TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 14. März 2012

Under your Skin(s)

Von Annika Julien

Das Mädchen, das ungewollt schwanger wird; der Junge, der noch nie eine Freundin hatte; das Päarchen, das wie für einander bestimmt scheint;  das sind keine neuen Zutaten für eine Teenie-Drama-Serie. Und trotzdem ist Skins anders. 2007 wird Skins für den britischen Sender E4 als allererste Serie produziert und gilt auch heute noch als flagship für den Sender. Am 23. Januar 2012 lief die 6. Staffel an. Was eines der bemerkenswertesten Attribute der Serie ist, ist auch eins der ärgerlichsten: alle zwei Staffeln wechseln die Charaktere komplett durch.

Jede Folge konzentriert sich auf einen der Freunde und beschäftigt sich peripher mit den Problemen der anderen im Freundeskreis. Ein ähnliches Konzept sieht man auch bei Lost. Dadurch bekommt man einen stärkeren Draht zu der zentralen Figur der jeweiligen Folge. Man lernt die behandelte Person also besser kennen, und kriegt einen Einblick in sein Familienleben, falls es ein solches denn gibt. Denn meist sind die Ehen der Eltern am zerbröckeln und die Jugendlichen bilden für sich gegenseitig die Ersatzfamilie. Diese Ersatzfamilie trifft sich am liebsten zum trinken, rauchen und feiern. Ein erstaunlich großer Teil der Serie dreht sich um Partys und Drogenkonsum und die Probleme die diese mit sich bringen. Auch die Schule ist ein Ort des Zusammenfindens, der wieder andere Probleme mit sich bringt: für den einen das Bestehen der Stufe, für den anderen der Umgang mit der attraktiven Psychologie Lehrerin.

Obwohl sich das für eine Fernsehserie vielleicht nicht besonders ausgefallen anhört, ist es die Art wie die Jugendlichen miteinander umgehen und wie sie miteinander reden, was Skins so besonders macht. Die Dialoge scheinen echt und nicht in einem Zimmer voll Erwachsener erdacht und erdichtet. Die Charaktere schreien sich an, fluchen, sind ihren Eltern gegenüber respektlos, da diese deren Respekt meist sowieso nicht verdient haben. So echt die Dialoge scheinen, umso echter wirken die Emotionen die unter den Schauspielern hervorkommen. Diese Realitätsnähe liegt unter anderem vermutlich daran dass die Schauspieler nicht mit Models verwechselt werden könnten. Sie sehen aus wie echte Menschen, mit echten Problemen. Sie leben nicht in der New Yorker Upper East Side, oder in Orange County, Kalifornien, sondern mitten in Bristol, England.

Die ersten zwei Staffeln handeln von Tony und seiner Freundesgruppe die ohne erwachsenen Einfluss versuchen sich in ihrem Schul- und Liebesleben zurechtzufinden. In diesen zwei Staffeln werden Themen wie Abtreibung, Magersucht, Trauer, Scheidung, Zukunftsentscheidungen und Behinderung behandelt. Am Ende der ersten Staffel wird Tony von einem Bus angefahren und in der zweiten Staffel müssen alle damit klarkommen, dass er nicht mehr der Alte ist, ganz im Gegenteil; er muss alles von vorne lernen, sogar seine eigene Unterschrift. Seine Freundin Michele geht eine Beziehung mit Tonys bestem Freund Sid ein, weil die beiden sich in der Trauer über den scheinbaren Verlust ihres Freundes nähergekommen sind. Im Verlauf der zweiten Staffel nähern sich Michele und Tony wieder an, jedoch endet die Staffel offen. Von den zentralen Charakteren erfährt man nicht wie deren Beziehungen ausgehen. Der Zuschauer muss sich sein Happy End selber suchen.

Die dritte Staffel. Die Darsteller sind komplett ausgewechselt. Außer eine: Effy. Die kleine Schwester von Tony aus den ersten beiden Staffeln übernimmt in der dritten und vierten Staffel die Hauptrolle. Hier sehen wir also einen Draht zu den vorherigen Staffeln. Auch die Schule und der Handlungsort bleiben die Selben. Das wunde und schon fast grobe Flair der Serie wird auch hier fortgeführt. Nur eine Sache fällt auf. Die jüngere Generation ist attraktiver als die vorige. Doch weil sich die Themen in diesen Staffeln um noch dunklere Taten und Thematiken handeln, stört die gesteigerte Attraktivität nicht. Schon fast dient Effys Schönheit dem Kontrast zu ihrem extrem dunklen Inneren. Auf einem Drogentrip verletzt sie eine Freundin und lässt sie mit einer blutenden Kopfwunde im Wald zurück.

Die Realitätsnähe zieht sich, wie oben ersichtlich wird, nicht durch die storyline. Der exzessive Drogenkonsum der sich in den Alltag der Jugendlichen eingliedert, das Auto dass sie in der Pilotfolge im Fluss versenken, die Kommune in der einer der Mädchen leben muss: das ist nicht realistisch. Aber man übersieht das gerne, weil man als Zuschauer weiß, dass es Konflikt braucht um Spannung zu schaffen. So realistisch eine Serie auch sein mag, langweilen will sich der Zuschauer währenddessen nicht.

So sehr ich die Serie auch vergöttere, gibt es eine Sache, die mich in den Wahnsinn treibt. Die Verbindung zwischen Staffeln 1 und 2, und 3 und 4 sind Tony und  Effy Stonem. Tony wohnt in der 3. Staffel nicht mehr daheim, er ist zum studieren weggezogen. In den ersten beiden Staffeln hat man die Beziehung zwischen den Geschwistern sehr stark mitbekommen: sie waren immer für einander da, sie haben sich geliebt. Wo ist Tony aber, nachdem Effy sich in der vierten Staffel versucht, das Leben zu nehmen? Und auch als sich ihre Eltern endgültig trennen, taucht Tony nicht auf, um seine kleine Schwester zu unterstützen. Dies scheint mir jedoch der einzige Makel an der Serie zu sein.

Der Erfolg der britischen Serie lässt sich auch daran erkennen, dass MTV die Serie für das amerikanische Fernsehen übernommen hat. Die erste Folge der amerikanischen Version ist von Einstellung zu Einstellung exakt der britischen Pilotfolge nachgefilmt. Die Charaktere sind die gleichen, nur die Schauspieler sind amerikanisch. Und der Humor leider auch. Was Skins (UK) so ausmacht, ist das Harte, Vulgäre, scheinbar Echte. Dazu noch der britische Humor und die Serie ist in England ein Erfolg. Nimmt man jedoch die Ehrlichkeit, den Biss und den britischen Humor der auf die Charaktere ausgerichtet ist aus dem Konzept, hat man die amerikanische Version von Skins. Ein Misserfolg. MTV gab im Juni 2011 bekannt dass sie keine 2. Staffel drehen würden da Skins beim amerikanischen Publikum keine Wurzeln schlagen konnte. Aha. Kein Wunder wenn man alles extrahiert was eine Serie interessant macht. Im prüden USA gab es sogar eine Kontroverse um die Serie, sie sollte vom Staat untersucht werden, weil sie aufgrund der vielen Sexszenen als Kinderpornographie verstanden werden könnte.

Obwohl jetzt schon die 6. Staffel läuft, habe ich selber noch nicht mal die 5. gesehen. Es fällt mir sehr schwer die alten Charaktere loszulassen und mich auf neue einzulassen, vor allem weil sie seit der ersten Staffel immer in der gleichen Altersklasse sind (zwischen 16 und 18). Ich als Zuschauer und Liebhaber der Serie werde aber älter und vielleicht ist die 5. Staffel noch dunkler und verkorkster als die 4. um Zuschauer in meinem Alter zu halten. Außerdem habe ich die 5. Staffel deswegen noch nicht angefangen, weil ich sie mir aufsparen will. Hört sich vielleicht komisch an, aber diese Serie ist für mich ein Sonderfall unter den Teenie Serien. Sie geht eben unter die Haut.

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