TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 7. März 2012

Sehen, was quer läuft!

von Alexa Heilmeier

„Sehen, was quer läuft!“ lautet das Motto der Sendung „Quer… durch die Woche mit Christoph Süß“, in der der Moderator den Ereignissen der vergangenen Woche kritisch auf den Grund geht. Behandelt werden sowohl internationale, nationale, als auch regional bayerische Problemstellungen und Themen. „Quer“ verwendet Reportagen, Interviews und kabarettistische Einlagen von Seiten des Moderators. Christoph Süß arbeitet sehr viel mit Ironie und Sarkasmus - allerdings meist nur in nationalen oder internationalen Themenbereichen.
So wird in der Folge vom 10.11.2011 eine klare Kritik am Hin- und Her der Europa-Akteure schnell deutlich: Süß gebraucht die Worte „Griechenland“ und „Rettungsschirm“, die er am Anfang der Sendung versprochen hatte nicht zu verwenden. Seine Entschuldigung lautet: „Zurzeit hält eben niemand seine Versprechen.“ Durch derartige humorvolle Darbietungen aktueller Krisen erscheinen diese nicht mehr all zu schwerwiegend – meiner Meinung nach eine bessere Methode mit ihnen umzugehen als sich ausschließlich in  Schwarzmalerei zu üben.
Dennoch bleibt „quer“ durchaus meist sachlich und ernst, denn vor allem bei regionalen Angelegenheiten spricht die Sendung Betroffene an, schafft im Idealfall eine Möglichkeit zur Identifikation und das Gefühl verstanden zu werden. Natürlich speilt auch der örtliche Bezug eine große Rolle: Anteilnahme und Respekt findet wohl eine Reportage über eine Witwe aus Markt Schwaben, die gegen den Arzt ihres an Krebs verstorbenen Mannes vorgeht und vor Gericht mehr bewirkt als Behörden und Politik zusammen. Durch die regionale Nähe wird dem Zuschauer die Ernsthaftigkeit des Problems noch bewusster, er fühlt mehr mit, ist aufmerksamer und reflektiert. Dies ist die journalistische Machart, die ich an dieser Sendung am meisten schätze: Es werden Ereignisse aufgearbeitet, nie wird einem aber eine Meinung aufgedrängt, stattdessen wird zum Hinterfragen angeregt und geradezu aufgefordert.
Somit bewirkt dieses Format auch bei einem an sich weniger kritischen Publikum eine differenzierte Auseinandersetzung mit den behandelten Themen. Genauso sollen die Zuschauer die Verlautbarungen der großen Politik skeptisch hinterfragen, so der Moderator.
Wenn er das Comeback der „Merkelly-Family“ erklärt und im Hintergrund ein Bild mit Angela Merkel, Philipp Rösler und Horst Seehofer, vereint durch ein großes Herz, eingeblendet wird, das die „vorgezogene Bescherung durch die Bundesregierung“ darstellen soll, wird der Spott gegenüber der Bundesregierung unausgesprochen klar.  Der Sarkasmus wird noch verstärkt, als von dem neuen Album der „Merkelly Family, Reunion der Union“ gesprochen wird. Berichtet wird von der Umbesetzung Westerwelles durch Rösler als neues Bandmitglied, von mehr „Netto-Techno“ und dem „Gerechtigkeitsrap“. Die geplante Steuersenkung der Bundesregierung soll als erfreuliches Ereignis der „Reunion“ hervorgehen: Verschiedene Politiker erklären in Interviews, wie viel Geld beim einzelnen Bürger tatsächlich ankommen wird. Die sehr unterschiedlichen Antworten reichen von 20, 10, zwei Euro in der Woche bis zu einer Tasse Kaffee pro Monat. Obwohl Christoph Süß das unterhaltende Motiv beibehält, wird doch deutlich, wie viel er von den angeblichen großen Erfolgen der Koalition hält.
Allerdings muss man meiner Meinung nach auch anmerken, dass der Moderator oft fast zu höhnisch und wohl manchmal auch mit zu überzeugter bayerischer Mentalität „daherkommt“. Einige seiner Anspielungen nehmen viele Zuschauer vielleicht zu persönlich, zu subjektiv oder auch zu vereinfachend wahr. Nicht jedes Publikum wird diese Art des Spottes verstehen oder gut heißen.
Trotzdem kann man nicht verleugnen, dass „quer“ immer den aktuellen Bezug behält und eine breite Zuschauerschaft anspricht. Das Zielpublikum ist wohl die politisch interessierte Mittelschicht im Alter von 20-60 Jahren, das sich donnerstags um 20.15 Uhr – eine recht gute Sendezeit – nicht mit den typischen Fernsehspielfilmen zufrieden geben will. Der Bayerische Rundfunk bietet dann eine geeignete Alternative, da er als öffentlich-rechtlicher Sender einerseits seinem informativen Auftrag und Anspruch mit klassischen Nachrichtensendungen und politischen Magazinen treu bleibt, andererseits aber ein Infotainment-Format liefert, das anspruchsvollere Zuschauer seit fast 14 Jahren durchaus auch unterhält. Immerhin lag „quer“ im Jahr 2010 mit 11,4 % Marktanteil deutlich über dem BR-Mittel von 7,5 %.
In der deutschen Fernsehlandschaft ist diese Sendung eine der wenigen Infotainment-Magazine, die politische Inhalte vermitteln. Es ist damit ein Format, das meiner Ansicht nach viel häufiger angewandt werden sollte.
Der Trend, das Fernsehen als reines Unterhaltungsmedium zu sehen, hat sich die letzten Jahre meines Erachtens verstärkt und wird in unserer Gesellschaft wohl noch an Bedeutung gewinnen. Verpackt man Sachinformation jedoch in ein Entertainment-Format und stellt darin politische Themenkomplexe interessant dar, lassen sich für gesellschaftspolitische Berichte neue – vielleicht auch jüngere Zielgruppen, die derzeit ihren Fernsehkonsum ausschließlich aus den Seriensendungen der privaten Kanäle decken – erschließen.
Zu den Elementen des Entertainments gehört auch die visuelle Aufbereitung, die „quer“ sehr gut beherrscht: die vielen Bildschirme und Leinwandflächen, aus denen das ganze Studio besteht, zeigen durchgehend lustige oder sarkastische Bilder. Das Fernsehbild fordert durch viele Bildwechsel ständige Aufmerksamkeit, wodurch die Zuschauer ihr Interesse die ganze Sendezeit über nicht verlieren und amüsiert weitersehen. Dass die Sendung schnell zu Ende ist und man sich der 45 Minuten vor dem Fernseher nicht bewusst ist, ist einer Strategie des Fernsehens, dem flow, zu verdanken. Christoph Süß fügt ihn durch seine vielen guten Überleitungen gelungen in das Infotainment-Format ein. Somit endet meiner Meinung nach die Sendung immer sehr schnell und plötzlich erscheint die Schlussszenerie. Der letzte Bestandteil von „quer“ ist nämlich der satirische Auftritt des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofers, gespielt von Wolfgang Krebs. Seehofer steht erhöht auf einem Podest, sodass sein Kopf nicht mehr auf dem Bildschirm erscheint. Auf seinem Arm hält er eine Miniaturpuppe des Münchner Oberbürgermeisters und Spitzenkandidaten der bayerischen SPD für die nächste Landtagswahl Christian Ude. In spielerischer Weise nimmt „quer“ damit Bezug auf das Kräfteverhältnis zwischen den konkurrierenden Parteien SPD und CSU. In einem Streitgespräch der beiden Protagonisten wird geschickt eine Persiflage auf die übliche Ausdrucksweise des SPD-Kandidaten eingeflochten („Wenn die Ratingagenturen und -agenturinnen erst mal bemerken, dass der Söder Finanzminister ist, dann müssen wir unter den Rettungsschirm und dann... und dann...“). Christoph Süß nimmt die letzten Worte auf und verabschiedet sich wie gewohnt von seinem Publikum mit einem vielsagenden „… und dann: Gut‘ Nacht“.

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