TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 2. März 2015

Disney Channel - Aufleben alter Kindheitsträume?




Mickey Mouse, Peter Pan, Pocahontas – jeder kennt sie, die Helden unserer Kindheit. Walt Disneys einzigartige Meisterwerke,  mit denen wir unzählige Stunden vor dem heimischen Videorekorder verbracht und die uns mit ihren abenteuerreichen Geschichten und liebenswürdigen Charakteren verzaubert haben. Sie nahmen uns an die Hand, übermittelten uns den Wert von Familie, Freundschaft und Liebe und gaben uns wichtige Botschaften mit auf den Lebensweg. Jahr für Jahr können sich unsere Disney-Lieblinge gegen neuere, modernere, mit immer fortgeschritteneren Techniken realisierte TV-Produktionen durchsetzen und geraten somit niemals in Vergessenheit. Doch einer Macht können Mickey, Donald und Co. leider meist nicht die Stirn bieten – dem alljährlichen, mütterlichen Entrümpelungswahn. Und so mussten viele von uns schon die Erfahrung machen, eines Tages festzustellen, dass Mutti die große Sammlung an VHS-Kassetten längst an jüngere Cousins und Cousinen verschenkt oder entsorgt hat und dass der verstaubte Videorekorder im Keller sowieso schon seit fünf Jahren nicht mehr funktionstüchtig ist. Ohne eine Stange Geld - das im durchschnittlichen Studentenbudget ohnehin nicht enthalten ist - für neue DVDs oder Blu-Rays auszugeben, wird man dazu gezwungen zu akzeptieren, dass das Projekt „Disney“ vorerst in die Schublade „Kindheitsträume“ zurück verfrachtet werden muss.
Doch heute vor knapp einem Jahr hat das lange Warten endlich ein Ende. Nach vielen Jahren im deutschen Pay-TV entschließt sich Disney dazu, den Betrieb im Bezahlfernsehen endgültig einzustellen und ab dem 17.01.2014 neue Wege zu gehen. An besagtem Freitag im Januar letzten Jahres geht der Disney-Channel erstmals im Free-TV auf Sendung und Jung sowie Alt sitzen gebannt vor der Flimmerkiste. Denn gemäß seinem Motto „Disney für Alle“ soll der Sender nicht nur Unterhaltung für jüngere Zuschauer, sondern auch für ältere Generationen – im Idealfall für die ganze Familie – bieten. „Wir schaffen einen zentralen Anlaufpunkt für Kinder und Erwachsene im TV“, so Senderchef Lars Wagner. Zur Day-Time sollen dabei also vor allem Kinder auf ihre Kosten kommen, während sich das Programm zur Prime-Time an erwachsene Zuschauer richten soll. Dabei setzt der Sender auf eine Mixtur aus Serien, Filmklassikern, Reality-Formaten und eigenproduzierten Shows. 
Die Quoten sprechen für sich und der Disney-Channel konnte sich als fester Bestandteil der deutschen TV-Unterhaltung etablieren. Den Zugang zu meinem persönlichen regelmäßigen Fernsehprogramm konnte er – trotz meinem Dasein als bekennender Disneyfan – jedoch nicht finden. In Vorfreude darauf lautstark mit Timon und Pumba „Hakuna Matata“ zu grölen, mit Bambi den Tod seiner Mutter zu verarbeiten oder Peter Pan auf seinem Weg durchs Nimmerland zu begleiten, werden viele Mitglieder meiner Generation immer wieder vom Disney-Channel enttäuscht. Klassische Zeichentrickperlen, wie sie eben aufgezählt wurden, sind leider eine Rarität auf dem Sender. Auch moderne computeranimierte Filmproduktionen wie „Toy Story“ aus dem Hause Pixar – das nun auch schon seit geraumer Zeit der Produktionsfirma Disney angehört – sind nur selten im Programm des Disney Channel zu finden. Durchforstet man dieses, so stellt man schnell fest, dass der Sender vor allem zur Prime-Time mehr auf typisch amerikanische Serien wie „Gilmore Girls“ oder Sitcoms wie  „Immer wieder Jim“ setzt, die den ein oder anderen Zuschauer zwar amüsieren, für mich jedoch rein gar nichts mit dem typischen „Disney-Zauber“ gemein und somit nichts auf solch einem Kanal zu suchen haben. Auch zur Day-Time lachen uns nur selten klassische Disney-Charaktere wie Mickey Mouse oder Donald Duck entgegen und einst beliebte Serien wie „Disneys Große Pause“, in der eine Clique von Schulkindern ihren Lehrern das Leben zur Hölle macht, haben es gar nicht erst ins reguläre Programm geschafft. Stattdessen werden die Kids mit elektrisch lächelnden, überzogenen Kinderrobotern, frechen Glitzergirlies und Aliens mit Riesenaugen unterhalten. Disney's eigenproduzierte Sitcoms wie „Meine Schwester Charlie“ oder „New in Paradise“ laufen in Hülle und Fülle und spucken weiterhin zuverlässig Teeniestars à la Miley Cyrus  aus, die in ihren Rollen als Pop-Prinzessinnen und grinsende Glücksfeen nur schwer überzeugen und auch nur bedingt fürs reale Leben wichtige Werte und Botschaften übermitteln können. Ganz anders als der einzigartige Charme also, mit denen Walt Disney einst reihenweise Kinderherzen zum Schmelzen brachte. 
Doch trotz alledem hat der Disney-Channel im deutschen TV-Programm seine Daseinsberechtigung. Denn er hält, was er verspricht. „Disney für alle“ - ein Unterhaltungsprogramm, das sich sowohl an jüngere als auch an ältere Generationen richtet und für alle Altersgruppen etwas passendes bereithält. Auf eine neue, moderne, überholte Weise zumindest. Für mich persönlich wird dieses Versprechen jedoch nicht auf optimale Art und Weise umgesetzt und der einzigartige Disney-Zauber, der sich entfaltet, wenn Peter Pan über die Dächer Londons schwebt oder sich Cap und Capper nach einer schmerzhaften Trennung wieder finden, kann mir der Kanal nur selten bieten. Doch vielleicht ist und bleibt dieses Gefühl auch nur deswegen so magisch, weil man es nur so selten spüren darf. 

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