TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 2. März 2015

Mad Men - Everything’s going to be alright?

von Bastian Kühnel


Bereits der Titel Matthew Weiner’s Erfolgsserie Mad Men will irgendwie nichts Gutes verheißen. Er spielt sowohl auf die Ansiedlung der großen Werbeagenturen der 60er Jahre in der Madison Avenue in New York als auch auf den Charakter der dort beschäftigten Werbeleute an. Dieses Vorurteil soll nicht unbestätigt bleiben und so sieht sich Hauptcharakter Don Draper, seines Zeichens Werbefachmann bei der renommierten Agentur Sterling Cooper, immer wieder Intrigen, Erpressungen und linken Geschäften gegenübergestellt. Was natürlich nicht heißt, dass er selbst sich nicht diverser fragwürdiger Methoden bedient. Schließlich muss er Familie (Frau und zwei Kinder), Job und stets mindestens eine Affäre unter einen Hut bringen. Dabei raucht, trinkt und flirtet er sich auf unwiderstehliche Weise durch die Serie. 
Die Serie deckt über ihre gesamte Spielzeit (7 Staffeln) die kompletten 60er Jahre ab und fängt den Charme und das Lebensgefühl der Zeit auf selbstverständliche Weise ein. Kostüme wie Musik sind äußerst gelungen und lassen die Szenerie sehr authentisch wirken. Wichtige historische Ereignisse wie Präsidentschaftswahlen oder die Ermordungen John F. Kennedys und Martin Luther Kings werden gekonnt mit eingebunden. Dabei liegt eine der großen Stärken der Serie darin, stets zu beobachten ohne zu werten. Wenn Familie Draper nach dem idyllischen Ausflug mit dem Cadillac zum Picknick an den See wie selbstverständlich einen nicht unbeachtlichen Berg an Einwegverpackungen zurücklässt, Schwangere ohne mit der Wimper zu zucken rauchen und trinken oder ein schwuler Mitarbeiter Drapers seine Orientierung verheimlichen muss, stört sich unser Gemüt automatisch daran. So sind es auch die Momente des gesellschaftlichen Umschwungs, wenn plötzlich Dons Sekretärin zur Texterin befördert wird oder die Kampagne für Lucky Strike umgeschmissen werden muss, weil Zigaretten als krebserregend entlarvt wurden, die für den Zuschauer das Weltbild wieder geraderücken. Mad Men dient als hervorragende Studie einer Zeit, die in vielerlei Hinsicht prägend für unsere moderne Gesellschaft war. Neben den bereits erwähnten gesellschaftlichen Veränderungen hinsichtlich Toleranz und gesellschaftlichem Bewusstsein kommt auch die zunehmende Kommerzialisierung - nicht umsonst ist die Serie in der Werbebranche angesiedelt - und der damit zunehmende Wohlstand für Jedermann klar zu Deutung. 
Durch diese stark zurückhaltende, beobachtende Haltung entsteht ein sehr langsamer Erzählfluss, der sicherlich den ein oder anderen langweilen dürfte, tatsächlich aber eine große Anziehung auf mich auswirkt. So ist es möglich, durch viele Szenen, die für die Handlung eigentlich irrelevant sind, Personen sehr klar zu charakterisieren und tiefe Einblicke in ihre Persönlichkeit zu geben. Gerade darin liegt für mich die Faszination. Über mehrere Folgen mitzuerleben, wie ein ganzes Land nach dem Kennedy-Mord stillsteht, mag zunächst wenig spannend klingen, ist aber ein weiteres Beispiel dafür, wie gut Mad Men die 60er Jahre einfängt und entblößt so einige unerwartete Charakterzüge aller Beteiligten. Die Nebencharaktere sind derart gut entwickelt und mit Leben gefüllt, dass es ohne Weiteres möglich wäre, einen von ihnen in die Hauptrolle schlüpfen zu lassen. Draper selbst pflegt in Situationen wie dem Kennedy-Anschlag und anderen misslichen Lagen gerne zu anderen zu sagen: „Everything‘s going to be alright“. 
Doch gerade wenn man den Vorspann betrachtet, scheint dies für ihn eine leere Phrase zu bleiben. Untermalt von RJD2’s wunderbarem Titeltrack „A Beautiful Mine“ – eine Wahl, die sicherlich den ein oder anderen Musikfan frohlocken lässt – zerbricht die Welt um ihn herum, er fällt von einem Wolkenkratzer ins Nichts - um danach wieder lässig im Bürostuhl zu sitzen. Ein Bild, das Don Drapers Leben beschreiben könnte. Obwohl Serienerfinder Matthew Weiner aussagt, zu Beginn noch keinerlei Pläne für das Schicksal seiner Hauptfigur zu gehabt zu haben, ist dies zumindest auf kürzere Zeitspannen im Leben Drapers zutreffend. Sein selbstzerstörerischer Lebensstil, der selten Ruhepausen zulässt (wenn, dann wird die Bürocouch für Nickerchen missbraucht) führt ihn immer wieder in Dilemmasituationen, die sich allerdings zumeist relativ einfach lösen lassen. Man hat schließlich Geld und Beziehungen. Kritisch wird es erst, wenn es um Drapers Vergangenheit geht. Diese ist lange Zeit absolut ungewiss. Aufgewachsen als Waisenkind, danach dienlich im Vietnamkrieg, bleiben auch wenige Quellen um diese näher zu beleuchten. Und so tut der Werbefachmann das, was er am besten kann: Er verkauft seine Vergangenheit so, wie sie ihm gerade am besten in den Lebenslauf passt. Überhaupt ist Draper ein Einzelgänger allererster Klasse, er kann mit jedem, will aber eigentlich mit keinem. Stets Gentleman, lässt er die Frauen im Glauben, ihren eigenen Willen durchsetzen zu können, lässt es aber nie soweit kommen. Ist er nicht mehr Herr der Lage, wird die Affäre eben ausgetauscht. Zumindest beruflich funktioniert Drapers Lebensstil wunderbar, zunächst zum Teilhaber der Agentur erhoben, so wird später nach der Übernahme der alten Agentur durch eine größere sogar eine eigene gegründet. So ist Draper, was er am liebsten ist: Herr der Lage und sein eigener Chef. Betrachtet man aber den Mann hinter der Fassade, so zeigt sich ein immer größer werdender Abgrund. Nachdem seine konstruierte Vergangenheit immer wieder auffliegt und er mit der Wirklichkeit konfrontiert wird, weiß er nicht damit umzugehen. Weiner konstruiert eine faszinierende Persönlichkeitsstudie eines Mannes, der die Kontrolle braucht, sie aber nach und nach verliert. Wenn man so möchte, zeigt der Vorspann - ohne die erlösende letzte Szene (wieder zurück im Bürostuhl) - Drapers Fall bis zum Ende der sechsten Staffel. Man darf also gespannt sein, ob die zweite Hälfte der siebten Staffel, die im späten Frühjahr dieses Jahres anlaufen wird, diese Szene noch in die Gesamthandlung einfügt oder ob es beim Absturz ins Nichts bleibt. 
Mir persönlich macht es, obwohl ich große Sympathie für Don Draper hege, Spaß, ihm beim Scheitern zuzusehen. Dies eingebettet in die ausgefeilte Gesellschaftstudie der 1960er Jahre und die unzähligen detaillierten Nebencharaktere und Handlungsstränge machen Mad Men für mich zu einer der besten Serien der letzten Zeit. 
So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass AMC den Erfolg der Serie so weit wie möglich auskosten will und deswegen, ganz nach dem hauseigenen Vorbild Breaking Bad, die letzte Staffel zweiteilt. Die Begründung dadurch eine aufwendigere Geschichte erzählen zu können wirkt allerdings etwas an den Haaren herbeigezogen wenn man betrachtet, dass die Staffel gerade mal um eine Folge von normal 13 auf nun 14 Episoden verlängert wurde. Ganz nebenbei hat das Hinauszögern den positiven Nebeneffekt, dass die finale Staffel nun wohl bei den Emmys 2015 antreten wird und so nicht mit Breaking Bad konkurrieren muss. So läuft nun aber das Finale ab April im amerikanischen Fernsehen und man kann zurecht gespannt auf Don Drapers Schicksal sein. 

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für die interessante Kritik. Kleine Anmerkung: Don Draper war im Koreakrieg, nicht im Vietnamkrieg.

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