TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 14. März 2012

Californication: You can‘t always get what you want

von Patricia Groll

„You can‘t always get what you want“ erklingt es glockenklar, in den Stimmen eines Knabenchors, im Hintergrund der Eröffnungsszene.

Man kann nicht immer haben was man haben möchte, das wird uns schon im frühesten Kindesalter von unseren Eltern beigebracht, aber offensichtlich trifft das nicht auf Jeden von uns zu, denn nachdem die engelsgleichen Stimmen verklungen sind betritt unser Held eine Kirche, löscht seine Zigarette in einem Weihwasserbecken und lässt sich anschließend von einer Nonne einen Blowjob anbieten.
Da sollen die Rolling Stones noch mal sagen man kann nicht alles haben was man will.


Willkommen in Kalifornien oder wie es im Titel der Serie genannt wird „Californication“. Musikfans dürfte dieses Wortspiel bereits als wohl erfolgreichstes Album der Red Hot Chili Peppers bekannt sein, falls nicht: California + Fornication = Californication oder auf gut deutsch gesagt, in Kalifornien wird Unzucht betrieben.

Im Jahr 2007 startete die Serie, die ursprünglich für den Amerikanischen PayTV Sender Showtime produziert wurde, in Deutschland auf RTL II. Leider mit mäßigen Einschaltquoten, was vom Sender auf den Sendeplatz am Montag Abend um 22.15Uhr geschoben wurde. Die Mitarbeiter von RTL II kombinierten messerscharf und fanden heraus: je mehr Sex desto später die Uhrzeit, also wurde die Sendezeit immer mehr in die Nacht verschoben, um dadurch mehr Zuschauer zu gewinnen.
Welches Marketing-Genie allerdings auf die Idee gekommen ist, Freitag Abends ab 0:35 Uhr vier Folgen der Serie am Stück zu senden ist fraglich, denn wer sich um diese Zeit in heimischer Umgebung befindet, ist entweder unter 16 oder über 60 und beides fällt nicht unbedingt in die Zielgruppe der Serie.
So wundert es nicht, dass bereits nach der zweiten Staffel die Ausstrahlung der Serie im öffentlichen deutschen Fernsehen eigestellt wurde.

Bei vielen gilt das Format, vielleicht auch wegen dem ehemaligen Sendeplatz, als verpönt.
„Ist das nicht diese Serie mit dem Kerl der die ganze Zeit nur durch die Gegend vögelt?“. Für Unwissende mag das durchaus so scheinen. Das „keine Jugendfreigabe“ Schild auf der Vorderseite der DVD-Boxen wirkt diesem Vorurteil allerdings vermutlich in etwa so gut entgegen, wie die Tatsache dass David Duchovny in den nur 31 Minuten der Pilotfolge bereits Sex mit vier verschiedenen Frauen hat; nämlich gar nicht.

Ordnen wir nun unsere Gedanken und räumen mit den Vorurteilen auf. Was genau ist also Californication?

Die Figurenkonstellation ist fürs erste relativ simpel zu beschreiben. Auf der einen Seite gibt es Hank und auf der anderen Seite gibt es die Frauen.

Der Antiheld ist Hank Moody, ein Autor Ende der Dreissiger mit Schreibblockade. In seiner  lakonischen Ausdrucksweise bezeichnet er sich selbst als „Schriftsteller - nicht praktizierend“. Der gute Hank ist im wahrsten Sinne des Wortes „abgefuckt“ und passt in die glänzende Welt der amerikanischen Westküste in etwa so gut wie sein dreckiger, verbeulter Porsche mit kaputten Scheinwerfern in eine Autoschau.
Die Nebenrolle geht an die Frauen, angefangen mit Hanks Ex-Freundin Karen und ihrer gemeinsamen Teenager-Tochter Becca, gefolgt von allen anderen Frauen im gebärfähigen  Alter aus Los Angeles und Umgebung.

Die Handlung der Serie setzt da ein wo andere TV Formate längst ihr Happy End gefunden hätten und nach 7 Staffeln in der Versenkung verschwunden sind.
Ein junger Mann und eine junge Frau lernen sich kennen, sie verlieben sich, bekommen ein Kind, der Mann schreibt einen Bestseller Roman und wird zum gefeierten Schriftsteller.  Prinzipiell eine Lebensgeschichte mit Potential zum romantischen Märchen.
Was aber passiert danach, in der Zeit, in der der Mann eine Schreibblockade bekommt und sich in eine Midlife-Crisis stürzt?

Hier setzt Californication ein.
Hank hat Alles aufs Spiel gesetzt, seine Frau, sein Kind, sein Talent und leider hat er verloren, gegen das Leben und gegen sich selbst.
Was ihm geblieben ist, sind Alkohol, ein unfähiger Agent / bester Freund und Sex mit so ziemlich jeder Frau, die einen Fuss auf den Boden der amerikanische Westküste gesetzt hat.
Nichts ist geblieben von dem Glanz des Ruhmes den Moodys erstes Buch ihm eingebracht hat und nichts ist übrig von der Familienidylle die er einst erleben durfte.

In der Fortlaufenden Handlung darf der Zuschauer Hank dabei begleiten wie er versucht sein Leben endlich wieder in klare Bahnen zu lenken. Er will die Schreibblockade überwinden und einen neuen Roman schreiben, ein guter Mann für Karen und ein guter Vater für Becca sein.

Hank gibt sich Mühe, das muss man ihm anrechnen und das macht ihn  neben seiner schlagfertigen und lustigen Ausdrucksweise als Figur für den Zuschauer sympathisch. Leider gehen seine gut gemeinten Versuche oft nach hinten los und so landet Hank in vielen Fettnäpfchen und noch mehr Betten. Promiskuität steht auf seiner Tagesordnung und so wundert es auch keinen wirklich, dass er sogar unwissend die  erst 16 jährige Stiefschwester seiner Tochter entjungfert... kann passieren.
Dennoch bleibt Hank auf eine bizarre Art und Weise liebenswert, denn man weiß, dass er nicht anders kann und fühlt mit ihm.

Die Rolle des abgewrackten Schriftstellers wirkt dem merklich gealterten David Duchovny wie auf den Leib geschneidert. Beim Anblick von Hank Moody denkt niemand mehr an den  verklemmten Fox Mulder von 1993, denn Akte X beinhaltete in neun Jahren Sendezeit in etwa soviel Sexappeal wie fünf Minuten Californication.
David Duchovny ist aber nicht der einzige gealterte Seriendarsteller, der sich um 180° gedreht hat. Nehmen wir Madeline Zima, erst wenn man sie in der Pilotfolge nackt auf Hank sitzen sieht wird uns als Fernsehzuschauer klar wie lange die Nanny wirklich schon abgedreht ist.
Auch Moodys Agent und Bester Freund Charlie, verkörpert durch Evan Handler, müsste zumindest dem geschulten weiblichen Auge bekannt vorkommen. Der kleine glatzköpfige Mann, von Hank liebevoll „Fleischmützchen“ genannt, war einst liebender Ehemann und Vater in der Upper Westside von Sex and the City, bevor es ihn an die Westseite des Landes verschlug, wo er sich nun jede Folge aufs neue in sexuelle Eskapaden manövriert.

Obwohl die Serien in Deutschland nur noch auf dem Pay-TV Sender AXN ausgestrahlt wird, der auch aktuell zum ersten mal im deutschen Fernsehen die vierte Staffel sendet, erfreut sich Californication einer allgemeinen Beliebtheit der Fernsehzuschauer, auch wenn sie kein AXN besitzen.
Ob das nun an den verkauften DVD Boxen oder dem Download aus dem Internet liegt, sei mal dahingestellt.

Californication lässt sich letztendlich nicht nur wegen seiner ab 18 Freigabe in die  Schublade der Unterhaltung für Erwachsene einordnen. Allerdings Erwachsenenunterhaltung im doppelten Sinne. Zum einen, natürlich, wegen viel nackter Haut und dem nicht ganz jugendfreien Vokabular. Zum anderen aber auch weil sich die Serie mit mehr als dem üblichen Sitcom-Drama auseinandersetzt das nach 20 Minuten komplett gelöst werden kann. Es geht um die Abgründe des Lebens mit denen sich auf lustige und zynische Art und Weise auseinander gesetzt wird, denn genau wie Hank Moody selbst, hat  auch die Serie nicht nur Unzucht im Kopf.

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