebe“ schon lange und entwickelten so eine sehr unterhaltende Serie, die viele Menschen nicht mehr missen möchten, auch wenn sie dabei nicht wirklich etwas Besonderes ist.

In diesem Sinne:
Vorbidden love, goes straight to your heart! And I can't stand the pain when I call out your name...

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