TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 2. März 2015

Deutschlands schönste Frau – Gold zu Stroh

von Sebastian Schwarzweller


Charakter und eine interessante Biografie sollte sie haben, die schönste Frau Deutschlands. Die Kleidergröße, die Masse und ein makellos symmetrisches Gesicht, waren schon beim Casting für die Besetzung von „Deutschlands schönste Frau“ eher als K.O.-Kriterium denn als zwingende Voraussetzung angekündigt.

Es fing alles so gut an, selbst im reflexhaftesten Kritiker der Privatsender regte sich ein Funken Hoffnung, als RTL sein neues Format ankündigte. In Zeiten, in denen sich ein großer Teil der Kritik am Fernsehen im allgemeinen und am Privatfernsehen im besonderen an ihrer Normalitätsproduktion entzündet, also daran, dass sie schöne, schlanke, erfolgreiche Menschen als den normalen Standard darstellen und von diesem hehren Ideal abweichende Figuren bestenfalls als Antagonisten oder abschreckende Beispiele, versprach eine Castingshow, die nicht nach dem Schema von „Germanys next Topmodel“ oder „Das perfekte Model“ die Schönste der Schönsten der Schönen finden sollte, sondern eine Vorstellung unkonventioneller Schönheitsideale ermöglichen, eine willkommene Neuerung. Nicht nur war es erklärtes Ziel der Serie, das sehr auf körperliche Kennzahlen fokussierte Schönheitsbild aufzubrechen, sondern auch die vielbeschworenen „inneren Werte“, Charakter, Ausstrahlung und Biographie der Teilnehmerinnen zu den entscheidenden Kriterien für Weiterkommen oder Ausscheiden, Sieg oder Niederlage zu machen. Die Spannung, die Vorfreude, aber auch die Erwartungshaltung an die neue Serie waren dementsprechend hoch.
Aber bereits die erste Episode, ausgestrahlt am 11.2.15, sorgte für eine große Desillusionierung. Die einzelnen Kandidatinnen waren zwar tatsächlich keine auf Schönheit optimierten Jungmodels, aber in gewisser Weise hatte man nun in die andere Richtung übertrieben, und sich unter anderem eine Bodybuilderin und eine durch chemische Behandlung kahlköpfig gewordene Patientin ausgesucht. Es war offensichtlich, dass die Sendung, ähnlich dem psychologischen Modell von „Frauentausch“ auch und besondes auf das Aufeinandertreffen möglichst extremer Stereotypen setzte. Zwar waren die ersten, nach klassischer Castingshow aufgebauten „Challenges“ durchaus spannend und sehenswert. So zum Beispiel die Aufgabe an die Kandidatinnen, sich selbst einem Phantombildzeichner zu beschreiben, der nur aufgrund dieser Aussagen ein Portrait der Kandidatinnen erstellte. Die anschließende Konfrontation der Kandidatinnen mit ihrem „Selbstbild“ war eine interessante Lehre über das Auseinanderklaffen von Selbstbild und Wirklichkeit.
Doch das große Problem, dass das Konzept der Serie in gleich in doppelter Weise verriet und über Bord warf, waren die mit dem für Casting-Shows typischen Rauswurf-System verbundenen „Nominierungen“. Dass die Kandidatinnen nun selbst mitreden durften bei der Auswahl, Favoritinnen und Abschusskandidatinnen benennen mussten, war eine Rückbesinnung auf die guten alten äußerlichen Werte – denn wer könnte denn von sich behaupten, nach Stunden oder auch nur Tagen den Charakter und die „inneren Werte“ eines Menschen kennen zu können? Und so fielen in der Nominierung dann auch überwiegend Urteile und Ausdrücke wie „Zu alt, zu hässlich, zu fett“, und die inneren Werte waren vergessen. Zugleich fiel es einem schwer, in den Frauen, die am bissigsten über andere richteten und weiter kamen, dann noch weiterhin Beispiele für Charakter und Ausstrahlung zu sehen. Vielmehr fühlte man sich in den leider schon bekannten und gerne befeuerten „Zickenkrieg“ zwischen Heidis Mädels zurückversetzt. Insofern war es vielleicht keine große Überraschung, wenn einige der Favoritinnen – sofern man diese im Rahmen der ersten Folge benennen konnte – schon nach eben dieser von Bord gingen. Integrität beziehungsweise Charakter und das Bloßstellen Anderer vertragen sich eben nicht wirklich. 
Vielleicht ist das die traurige Lehre aus „Deutschlands schönste Frau“: Dass das Fernsehen die äußerlichen optischen Merkmale seiner abgebildeten Personen eben doch nicht in den Hintergrund stellen kann, selbst wenn man den Machern der Serie einmal ehrliches Wollen unterstellt. Man bekommt was man sieht; innere Werte im Showformat vor die Kamera zu bekommen, gestaltet sich wohl als schwierig.

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