TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 2. März 2015

“How I met your Mother” – eine legendäre Serie

von Sebastian Schwarzweller


Die Ausstrahlung der letzten Folge von „How I met your mother“ liegt nun schon einige Zeit zurück, die englische Originalversion wurde am 31. März 2014 ausgestrahlt, im Deutschen debütierte „Last forever Pt. I+II“, oder „Das Gelöbnis“& die Liebe meines Lebens“, wie die Folgen im Deutschen betitelt waren, am 27. August desselben Jahres. Knapp sechs Jahre lang hatte die Serie in neun Staffeln die deutschsprachigen Zuschauer auf Pro7 begleitet. Innerhalb dieser Zeit konnte die Serie ihre Zuschauer von durchschnittlich 0,5 Millionen bei der ersten Staffel auf bis zu 1,5 Millionen bei der neunten verdreifachen – im  Rahmen einer Erstausstrahlung eine beeindruckende Leistung, und sieht man sich die Einschaltquoten bei der „Zielgruppe“ der Serie an, verstärkt sich dieser Eindruck noch. Zu diesen Zahlen kann man nun noch – seien wir ehrlich, die englische Originalversion ist eben besser – einen vermutlich blühenden „Schwarzmarkt“ an illegalen Internetguckern rechnen, und man hat, vorsichtig geschätzt, eine Serie, die einer von vier Jugendlichen im Alter von 16-25 Jahren zumindest in Teilen gesehen hat.

Wie verdreifacht eine Serie die Zuschauerzahlen?
Gut, es gibt wiederholte Ausstrahlungen der ersten Staffeln und es gibt das Internet, es ist heute kein Problem, die alten Folgen einer Serie nachzuholen, bevor die neue Staffel ausgestrahlt wird – wenn es sein muss, schafft man das auch schon einmal in einer Nacht. Aber was war es denn, das Jugendliche so magisch anzog an dieser Serie, deren Popularität ungebrochen ist und deren Fangemeinde ähnlich versessen auf das Nichtzulassen von Spoilern ist wie die Anhänger von „Game of Thrones“? 
Die Hauptcharaktere sind es überwiegend nicht, so viel muss man zugeben. Da ist Ted, die Hauptperson, sein bester Freund Marshal und dessen Verlobte Lily sowie Robin, eine Freundin Teds und streckenweise sein Schwarm, und zu guter Letzt Barney Stinson, ebenfalls ein guter Freund Teds. Sie alle sind liebenswerte und gut geschriebene Charaktere, und besonders die hervorragende schauspielerische Besetzung der einzelnen Rollen macht es schwer, einen Lieblingscharakter zu identifizieren. Aber die einzelnen Wesenszüge der Personen sind keine Neuerfindung des Rades. Ted, der softe, harmoniebedürftige Romantiker, der die Frau seines Lebens finden will, Marshal, der im Herzen kleiner Junge gebliebene, der zwischen seinen Träumen und den Zwängen seines Anzugsjobs hängt; Lily, seine Partnerin, die zwischen freundlicher Ratgeberin und bösem Superhirn fließend wechseln kann; oder Robin, deren großer innerer Widerspruch der von Karriere und privatem Glück ist, und die eine schwere Kindheit mit einem dominanten Vater hatte, der viel lieber einen Sohn gehabt hätte. Der einzige Charakter, der hier einige ungewöhnlichere Wesenszüge zeigt, ist Barney Stinson, ein fast schon zwanghafter Casanova, der neben seinem Broterwerb in einem ominösen Job bei einer bösen Finanzgruppe seine Zeit hauptsächlich mit dem Bezirzen von Frauen mithilfe unterschiedlicher und manchmal absurdester Tricks verbringt – mit wechselndem Erfolg. Diese Kombination aus arrogantem Charmeur und gewissenlosem Banker wirkt eher wie ein klassischer Bösewicht aus einer Hollywood-Liebeskomödie, und es spricht zweifelsohne für die Serie, dass es ihr gelingt, aus dieser Prämisse einen der beliebtesten Charaktere nicht nur der Serie, sondern allgemein der letzten Jahre des Fernsehens zu machen, dessen Rolle, als Reaktion auf seine enormen Sympathiewerte unter den Zuschauern, über die Staffeln hinweg immer mehr erweitert und ausgebreitet wurde. 
Nichts davon klingt unspannend, und ist es auch nicht. Die Charaktere sind jenseits dieser Kurzbeschreibungen natürlich noch um einiges vielschichtiger und ihre Hintergrundgeschichten sowie ihre charakteristischen Fehler und Stärken lassen noch viel mehr ein Bild authentischer Persönlichkeiten entstehen. Aber nichts an diesen Figuren ist so neu, dass es den besonderen Charme der Serie erklären könnte. All diese handelnden Personen haben wir so oder ähnlich schon in zahlreichen anderen Serien gesehen. Beinahe idealtypisch lässt sich das zum Beispiel zeigen, wenn man Im Kopf einmal kurz die Kernbesetzung von „How I met your Mother“ mit der von „Scrubs“ vergleicht. 
Was macht “How I met your Mother “ aber dann nun so legendär? 
Zunächst einmal ist da die Story. In einer Sitcom, kurz für situation comedy, ist eine komplexe Story nicht die Regel. Eine klassische Sitcom benötigt einfach nur eine gewisse Anzahl lustiger – oder manchmal weniger lustiger – Charaktere, und schon kann es losgehen. Viele Sitcoms greifen in Reihenfolge eine ganze Reihe stereotypischer Alltagsprobleme auf, wie zum Beispiel Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, ein Partner der zu viel oder zu wenig Zeit mit einem verbringt, oder ein Urlaub mit der (peinlichen) Familie, lassen die Hauptperson ein wenig mit sich selbst kämpfen, die Nebenfiguren werfen einige hilfreiche oder schadenfrohe Kommentare dazu und am Schluss hat die Hauptfigur etwas gelernt und alles ist wieder beim alten, so dass Folgenende und Ausgangslage am Schluss das gleiche sind. Charakter trifft Situation, Gelächter aus dem Off, fertig. Die einzelnen Episoden stellen meistens komplett geschlossene Elemente dar. Nicht so bei “How I met your mother”. Die Handlung der Serie ist im Gegenteil sogar recht kompliziert aufgebaut: Ein Vater erzählt seinen Kindern im Jahr 2030, wie er in den Jahren 2006-2013 in New York gelebt hat und dort ihre Mutter kennenlernte. Bei diesem Vater handelt es sich um die Hauptperson der Serie, Ted. So weit, so einfach. Aber es wäre ja zu einfach, wenn sich Vater und Mutter in der ersten Staffel kennenlernten, und fortan situationskomikmäßig die Höhen und Tiefen des menschlichen Paarungsverhaltens miteinander erlebten. Nein, die Mutter betritt den Bildschirm das erste Mal in der letzten Folge der vorletzten Staffel, und das erste Gespräch zwischen dem Vater (und off-Erzähler) und seiner Braut (ich denke, das zählt hier nicht als Spoiler) findet in der Mitte der letzten Folge statt. Die Geschichte, die der Vater seinen Kindern erzählt, ist nicht einfach die eines Treffens, sondern, wie Ted es an einer Stelle ausdrückt, „die Geschichte, wie ich der wurde, in den sich eure Mutter schließlich bei unserem Treffen verlieben konnte“. Dieser zusammenhängende Erzählfluss ermöglicht es der Serie dann natürlich, Cliffhanger, Rückgriffe und über mehrere Folgen oder gar Staffeln aufgebaute Handlungsstränge einzubauen. Und das ‚Stilmittel des Erzählers ermöglicht es auch, durch „Irrtümer“ oder „ungenaue Erinnerungen“ den Erzählfluss mutwillig durcheinanderzuwerfen und Rück- oder Vorgriffe auf andere Ereignisse einzubauen. Das alleine ist immer noch keine Erklärung für die Popularität, aber es eröffnet die Möglichkeit für den besonderen Charme der Serie: Indem die Geschichte aus der Retrospektive erzählt wird, kann eine starke Betonung auf Andeutungen über den zukünftigen Verlauf, sowie auf das Motiv des „Alles geschieht aus einem Grund“ gelegt werden. „Hätte ich nicht diesen Job angetreten, dann hätte ich nie dieses Mädchen kennengelernt, das ihm dann wiederum...“ So entspinnt sich die die Geschichte von zwei Richtungen, von der Seite des Zuschauers, der die Serie chronologisch betrachtet und des Erzählers, der rückblickend erinnert, bis sich die beiden Blickwinkel schließlich an dem Punkt treffen, an dem Ted endlich die Frau seiner Träume trifft. 
Diese Botschaft des „Alles hat seinen Zweck“ findet ihre Anwendung dann natürlich, der Geschichte folgend, in der Liebe. Dies ist eigentlich eine banale Erkenntnis, die aber vielleicht wirklich die letzte und beste Antwort nach dem Erfolg der Serie bietet: Sie beschäftigt sich mit der Liebe. 
Nicht nur mit den flüchtigen und gelegentlichen zwischenmenschlichen Kontakten – wenn gleich es davon in “How I met your mother” natürlich auch eine Menge gibt – sondern mit der echten, der wahren Liebe, der Liebe fürs Leben, und zwar aus den  unterschiedlichen Blickwinkeln eines einsamen Singles (Ted) eines glücklichen Pärchens (Lily&;Marshal),einer karrierefokussierten starken Frau, die für eine feste Beziehung nichts übrig hat (Robin) und eines fast beispiellosen Casanovas, für den  eine feste Beziehung, Hochzeit oder gar Kinder den Alptraum schlechthin darstellen (Barney). 
„How I met your Mother“ ist eine Serie, die von der Suche nach der wahren Liebe handelt, und von den neuen  Bedingungen dieser Suche im 21. Jahrhundert. 
Denn, so die unterschwellige Frage der Serie an ihren Hauptdarsteller und ein wenig auch  an ihre Zuschauer, du lebst in der großartigsten Stadt der Welt, du hast einen guten Job und alles was du brauchst, die Welt ist vernetzt und klein wie nie zuvor – und trotzdem schaffst du es nicht, die Frau deiner Träume zu finden, wie deine besten Freunde und so viele andere es geschafft haben? Die Serie gibt auf diese Frage eine ermutigende Antwort „Geh einfach weiter, steh auf, wenn du hingefallen bist, wenn du am Ziel angelangst, wirst du verstehen, das alles, was du erlebt hast, nötig war, dich nur zu diesem Punkt gebracht hat.“ Ist das kitschig? Vielleicht ein bisschen, aber wenn man sich mit einem Thema wie der Liebe fürs Leben beschäftigt, lässt sich das wohl nicht verhindern, und eigentlich will man es auch nicht verhindern. 
Es zeigt vielmehr, dass der Serie und ihren Machern das Thema wichtig ist, und der Erfolg „How I met your Mother“ zeigt, dass sie damit nicht allein sind.

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