TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 2. März 2015

Prison Break - Ich hol dich da raus!



Fox River State Penitentiary – Joliet, Illinois. In einer der vielen Zellen dieses Staatsgefängnisses sitzt Lincoln Burrows – angeklagt für den Mord am Bruder  der Vizepräsidentin von Amerika, zur Todesstrafe verurteilt. Die Beweise sind niederschmetternd. Ein Überwachungsvideo, das ihn am Tatort zeigt, blutverschmierte Kleidung in seiner Wohnung. Kein Zweifel bleibt offen, dieser Mann ist schuldig. Trotzdem schwört Lincoln, den Mord nicht begangen zu haben. Doch nur einen kann er von seiner Unschuld überzeugen – seinen kleinen Bruder Michael. Angetrieben von purer Verzweiflung und der ungeheuren Angst, den eigenen Bruder sterben zu sehen, gibt dieser ihm ein gefährliches und überaus verhängnisvolles Versprechen: „Linc, ich hol dich da raus!“.


Gesagt, [Achtung – Spoiler!] getan. Nur läppische 21 Episoden braucht Michael, um Lincoln und – mehr oder weniger freiwillig – sechs weitere Insassen aus dem Fox River Staatsgefängnis zu befreien. Und wie der Titel „Prison Break“ schon andeutet, gelingt ihm dies nicht, indem er mühsam Beweise sucht, um seinen Bruder auf legale Weise vor dem elektrischen Stuhl zu bewahren. Nein, er begeht kurzerhand einen bewaffneten Raubüberfall und landet – wie es das Schicksal (oder Michael) so will – in dem Knast, in dem Lincoln in der Todeszelle sitzt und auf seine Hinrichtung wartet. Schnell werden Michaels Absichten klar. Er will, zusammen mit seinem Bruder, aus dem Gefängnis ausbrechen.  
Abschalten? Unmöglich. Wer einmal von „Prison Break“ - insbesondere von Michael Scofield – in den Bann gezogen wurde, entkommt nicht mehr. Ausbruch aus einem Gefängnis der maximalen Sicherheitsstufe - kein Problem! Michaels Plan scheint nicht nur genial und bis ins kleinste Detail perfekt durchdacht – er hat ihn sich noch dazu in Form eines Tattoos unter seiner Haut verewigen lassen. Im harten Gefängnisalltag werden die Brüder jedoch schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, denn nicht alles kann man steuern - insbesondere nicht die Gedanken oder Handlungen anderer Menschen. Doch auf eben diese sind die zwei Männer angewiesen. Sie benötigen einen Fluchtwagen, Geld, ein Flugzeug, das sie weit weg bringen kann und ist denn Michaels Zellengenosse  überhaupt vertrauenswürdig? Auch die korrupten Gefängniswärter und die ständigen Unruhen zwischen schwarzen und weißen Häftlingen machen ihnen ihr Vorhaben nicht gerade leichter. Doch den zwei Brüdern bleibt keine Zeit, denn Lincolns drohende Hinrichtung hängt über ihnen wie ein Damoklesschwert.
 „Prison Break“ besitzt ein enorm hohes Erzähltempo, das nur dadurch aufrecht erhalten werden kann, indem ständig neue Ereignisse auftreten, die den Ausbruch erschweren. Unmöglich erscheinende Vorhaben, eine undurchsichtige Verschwörung, etliche unangenehme Entscheidungen mit nur einem Gedanken im Hintergrund: „Wir haben keine andere Wahl.“. Immer und immer wieder werden Michael und Lincoln in ihrem Plan zurückgeworfen und jedes mal erscheint ihre Lage von Neuem aussichtslos. Fast jede Episode endet mit einem Cliffhanger, die Spannung wird von den Produzenten ins nahezu Unermessliche gesteigert. Eine durchgehende Handlung, in der dem Zuschauer so gut wie keine Verschnaufpause gegönnt wird. Und das ist nur einer von vielen Suchtfaktoren, mit denen „Prison Break“ aufwarten kann. Unheimlich spannende TV-Unterhaltung, die uns an das heimische Sofa bindet und uns im 45-Minuten-Takt immer denselben Satz wiederholen lässt: „Nur noch eine Episode!“. 
Diese unerträgliche Spannung ist das eine, doch womit „Prison Break“ wirklich heraussticht, sind seine eindrucksvollen, vielschichtigen Charaktere, die dem Zuschauer durch Besuche, Gespräche und „Flash-Backs“ näher gebracht werden. Die Figurenzeichnung ist hier der Schlüssel zum Erfolg. Verkörpert werden diese noch dazu von herausragenden Darstellern, denen ihre Rollen teilweise wie auf den Leib geschneidert wirken und die mit grandioser schauspielerischer Leistung glänzen können. Allen interessanten Charakteren voran - mit einer Idealbesetzung durch Wentworth Miller, der die Rolle nicht nur zu spielen, sondern darüber hinaus zu fühlen scheint - Michael Scofield. Er wirkt cool, anziehend, aber auch bedrohlich. Ein übermenschliches Superhirn mit nahezu dämonischer Intelligenz. Ein Genie, das noch dazu mit einer großen Portion Charisma und stoischer Ruhe gesegnet ist. Michael ist allen anderen stets überlegen und immer einen Schritt voraus. Für jene, die er liebt, würde er alles geben, doch gegenüber denen, die ihm egal sind, ist er absolut skrupellos. Doch je weiter der Ausbruch und die anschließende Flucht fortschreiten und je mehr unschuldige Menschen ihr Leben dafür geben müssen, desto mehr wird auch Michael aus seiner Reserve gelockt. In ihm tobt ein permanenter innerer Kampf, ein ständiger moralischer Konflikt zwischen Gut und Böse, den er trotz seiner Coolness irgendwann nicht mehr verbergen kann. 
Auch die Seite des Bösen wartet zuverlässig mit einigen teuflisch guten Charakteren auf. Allen voran der sadistisch-rassistische Pädophile „T-Bag“, den der Darsteller Robert Kenner über vier Staffeln hinweg gekonnt in widerlichstem Licht erscheinen lässt. Dicht gefolgt vom großen Mafiaganoven John Abruzzi - herrlich abgedreht und unberechenbar – und dem korrupten und – wenn auch nur in seiner überlegenen Position – brutalen Gefängniswärter Brad Bellick, der es bereits von Anfang an auf Michael und Lincoln abgesehen hat und keine Gelegenheit auslässt, um die beiden zu schikanieren. Mit dem FBI-Agenten Alexander Mahone – cool und bedrohlich – tritt auch schließlich ein für Michael ebenbürtiger Gegner auf den Plan, der jeden seiner Schritte vorauszusehen scheint und ihm somit mehr als nur einmal dicht auf den Fersen ist. 
In „Prison Break“ haben die Castingagenten definitiv hervorragende Arbeit geleistet, doch über die Staffeln hinweg, wird immer deutlicher, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Nach einem grandiosen Anfang, findet die Serie ein eher mäßiges Ende. Schon in den ersten beiden Staffeln tauchen einige  Logikfehler auf, die jedoch vorerst nicht stören, da „Prison Break“ keinen Realismusanspruch erhebt und die Story insgesamt rund ist. Die Spannung bleibt weiter erhalten, obwohl vieles leider einstweilen unglaubhaft wirkt. So kann man nur staunen, wie der acht-zehige Michael auf seiner Flucht  wie ein Puma über  die Felder sprintet, oder „T-Bag“ nach mehrmaliger Handamputation immer noch quietschfidel  durch die Gegend marschiert. Doch je weiter sich „Prison Break“ dem Ende zuneigt, desto abstruser wird es. Die Fülle an Absurditäten kann leider trotz aufrecht gehaltener Spannung irgendwann nicht mehr ignoriert werden. Während Staffel 2 das Tempo noch halten kann, wird in Staffel 3 der damalige Autorenstreik langsam bemerkbar, wodurch diese dann auch nach 13 Episoden ein vorzeitiges Ende findet. In der finalen Staffel wird dann schließlich deutlich, was sich im Vorgänger schon abgezeichnet hat – den Autoren sind leider die Ideen ausgegangen und es scheint bisweilen einfach alles wiederholt zu werden. Die Bösen werden zu den Guten und dann doch wieder zu den Bösen. Jeder, der sich in den Weg stellt, wird gnadenlos umgelegt, seien es Polizisten, Bodyguards oder unbeteiligte Dritte. Es scheint keinerlei Gesetze mehr zu geben und wenn doch, so interessieren sie niemanden. Wichtige Gespräche finden nur noch am nervtötenden Handy statt oder in Anwesenheit einer Waffe an irgendjemandes Schläfe. Während man über einige Dinge noch hinwegsehen hätte können, lassen jedoch das ständige Auferstehen einst totgeglaubter Figuren ohne vernünftige Erklärung oder eine beispielsweise superschnelle Genesung nach einer lebensbedrohlichen Gehirnoperation glauben, dass der Zuschauer teilweise regelrecht für blöd gehalten wird. 
Doch trotz einem eher bescheidenen Ende wurde mit „Prison Break“ der Startschuss zu einer der beliebtesten amerikanischen Fernsehserien gesetzt, die vor allem mit kaum auszuhaltender Spannung und eindrucksvollen Charakteren überzeugen kann. Das Ende konnte jedoch aufgrund massiver Logikfehler und mangelnden Ideen den beiden grandiosen Anfangsstaffeln nicht mehr gerecht werden. Deswegen zum Schluss ein guter Rat für alle zukünftigen „Prison Break“-Süchtlinge: „Man soll immer dann gehen, wenn es am schönsten ist“ - und so vielleicht einfach bei der Halbzeit abschalten! 

1 Kommentar:

  1. Hallo Lara,

    was für eine tolle Rezension zu dieser Serie. Ich stimme dir in jedem Punkt zu!!!

    Liebe Grüße
    Sophia

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