TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 9. März 2015

Pretty little liArs- Can you keep a secret?


von Hanna Lehanka

because two can keep a secret, if one of them is dead.

Jeder Mensch hat Geheimnisse. Ein Geheimnis ist eine streng vertrauliche Botschaft, deren Essenz, wenn überhaupt, nur für Wenige bestimmt ist. Ein Geheimnis beinhaltet dominante Konstituenten wie Interesse, Desinteresse, Vertrauen, Misstrauen, Neugier oder die bloße Lust an der Enthüllung. Ein Geheimnis kann Menschen zusammenhalten, es kann sie jedoch auch entzweien. Ein Geheimnis kann Menschen vor etwas schützen, es kann sie jedoch auch ungeniert vernichten. Von genau diese beiden Seiten eines Geheimnisses erzählt die Serie Pretty little liars (2010). 
Die amerikanische Mysteryserie Pretty little liars (2010) erzählt Geschichten, vielmehr Geheimnisse, aus dem Leben der vier Mädchen Aria, Spencer, Hanna und Emily nach dem spurlosen Verschwinden ihrer besten Freundin Alison. Die Serie konzipiert sich aus einem spannenden Konglomerat der mannigfachen Höhen und Tiefen eines ganz banalen Teenagerlebens, der unsagbaren Bedeutung von Freundschaft und der kontinuierlichen Angst vor Bedrohung. Diese einzigartige Mischung wurde dem gleichnamigen Buch der Autorin Sara Shepard aus dem Jahr 2006 entlehnt. Aktuell besteht Pretty little liars (2010)  aus 115 Episoden, die auf fünf Staffeln verteilt sind. Die Erstausstrahlung erfolgte am 8. Juni, 2010.
Ein Jahr nach dem unaufgeklärten Verschwinden des Mädchens Alison DiLaurentis hat sich im verträumten Städtchen Rosewood mit den akribisch- gepflegten Vorgärten viel verändert: die einst unzertrennliche Clique um Anführerin Alison existiert nicht mehr und die Teenager Aria, Spencer, Hanna und Emily gehen von diesem schaurigen Ereignis an getrennte Wege. Während sich die ehrgeizige Spencer konsequent auf ihre schulischen Leistungen konzentriert und allmählich unter dem kontinuierlichen Druck zerbricht, hat sich die liebenswerte, etwas naive Hanna allmählich zum neuen It- Girl der Rosewood High avanciert. Die herzliche, eher bescheidene Aria hat das letzte Jahr mit ihrer Familie in Island verbracht. Seit ihrer Rückkehr nach Rosewood hat sie mit längst verdrängten Erinnerungen zu kämpfen, sowie völlig unerwarteten neuen Überraschungen. Emily, die äußerlich ein perfektes Leben zu führen scheint, hat das Verschwinden Alisons am meisten getroffen. Sie hegte für die dominante Alison mehr als nur freundschaftliche Gefühle. Die vier Mädchen scheinen gegenwärtig nichts gemeinsam zu haben- außer der Tatsache, dass jede Einzelne von ihnen eine Menge Geheimnisse besitzt. Geheimnisse, die besser nicht ans Licht kommen. Geheimnisse, von denen nur die längst totgeglaubte Alison Bescheid wusste. Glück, dass zwei ein Geheimnis bewahren können, wenn einer von ihnen tot ist. Pech, wenn Einer gar nicht tot ist, möglicherweise nur untergetaucht, oder die vertrauliche Information einem unvertraulichen Dritten weitergereicht hat. Auf mysteriöse Weise erhalten alle vier Mädchen plötzlich Textnachrichten, in deren Inhalt sie mit ihren dunkelsten Geheimnissen konfrontiert und erpresst werden. Unterzeichnet sind diese Textnachrichten mit einem schlichten „A“. „A“ für Anonymus, „A“ für Alison? Wer auch immer die Textnachrichten versendet, weiß jede Facette, jeden Grauton, jedes kleinste Detail aus dem Leben der Mädchen. Was zu Beginn als ein schauriges Spiel inszeniert ist, konstituiert sich zu einem gefährlichen Alptraum für alle Beteiligten. Doch wer sind eigentlich die Beteiligten? Allwissendes „A“ scheint den Mädchen immer einen Schritt im Voraus zu sein - so wird die Suche nach dem mysteriösen Erpresser zur nie endenden Hetzjagd.
Pretty little liars (2010) schafft es dabei eine unverkennbare Ästhetik zu konstruieren. Eine Ästhetik, die nicht ausschließlich aus Schauer und Tragik konzipiert ist, sondern sich viel mehr zu einer Ästhetik der Disharmonien etabliert. Disharmonie bezeichnet einen Terminus aus der Musiktheorie, welcher den dissonanten Zusammenklang von Tönen bezeichnet. Pretty little liars (2010) erzeugt diese Dissonanz nicht nur auditiv, sondern vor allem visuell und psychologisch. Es kontrastieren idyllische vom Sonnenlicht gefärbte Bilder zu tiefdunklen Gewitterszenarien. Rosewood, das verträumte Städtchen, mit den akribisch gepflegten Vorgärten verbirgt plötzlich eine Leiche nach der anderen unter der grasgrünen Oberfläche. Betrachtet man die psychologische Ebene wird eine heftige Dissonanz durch die Destruktion einer Erwartungshaltung komponiert, die durch Stereotype geschaffen wird. Geschichten aus dem Leben der Jugendlichen, von der ersten Liebe und der klischeevollen amerikanischen „Sweet 16“- Zeit werden mit Geschichten von persistenter Erpressung und Angst verwoben. Durch diese Divergenz wird allerdings doppelt Spannung erzeugt. Der Zuschauer möchte nicht nur wissen, mit welcher makabren Nachricht das mysteriöse „A“ als nächstes die Mädchen in Angst und Schrecken treibt, sondern auch wie Arias Liebesbeziehung zu ihrem Lehrer Mr. Fitz verläuft oder wie Spencer sich täglich gegen die Schikanen ihrer erfolgreichen Schwester behauptet. Durch diese Mischung aus original content und mystery content verfolgt der Zuschauer zwei Themenstränge und das Merkmal der Serialität wird verdoppelt. 
Was die unverkennbare Ästhetik von Pretty little liars (2010) weiter auszeichnet ist die auditive Untermalung mit zeitgenössischer Musik. Musik hat die Fähigkeit emotional anzusprechen und entlockt dem Zuschauer auf diese Weise ein Gefühl, dass dieser in die Handlung projiziert. Charakteristisch für jede Pretty little liars (2010) Episode ist die Einblendung von „As“ schwarzen Lederhandschuhen am Ende. Der kurze Abspann eröffnet eine Art kleinen, aber bitteren Vorgeschmack dessen, was die Mädchen in der nächsten Episode erwarten wird.
Wie lange dieses Konzept noch Erfolg beweist, ist natürlich ungewiss. Die Hetzjagd nach „A“ könnte immerhin irgendwann als langweilige Endlosschleife empfunden werden. Immerhin handeln sich bisher alle Staffeln um die Enthüllung des mysteriösen „A“. Persönlich, obwohl ich mich selbst als eher sporadischen Seriengucker einstufe, kann ich an dieser Stelle jedoch versprechen, dass die Spannung bis dahin erhalten bleibt und das Suchtpotential Folge für Folge maximiert wird. Jeder Mensch hat Geheimnisse. Vielleicht, ist exakt das der Grund, weshalb mich Pretty little liars (2010) immer wieder auf die Couch zieht. Das gefährliche Spiel mit dem Mysteriösen. Ein Schauspiel, dass unter der Devise „because two can keep a secret, if one of them is dead“, an die eigenen Geheimnisse erinnert und vielleicht ein neues Licht auf den Umgang mit diesen wirft.

In diesem Sinne:
Got a secret, can you keep it?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen