von Paul Völkl
Die RTL-Daily-Soap(-Opera) Unter uns wurde mir von einer Zuschauerin als ihr guilty pleasure vorgestellt. Guilty pleasure - dass dieser Ausdruck Eingang in unseren Sprachgebrauch gefunden hat, weckt in mir den Verdacht, dass ein gewisses Maß an Geschmacklosigkeit heutzutage en vogue ist. Ich für meinen Teil liebe es, Leuten zu erzählen, dass ich Conan der Barbar für ein filmisches Meisterwerk halte. Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, was sie mir über Unter uns sagte, aber die Quintessenz war wohl, dass die Sendung eigentlich blöd, aber gerade dadurch auch lustig und sehenswert ist. Seitdem habe ich sporadisch einzelne Episoden gesehen, verfolgte den Verlauf der Handlung aus einiger Distanz und schämte mich ein wenig dafür, überhaupt zu wissen, was da so abging.
Mich faszinierte vor allem die Tatsache, dass U.u. seit 1994 fünf Mal pro Woche ausgestrahlt wird. Unter uns war älter als ich und hatte mit seinen 6000+ Folgen fast 10 Mal so viele Folgen wie Die Simpsons, was meiner Fan-Ehre einen tiefen Kratzer versetzte. Die Aufopferung, die ich in meiner Kindheit und Jugend aufbrachte, jeden Abend vor dem Fernseher zu sitzen, obwohl ich jede Folge bereits mitsprechen konnte, verblasste vor der Möglichkeit, dass es Menschen geben könnte, die seit 20 Jahren Unter uns guckten und dabei sogar noch einer Handlung folgen mussten. Eigentlich ist es auch total egal, ob jemand die Serie seit 1994 wirklich regelmäßig guckt. Wichtig ist nur: Es gibt Menschen, die U.u. gucken und am Leben halten. Fans. Wer sind diese Fans und wie sind sie zu solchen geworden? Gibt es Leute, die diese Serie wirklich gut finden? Oder sind sie bloß fiktive Konstrukte, hypothetische Dritte, erfunden von den Guilty-pleasure-Zuschauern um zu leugnen, dass die Serie in Wahrheit für sie geschrieben wird? Oder fängt jeder als ironisch-distanzierter Zuschauer an und wird schließlich zum YouTube-Montagen bastelnden Unter-uns-Ultra? Lassen sich die Lager der ironischen und der nicht-ironischen strikt trennen, gibt es ein soziales Gefälle im Fantum? Um das Dreieck aus Soap-Opera, ihrer Guilty-pleasure-haftigkeit und dem Fan zu entschlüsseln, begebe ich mich auf eine Reise tief in das Herz des Frühabendfernsehens. Ich wollte zum Unter-uns-Fan werden.