Das Sat. 1-Frühstücksfernsehen

von Joanne Bramwell

Wie jeden Morgen unter der Woche schalte ich den Fernseher an und frage mich,  wie viele andere und vor allem welche Menschen gerade die gleiche Sendung anschauen wie ich. Ich kenne niemanden in meinem Umfeld, der das „Sat. 1 Frühstücksfernsehen“, das montags bis freitags von 05:30 bis 10:00 Uhr live gesendet wird, ansieht oder es zugeben würde. 2012 feierte das Fernsehmagazin 25-jähriges Bestehen. Doch was macht es aus, dass ich es gleich nach dem Aufstehen, also so etwa um 7 Uhr morgens, bis ich das Haus um ca. 8 Uhr verlasse, anschalte?

Moderiert wird das Frühstücksfernsehen von einem jeweils stets super gelaunten Moderatorenpaar. In unterschiedlichen Konstellationen grinsen mich täglich Alina, Matthias, Marlene und Jan durch den Fernseher an und sind trotz der Uhrzeit immer schon munter und wach. Auch wenn diese Tatsache auf einen Morgenmuffel aufgesetzt wirken kann, sympathisiere ich mit ihnen und bewundere sie für ihre Arbeit. Sie machen viele Witze, scheinen sich selbst nicht zu ernst zu nehmen und necken sich gegenseitig. Die Vorstellung von einem harmonischen Arbeitsklima wird erschaffen und auf den ersten Blick wirkt es nicht mal anstrengend für die Moderatoren. Es scheint so, als würden sich Freunde zusammensetzen und über verschiedene Themen sprechen und diskutieren. Und man selber gehört mit seiner Tasse Kaffee in der Hand und seinem Brot auf dem Brettchen auch irgendwie dazu. Das Studio ist passend dazu in hellen und frischen Farben gehalten und es strahlt eine Gemütlichkeit aus. Es gibt eine rote Sofaecke, einen weißen Tisch, die Station, in der jede halbe Stunde die Nachrichten vorgetragen werden und noch weitere kleine, schön dekorierte Sitzmöglichkeiten, die Abwechslung bieten. 

Meist hat jede Sendung ein übergeordnetes Thema, auf das sich dann viele Beiträge beziehen und das einen sogenannten „Flow“ erzeugt. Obwohl die unterschiedlichen Beiträge inhaltlich oft keinen direkten Zusammenhang haben, wird durch teils gelungene, teils missglückte Überleitungen ein übergeordneter Sinn hergestellt. Das Thema hat eine oft nur scheinbare Aktualität und wirkt oft wie an den Haaren herbeigezogen. Häufig werden auch Schauspieler, Musiker oder andere Prominente ins Studio eingeladen, und neben ihrem neuen Projekt auch zu dem Tagesthema befragt. Ist heute „Tag der Komplimente“, werden auch um dieses Thema einige Beiträge gesponnen, zwischendurch Witze darüber gemacht, natürlich Passanten gefragt und eine schon lang angekündigte Bloggerin, die sich mit Komplimenten beschäftigt, eingeladen. Erscheint die schier bahnbrechende und schockierende Studie, dass dreiviertel aller untreuen Frauen eine Affäre mit einem verheirateten Mann bevorzugen würden, leiten Alina und Jan erst einmal in das Thema ein und fragen sich, warum das denn so sein könnte. Darauf folgt eine Umfrage in Berlin, bei der sich Menschen über das Fremdgehen an sich äußern und danach wird auf einen Beziehungscoach verwiesen, der später in die Sendung kommen wird, um die Studie zu erläutern. Und besonders wichtig ist auch der Verweis darauf, dass die Meinung der Zuschauer sehr gefragt ist und sie gerne bei Facebook mitdiskutieren können. Scheinbar entstehen auf dem „Diskussionsforum am Morgen“ immer hitzige Streitereien, die im Laufe der Sendung dann zitiert werden. Da frage ich mich ernsthaft, welche Menschen sich schon morgens die Zeit nehmen, um sich über die banalsten Themen im Internet auszulassen und ihren Frust loszuwerden. 

Neben diesen wechselnden und scheinbar aktuellen und wichtigen Themen, gibt es auch einige konstante Rubriken. In „Backstage“ erfahre ich heute, dass Simone Thomalla angeblich einige Schönheits-OPs über sich hat ergehen lassen, Cindy Crawford zwar toll aussieht, aber dennoch Makel vorzuweisen hat und ich freue mich, dass selbst die Reichen und Schönen dieser Welt Probleme haben. 

Dem Horoskop glaube ich, wenn die äußerst seriös und professionell aussehende Astrologin mir Geld und Glück prophezeit, aber nicht, wenn sie mir empfiehlt, mich vor etwas in Acht zu nehmen. So ein Quatsch. 

In „Hold hat Recht“ klärt der Richter Alexander Hold mich montags darüber auf, was ich als Mieter für Rechte habe, was passiert, wenn ich meinen Lottoschein verliere, wenn ich aufgrund des Wetters zu spät zur Arbeit komme, wenn ich durch die Glätte einen Unfall baue. Die Themen interessieren mich meistens jedoch nicht und Hold wirkt auf mich zudem durch seine besserwisserische Art ziemlich unsympathisch. 

Etwas positiver blicke ich jedoch meistens Claus Strunz entgegen, der als Experte für viele unterschiedliche, meist politische Themen eingeladen wird und seine Meinung darlegt. Seine behandelten Themen wirken auf mich relevanter und er selbst ernst zu nehmender. Wie bereits angesprochen, sendet das Frühstücksfernsehen zu jeder vollen und halben Stunde Nachrichten. Da auch hier immer die gleichen Sprecher, also entweder Ina Dietz oder Martin Haas, auftreten, wird eine fast schon familiäre Atmosphäre erzeugt. Mir gefällt es, dass ich neben sehr vielen irrelevanten Themen auch im Groben erfahre, was es bezüglich aktueller Krisen auf der Welt für neue Entwicklungen gibt. 

Nach den oft eher negativen Schlagzeilen freue ich mich, wenn „Society-Expertin“ Vanessa Blumhagen montags und donnerstags zu Gast ist, und in ihrer Rubrik „Vanessas Important People“ den neuesten Klatsch und Tratsch berichtet. Auch wenn sie natürlich immer genau weiß, wer gerade eine schwierige Scheidung durchmacht und besonders wie sich die Person dabei fühlt, erzählt sie all dies auf eine so charmante Weise, dass ich ihr die Spekulationen über und das Schnüffeln im Privatleben der bedeutenden und unbedeutenden Persönlichkeiten im Rampenlicht überhaupt nicht übel nehme. Denn irgendwo lenkt mich dieses Getratsche auch von meinem eigenen Alltag und den Problemen darin ab. 

Besonders witzig finde ich die Rubrik „Promis, die es nicht in die Sendung geschafft haben“. Dabei hält einer der Moderatoren kurz ein Bild einer bekannten Persönlichkeit in die Kamera und Vanessa Blumhagen erzählt in ein bis zwei Sätzen, was für ein Skandal sich diese Person nun wieder geleistet hat und das nächste Bild eines Promis erscheint. Meist handelt es sich in dieser Rubrik um Personen wie Kim Kardashian oder Justin Bieber, von denen man auch nichts anderes erwartet hätte und die man eigentlich auch nicht länger als ein paar Sekunden im Fernsehen sehen möchte. 

Und genau diese kleinen, lustigen und einzigartigen Details machen die Sendung für mich so unterhaltsam. Auch wenn nicht jede Überleitung galant über die Bühne geht, die Moderatoren sich verhaspeln oder es technische Probleme gibt, ist mir das Frühstücksfernsehen sympathisch und die Moderatoren sorgen mit ihrer positiven Art und ihren frechen, aber charmanten Kommentaren dafür, dass ich meinen Tag oft mit ihnen starte. Und auch wenn mich ein Thema überhaupt nicht interessiert, ein Gewinnspiel anmoderiert oder über einen Nachbarschaftsstreit diskutiert wird, nutze ich die Gelegenheit, um mich fertig zu machen oder meine Tasche zu packen. Das ist eben auch ein großer Vorteil einer solchen Sendung: die uneingeschränkte Aufmerksamkeit des Zuschauers ist nie gefordert und er kann zu jedem Zeitpunkt einsteigen, ohne das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Ich sehe sie nebenbei und erfahre beiläufig noch, welche Filme gerade ins Kino kommen oder dass heute internationaler Tag der Blockflöte ist. Unnötiges Wissen, mit dem ich bei der Unterhaltung mit Freunden prahlen kann. Woher ich das weiß, erzähle ich jedoch meistens lieber nicht.