TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

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Donnerstag, 5. September 2019

Fernsehen, dafür wurden Filme gemacht

von Herbert Schwaab
Montag Abend habe ich auf Arte einen Film des französischen Regisseurs Claude Chabrol gesehen. Eine komplexe Rachegeschichte aus dem Jahr 1969 mit einem monströsen, unfallflüchtigen Familienvater, dessen Tod nicht nur von dem Vater des bei dem Unfall getöteten Jungen, sondern von der ganzen Familie gewünscht wird. Ein kleiner böser Film von einem der Hauptvertreter der Nouvelle Vague, die in den 1960er Jahren das Kino erneuert hat. Es ist ein nicht unwichtiges Werk der Filmgeschichte, das ich bisher noch nie gesehen hatte, mit wunderbaren Bildkompositionen in den gemäldeartigen Aufnahmen der kaputten Familienkonstellation in den Innenräumen, die auf dem großen Bildschirm unseres neuen Fernsehers noch besser aussahen. Solche Filme lassen sich nicht auf Netflix finden. Das Netflixpublikum sind seelen- und geschichtslose Menschen, die in einer ewigen Gegenwart gefangen sind. Die klassischen Zuschauer und Zuschauerinnern des Fernsehens waren dagegen, auf natürliche Weise, in verschiedenen Jahrzehnten der Filmgeschichte zuhause.

Mittwoch, 24. Juli 2019

Serien enden!

von Herbert Schwaab 
Spoiler Alert
I want you ist einer der längsten Songs, den die Beatles veröffentlicht haben. Er wiederholt nur wenige Worte, die die Liebe und das Verlangen John Lennons zu und nach Yoko Ono ausdrücken sollen, und lässt den Song in einem Fadeout ausklingen. Das Fadeout ist schön, aber auch lang, und dieser simple, aber auch verzweifelte Song scheint kein Ende zu finden. Das Ende beschert eine Schere, die das Tonband einfach durchschneidet – unglaublich brutal und abrupt, aber immerhin ein Ende. John Lennon mag sich das an dem Nouvelle Vague-Film Jules und Jim von François Truffaut abgeschaut haben, der seinen verspielten Liebesfilm auch abrupt enden lässt: mit einem herbeigeführten, aber unvorbereiteten Unfall, der ein Auto von einer Brücke stürzen lässt. I want you und Jules und Jim reflektieren damit auch über die Enden von Musik und von Film, vielleicht auch als eine Kritik an der Geschlossenheit, die Erzählungen und Musikstücke immer zu erzeugen versuchen. Tatsächlich wünschte ich mir, es gäbe auch bei Serien eine Schere, die einfach die die Episode durchschneidet, alle narrativen Fäden kappt und endgültig, kalt und schmerzlos alles beendet. Es ist manchmal eine Qual, dass Serien kein Ende finden.

Montag, 9. Februar 2015

Das Phänomen Bob Ross

von Katharina Habler

Das Konzept der schlichten Glückseligkeit ist so simpel wie erfolgreich: Vor einer schwarzen Studiokulisse steht eine Leinwand und davor ein sanftmütiger Maler mit Farbpalette in der Hand. 

Donnerstag, 29. Januar 2015

Alpenpanorama: Die Ränder des Fernsehens

von Herbert Schwaab
 
In einem Artikel der Zeitung Standard vom 7.Dezember 2014 wird die Beliebtheit des sogenannten 'slow tv' in Norwegen angesprochen. Dabei handelt es sich um das 'entschleunigte' Programme, das zur Nachtzeit oder am Morgen gesendet wird, etwa endlose Bahnfahrten aus Sicht der Führerkabine oder flackernde Kaminfeuer. Zu den Programmen, das die norwegischen Zuschauer des Senders NRK besonders begeistert habe, gehöre unter anderem die Stricknacht, die das Stricken eines Pullovers von der Schafschur bis zur Vollendung begleitete, oder ein Programm, dass ein Blaumeisenpaar bei Brutvorgang und Aufzucht der Vögelkinder zeigt, in einem Nest, das wie ein menschliches Miniaturwohnzimmer eingerichtet ist. Die Vermutungen, die Doris Priesching in dem Artikel über den Grund für die Beliebtheit dieser gar nicht mal so unaufwendigen Programme nennt, gehen in Richtung einer Sehnsucht des Zuschauers nach Ruhepunkten in einem von einer hektischen Fernsehästhetik geprägten Programm. Auch auf den Seiten dieses Blogs wurde über die Faszination für die seit Jahren ausgestrahlten Anleitungen des schon lange verstorbenen Malers Bob Ross geschrieben.  

Sonntag, 25. Januar 2015

ProSieben - Do you still entertain us?

von Sebastian Pleischl


"We Love To Entertain You!" - mit diesem Motto mischt ProSieben seit 2010 die deutsche Fernsehlandschaft gehörig auf, oder? Als einer der beiden Hauptsender des Medienhauses ProSiebenSat.1 Media ist ProSieben einer der derzeit erfolgreichsten Privatsender im deutschsprachigen Raum. Diese Media AG bestehend aus den beiden Flaggschiffen ProSieben und Sat.1, den Töchtern kabel eins, sixx, ProSiebenMAXX, N24 und weiteren Free-TV- und Pay-TV-Sendern entstand 2000 im Zuge der Fusion von ProSieben und Sat.1.

Donnerstag, 22. Januar 2015

Die unvermeidliche Kritik zu Dschungelcamp: Nur weil wir keine Ausbildung haben...

von Herbert Schwaab

Es ist unvermeidlich, dass sich ein Blog zur Fernsehkritik mit dem RTL-Format Ich bin ein Star. Holt mich hier raus beschäftigt. Denn es ist das Format, das auch die Fernsehkritik beschäftigt. Kein anderes Format produziert oder provoziert so viel Kritik in den Feuilletons der großen Zeitungen und ihren Online-Ablegern. So bedauert Jonas Leppin auf Spiegel Online in seiner Kritik vom 22.1.2015 die mangelnde Qualität der Kandidaten, die ihm zu nett sind, und behauptet, dass RTL diesmal bei ihrer Auswahl daneben gelegen habe.

Donnerstag, 15. Januar 2015

Der Verfall von Wer wird Millionär

von Anastasia Hartleib 

Als ich mich am Montag, dem 05.01.2015, durch das abendliche Fernsehprogramm zappte, verzweifelt auf der Suche nach einer Abendgestaltung, blieb ich in nostalgisch-erfreuter Stimmung an RTL hängen. Dort sollte um 20.15 Uhr Wer wird Millionär starten. Als eher sporadischer Fernseher bin ich mit dem Programmablauf von RTL nicht so bekannt und freute mich daher, eher zufällig eingeschaltet und die Sendezeit der Show getroffen zu haben. Jedes Mal, wenn ich den Showtitel lese, erinnere ich mich an gemeinsame Fernsehabende mit meinen Eltern, an denen wir gemütlich auf der Couch saßen und miträtselten, mit sympathischen Kandidaten mitfieberten und uns gemeinsam mit dem Moderator Günther Jauch über auf dem Schlauch stehende Millionenanwärter amüsierten.

Mittwoch, 7. Januar 2015

Das Lied von Manuel auf ZDF Kultur: Fernsehen das wehtut und die Macht der Populärkultur


von Herbert Schwaab  

Die Veränderung der Sendelandschaft und die Vervielfältigung der Kanäle durch Digitalisierung mögen dazu führen, dass sich die kulturelle Rolle des Fernsehens verändert und es immer schwieriger wird, eine Fernsehgeschichte zu schreiben, die sich über bedeutende, von vielen Menschen erinnerte Momente definiert. Es wird immer schwieriger für das Fernsehen, zum Bezugspunkt eines kollektiven Gedächtnisses zu werden, weil nicht mehr gesichert ist, dass sich Menschen an dasselbe erinnern werden. 

Montag, 22. Dezember 2014

Die Weihnachtsmonotonie- Fluch oder Segen?

von Hanna Lehanka


Das Fernsehprogramm symbolisiert eine Mixtur der verschiedensten Geschmäcker unserer ganzen Gesellschaft. Wir genießen heute eine Vielfalt an Serien und Filmen, sodass Jedermann getrost etwas findet, was ihn vor den Bildschirm zieht und zum gemütlichen Couchabend einlädt. Doch es scheint, als gäbe es eine Zeit im Zyklus die diesen Pluralismus außer Kraft setzt: Die Weihnachtszeit!
Die großen Sender werben plötzlich mit einem „alle Jahre wieder“ anstatt mit den neuesten Serien- und Filmhits. Alle Jahre wieder rücken dann Klassiker wie Drei Nüsse für Aschenbrödel (1973), Kevin allein zu Haus (1990), Der kleine Lord (1980), Eine schöne Bescherung (1989) oder die dramatische Geschichte der Kaiserin der Herzen, Sissi (1952), in den Fokus. Selbst der eher sporadische Fernsehgucker kennt zur Weihnachtszeit das Fernsehprogramm ganz ohne den Blick in die Zeitung auswendig.
Bestimmte Filme gehören einfach zum festen Bestandteil des Senderepertoires in der Weihnachtszeit. Das Genre Weihnachtsfilm lässt sich in Filme klassifizieren, deren Sendetermin auf die Weihnachtszeit datiert ist und Filme deren Handlungen sich um Heiligabend herum aufspannen.
Der Märchenfilm Drei Nüsse für Aschenbrödel (1973) gehört ohne Frage zu den traditionellen Klassikern unter den Weihnachtsfilmen und wird ausschließlich zur Weihnachtszeit von den öffentlich- rechtlichen Sendern ausgestrahlt. Die Handlung des Kultfilmes hat allerdings nichts mit Weihnachten an sich zu tun, lediglich die schneeweiße Kulisse verweist auf die Winterzeit. Tatsächlich Liebe (2003) hingegen erzählt die Lebensgeschichte verschiedener Charaktere in der Zeit um den Heiligabend und verbindet das festliche Ereignis mit der Filmhandlung.
Ein weiteres Merkmal welches den klassischen Weihnachtsfilm kennzeichnet sind die ähnlichen Handlungsmotive. Weihnachtsfilme thematisieren oftmals hochmoralische Themen, welche um die trivialen Probleme zwischenmenschlicher Beziehungen kreisen. Ein beliebtes Weihnachtsfilm-Thema ist beispielsweise die Familie, deren Mitglieder sich im Alltagstress schier verlieren und sich rechtzeitig an Heiligabend wieder versöhnen. Diese Versöhnungsdramaturgie stellt eines der beliebtesten Motive weihnachtlicher Filme dar, denn was gibt es schon romantischeres als das Zelebrieren einer Versöhnung am Fest der Besinnung? Der klassische Weihnachtsfilm will jedoch nicht nur zum Nachdenken anregen sondern vor allem als Unterhaltungsmedium für die ganze Familie fungieren. Die meisten Weihnachtsfilme sind trotz moralisierender Thematik als Komödie realisiert.
Ein bekanntes Beispiel ist Kevin allein zu Haus (1990) von John Hughes. Der Film erzählt die Geschichte eines kleinen Jungens, der im Gefecht des Alltags einfach zu Hause vergessen wird als die Familie an Weihnachten verreist. Aufgrund des familiären Stresses freut sich Kevin anfangs über diese Situation, bemerkt jedoch im Laufe des Filmes, dass es alleine zu Hause ganz schön gefährlich für einen kleinen Jungen sein kann und wünscht sich seine Familie zurück. Der Film plädiert somit für familiären Zusammenhalt und dafür, sich mehr Zeit füreinander zu nehmen. Durch die Komödienästhetik des Filmes ist diese Handlung bei der Rezeption keineswegs traurig, sondern eine unterhaltende Geschichte, in deren Lauf Kevin sich zum Sympathienträger etabliert.
Weihnachtsfilme haben die Funktion uns auf das Weihnachtsfest vorzubereiten, uns ein Gefühl von Wärme und Freude zu vermitteln und sollen uns nicht mit einem unbefriedigten Gefühl von der Couch zu entlassen. Deshalb gehört das Happy End in den Weihnachtsfilm wie Plätzchen in die Adventszeit. Dieses schier unumgängliche Happy End schlägt sich auch in der ästhetischen Realisierung und Ausgestaltung der Weihnachtsfilme nieder.
Die Ästhetik der Weihnachtsfilme konstituiert sich meist aus einer märchenhaften, verkitschten Atmosphäre. Realismus scheint bei dieser Weichzeichnerästhetik fehl am Platz! Weihnachtsfilme leben von der Überdimensionalisierung der Ereignisse und vor allem des Heiligabends.
Viele Weihnachtsfilme leben auch von ihrem nostalgischen Zauber. Filme wie Der kleine Lord (1980), Drei Nüsse für Aschenbrödel (1973) oder Sissi (1952) sind mit „Neuerscheinungen“ wie Tatsächlich Liebe (2003) ästhetisch nicht vergleichbar. Die Qualität des visuellen und auditiven Filmmaterials divergiert hier stark. Trotzdem sind es gerade die alten Filme, die zur Weihnachtszeit eine ganz neue Bedeutung erhalten und vom Massenpublikum mehr denn je konsumiert werden. Diese Filme besitzen eine Art Kultstatus. Dieser Kultstatus ergibt sich zum einen aus der Tatsache, dass viele dieser Filme lediglich zur Weihnachtszeit ausgestrahlt werden und zum anderen aus deren Traditionswert. Das Wort Tradition gehört zum festen Weihnachtsvokabular. Alle Jahre wieder greift man die alten Handlungsmuster auf und erfreut sich daran wenigstens einmal im Jahr nicht auf rasende Veränderung zu setzen, sondern auf das gewohnt Vertraute. Aus diesem Grund sehe ich mir wohl Jahr für Jahr die Geschichte des siebenjährigen Cedrics an, der als Erbe eines Adelstitels zu seinem mürrischen Großvater zieht und mit seinem Charme die Sympathie und Bewunderung des ganzen Schlosses gewinnt. Der kleine Lord wurde im Jahr 1980 produziert und gehört somit eigentlich nicht zu den Filmen meiner Kindheit, aber zu der meiner Eltern, die es in unserer Familie eingebürgert haben, traditionell jährlich diesen Film anzusehen. Dies erklärt wohl auch die Beliebtheit der Rezeption vieler alter Kinderfilme zur Weihnachtszeit wie die Klassiker von Astrid Lindgren.
Die Weihnachtsmonotonie- Fluch oder Segen? Das Fernsehprogramm an Weihnachten mag kitschig und monoton sein, aber es spiegelt exakt die Werte wieder, die mir an Weihnachten wichtig sind. Vertrautheit, Tradition und ein bisschen Ruhe. An Weihnachten finde ich es in Ordnung über die gleichen Filmszenen zu lachen wie vor zehn Jahren und sich an ein Gefühl zurück zu erinnern, dass möglicherweise schon lange nicht mehr existiert. Weihnachtsfilme sind eine Art Vermittler, die uns in der Gegenwart finden und uns ein Stück Vergangenheit schenken. Auch wenn das Genre Weihnachtsfilm nicht Jedermanns Geschmack trifft, gehören die Zuckerguss-Filme meiner Meinung nach einfach zu einer abgerundeten Weihnachtszeit dazu. Frohe Weihnachten!

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Bekenntnisse eines Skisprungfans

Herbert Schwaab

Dem bizarren Geständnis, dass ich ein Fan von Skispringen bin, folgt ein weiteres Bekenntnis, dass ich die Skisprungübertragungen des Senders Eurosport denen der öffentlich rechtlichen Sender bevorzuge. Ein seltsamer und interessanter Aspekt von live-Sportübertragungen ist, dass die Bilder unabhängig von den übertragenden Sendern im Auftrag der Sportverbände, in diesem Fall der FIS, produziert werden. Die Abläufe in der Dokumentation eines Sprunges, die Positionen der Kamera, der Bildaufbau, die Kamerabewegungen, der Schnitt, die Verwendung von Zeitlupen und Superzeitlupen, sie alle folgen einem genau ausgearbeiteten Plan und bleiben, abgesehen von wenigen Modifikationen, die Jahr für Jahr eingeführt werden, immer gleich. Abhängig von den Schanzen und einer widerspenstigen Natur mag es Probleme bei der Platzierung der Kameras geben, was den räumlichen Eindruck bei den Sprüngen verändert. Ist die Kamera, die Flugphase und Landung abdeckt, zu weit weg und zu weit oben am Hang platziert, komprimiert sich der Raum am Ende des Fluges: Die Zeit scheint länger zu werden, die zurückgelegte Distanz in den wenigen Sekunden des Sprungs scheint sich zu verkürzen.
Sonst bleibt alles gleich, was auch ein Grund dafür ist, dass es eine beruhigende Gleichförmigkeit der Übertragung von Skispringen im Weltcup gibt. Sie ist auch ein Grund dafür, warum Sport so beliebt und so geeignet für das Fernsehen ist. Viele mögen denken, Sport lebe von Spannung auf Aufregung, aber für mich charakterisiert die pure Ereignislosigkeit dieses Genre des Fernsehens. Fernsehen besetzt und strukturiert durch sein Dauersignal und seinen flow Zeit, und Live-Sport ist ein wunderbarer Zeitvernichter. Nichts auf der Welt könnte entspannter sein (für mich) als einen Sonntagnachmittag zwei Stunden Zeit damit zu verbringen, den immer gleichen Abläufen eines vom Fernsehen übertragenen Skisprungevents beizuwohnen. Ein anderer Grund liegt in der Faszination für diesen eigenartigen Sport, das unnütze Wissen, das ich über ihn über die Jahre generiert habe, die Tatsache, dass ich aus dem Stehgreif die Namen von 10 japanischen Skispringen nennen könnte (Masahiko Harada, Kazuyoschi Funaki, Noriaki Kasai, Hiroya Saitoh, Hideharu Miyahira, Jinji Nischikata, Takanobu Okabe, Daiki Ito, Kazuja Yoschioka, Akira Higashi, und ich schwöre, dass ich gerade nicht gegoogelt habe), das mich der Aspekt des Fliegens aus eigener Kraft interessiert, dass ich Schnee und das Aussehen von Schanzen mag, die auf seltsame Weise Areale in der Natur besetzen und die Landschaft für die Dauer eines Wettbewerbs verändern, die vielen kleinen Unterschiede zwischen den Skisprungschanzen und -orten, vom eisigen Norden Finnlands, den Alpen bis zum Sauerland, und dass ich selbst immer noch davon träume, meine Laufbahn als Medienwissenschaftler zu beenden und dafür eine Karriere als Skispringer zu beginnen, auch wenn ich ahne, dass es langsam zu spät dafür wird.
Das zweite Bekenntnis, das ich die Übertragungen von Eurosport liebe, ist nicht weniger eigenartig. Wenn die Bilder die gleichen sind, sollte der Vorteil der öffentlich rechtlichen, dass sie zusätzlich einen Experten und Interviews anbieten können, mich eigentlich zu diesem Sender führen. Aber das Moderatorenteam  mit Dirk Thiele, der für seine Olympiaberichterstattung auch schon einen Fernsehpreis gewonnen hat, und dem mittelmäßigen ehemaligen Skispringer und sächselnden Gerd Siegmund als Ko-Kommentator, habe ich über die Jahre lieb gewonnen. Dirk Thiele ist ein polternder, jovialer, kenntnisreicher Moderator, ein Mensch, dem man sich in einer Eckkneipe genauso gut vorstellen kann wie in einer engen Moderatorenkabine, der jedem der Skispringer seine Freundschaft aufzudrängen scheint und der Inbegriff einer raumnehmenden Kumpelhaftigkeit ist. So formelhaft, kalt, schematisch, technologisch Skispringen auch sein mag: Dirk Thiele und Gerd Siegmund schaffen es, aus diesem extrem mediatisierten Sport eine Familie, die in ihren Anzügen und Helmen kaum erkennbaren Sportler zu Menschen zu machen. So lebt diese Übertragung auch von Reiz des Wechselspiels zwischen der größtmöglichen Distanz und einer, bisweilen auch leicht unerträglichen, Nähe zu dem Moderator oder den Sportlern. Nirgendwo besser ließe sich die besondere Adressierungsform des Fernsehens oder der Begriff der parasozialen Beziehung erläutern.  
In den transmedialen Weiterungen der traditionellen, großen Kanäle durch die kleinen Kanäle im Internet, die entweder auf YouTube oder auf der Webseite mit kurzen Clips das Sendeangebot ergänzen, lässt sich sogar eine medienwissenschaftlich hochinteressante Umkehrung des Verhältnisses zwischen Medium und Sport betrachten. In kurzen Clips berichten Dirk Thiele und Gerd Siegmund nach den Übertragungen von den Skisprungevents, ziehen ein Fazit oder interviewen beteiligte Springer. Diese Clips sind die einzige Möglichkeit, den Stimmen ein Gesicht zu geben, was aber nicht unbedingt notwendig oder wünschenswert ist, da die Art der Moderation niemals den Eindruck vermitteln könnte, die beiden Moderierenden nicht zu kennen. Den riesigen technischen Aufwand in der Produktion der Skisprungbilder kontrastierend werden die Clips mit einer kleinen Handkamera gedreht, die entweder von den Moderierenden selbst oder von im Springerlager vorbeilaufenden Personen geführt werden. Bei einem am 7.12. 2014 aufgenommenen Clip führt gar ein am Springen erfolgreich beteiligter Sportler, der Österreicher Michael Hayböck, die Kamera und lässt es sich nicht nehmen, die Kamera kurz auf sein Gesicht zu schwenken und in die Kamera zu grinsen. Die Dokumentierten dokumentieren sich selbst, die Sportler, deren Bewegungen und Fähigkeiten vermehrt durch den Blick einer eiskalten, distanzierten medialen Maschine erkundet werden, schlagen zurück und nehmen die Produktionsmittel in die eigene Hand und geben dem in unserer Medienkultur oft bemühten Begriff der Partizipation eine Bedeutung. Der marginale Sender Eurosport, dem immer mehr Sportrechte genommen werden und der vermehrt über ebenso marginalisierte Sportarten wie Billard oder Darts berichten muss, wird hier die Aufgabe überantwortet, etwas hochgradig Signifikantes über den Mediensport, der wachsenden Medienkompetenz der User und den Transformationen der Medienkultur zum Ausdruck zu bringen.  

Dienstag, 17. Januar 2012

Kleine Ereignisse: Günter Jauch: Menschen, Bilder, Emotionen

von Herbert Schwaab

Eine halbberühmte Frau, die bei Dancing with the Stars trotz aller Widrigkeiten ihrer Figur den ersten Platz gemacht hat und vor dem Fernsehpublikum mit dem ältesten Tanzlehrer Deutschlands einen Tanz auf das Parkett legt; zwei deutsche Ingenieure, die bei dem Tsunami in Japan im Atomkraftwerk Fukushima vor Ort waren und als betroffene Landsleute aus erster Hand von der Katastrophe berichten können; ein deutscher Student, der bei einem Pokerturnier mehrere Millionen gewonnen hat; die Prinzen, die die wichtigsten Songs des Jahres a-capella vortragen; ein kleiner Junge mit Brille, der dem Papst einen Brief geschrieben hat und zur Audienz bestellt wurde; die Klitschkobrüder, heute nur in der verwaisten Variante, da einer von Beiden krank darniederliegt; Kretschmann, der bodenständige Grüne, der die Landtagswahl in Baden-Württemberg gewonnen hat; wieder ein Deutscher, der in Norwegen dabei gewesen ist und noch dazu mehrere der Jugendlichen auf der Insel vor dem Attentäter gerettet hat; ein Mann, der einen bizarren Unfall mit seinem Luxusschlitten und einem riesigen Traktor überlebt hat; Gaby Köster, die nach mehreren Jahren und nach einem schweren Schlaganfall wieder im Fernsehen auftritt und über den Sieg über ihre Krankheit spricht; das Säureattentatsopfer aus dem Iran, das auf das juristisch verbriefte Recht auf Rache an dem Peiniger verzichtet; zwei berühmte Moderatoren, die sich in kurzen Abständen in ihren Shows gegenseitig besuchen, als gäbe es keine Welt mehr außerhalb des Fernsehens. Manchmal erscheint das Fernsehen wie ein surrealer Fiebertraum, der die unpassendsten Dinge passend macht und in sein Format einzwängt. Günther Jauchs Jahresrückblick 2011 ist Fernsehen in Reinkultur.

Dienstag, 21. September 2010

Is it Cultural? Ein besonderer Moment mit Sam the Eagle aus der Muppet Show

von Herbert Schwaab

Was ist Kultur? Diese Frage wird immer wieder von der Figur Sam the American Eagle in der Muppet-Show gestellt. Sam mischt sich immer dann ein, wenn er die Chance dazu sieht, hohe Kultur in diese seiner Ansicht nach kulturell recht unbedarfte Show zu integrieren. Dabei hat, wie einige Szenen der Show beweisen, Sam nicht so große Ahnung von Kultur und wirft immer wieder Begriffe und Autoren durcheinander, selbst zu dem von ihn so hochgeschätzten Shakespeare ist sein Wissen sehr rudimentär.
Sam, als Adler das Symbol eines konservativen amerikanischen Patriotismus verkörpernd, symbolisiert auch die Unsicherheit, die aus dem Kontrast von Hochkultur und Populärkultur entsteht. Er ist selbst eine komische Figur, die nur sehr unzulänglich, aber sehr bestimmt, um die eigene Würde ringt. Trotzdem ist er ein Fremdkörper. In einem seiner Gespräche mit seinem Chef Kermit, in der er wieder einmal seine Vorstellung von hoher Kultur ins Spiel bringen will, wird seine Verlorenheit deutlich, als Kermit im mitteilt, dass er eigentlich keine Ahnung habe, warum er in der Show ist und welche Funktion er darin hat.

Samstag, 11. September 2010

Der Wandel der Fernsehzeitschrift und ihre Bedeutung in der heutigen Zeit oder: Warum immer weniger Movie in der TV Movie steckt

von Sebastian Lauterbach

Wie denkt man über eine Fernsehzeitschrift, die man Zeit seines Lebens zweiwöchentlich nach Hause geliefert bekommt und plötzlich beim Stöbern am Dachboden ein exakt 10 Jahre altes Exemplar in die Finger bekommt? Neben viel Nostalgie macht man sich Gedanken, was sich in der letzten Dekade verändert hat. TV Movie ist die besagte Zeitschrift mit der laut eigenen Angaben ‚Härtesten Filmredaktion Europas‘. Um es vorwegzunehmen: so hart wie sie sich ausgibt, ist sie nicht.

Mittwoch, 1. September 2010

Programmzeitschriften – vom Kiosk oder online?

von Anna Chmelicek

Jeder kennt sie. Und immer wieder steht man vor der entscheidenden Frage: Welche Zeitschrift ist die Beste? 1946 gründete die Hörzu die Gattung der wöchentlichen Programmzeitschriften – und seitdem hat sich einiges getan. Mittlerweile stehen dem Käufer allerlei Zeitschriften mit den unterschiedlichsten Formaten, Größen, Farben und Themen zur Verfügung. Und nicht nur auf den ersten Blick scheint die Gestaltung nicht mehr viel mit der ursprünglichen Form der Fernsehzeitschrift zu tun zu haben. Rezepte, Psycho-Tests, Profi-Schminktipps, die schönsten Reiseziele und bewegende Schicksalsschläge zieren nun das Cover der Illustrierten, und auch offenherzig gekleidete Models sind keine Seltenheit mehr. Das TV-Programm rückt als wesentlicher Bestandteil immer mehr in den Hintergrund.

Kampf der Geschlechter: Vergleich zwischen Männer- und Frauensender

von Julia Schmid
Im deutschen Fernsehen gibt es keine zwei Sender, die so gegensätzlich ausgerichtet sind und das Gesamtpublikum derart nach Geschlechtern aufspalten, wie der neue Frauensender Sixx und der Männersender DMAX. Beide setzen auf ein sehr spezielles Programm, unterscheiden sich jedoch stark in ihrer Umsetzung.

Von Kompromissen und Wagnissen: Kinofilme im TV













von Christina Grundl


Als im März die Free-TV-Premiere des Blockbusters „Fluch der Karibik 3“ auf ProSieben ausgestrahlt wurde, gelang dem Sender ein fulminanter Quotenhit. Sage und schreibe sieben Millionen Zuschauer lockte das Piraten-Epos an - satte 40 Prozent der werberelevanten Zielgruppe. So viel hatte seit der Fußball-EM 2008 keine Sendung mehr erreicht. Die unglückliche Panne eines ProSieben-Mitarbeiters trat dabei eher ins Hintertreffen. Am besagten Sonntagabend vergaß der Bemitleidenswerte nämlich, den Schluss des Blockbusters einzulegen. Stattdessen ließ er das Programm nach dem letzten Werbeblock nahtlos weiterlaufen. Ein solcher Fauxpas ist an sich keine große Sache, der Sender entschuldigte sich und machte menschliches Versagen für den Fehler verantwortlich. Die letzte Sequenz war ohnehin nicht unbedingt essenziell für das Verständnis der Story – im Kino lief sie als Post-Credit-Szene nach dem Abspann.

Solch unglückliche Einzelfälle sind zwar ärgerlich, aber nur die Spitze des Eisbergs. Bei allem Komfort durch HD-Fernseher und gute Soundanlagen – ein Heimkinofreund muss sich auf einige Kompromisse einlassen. Die Werbeunterbrechungen, die den Zuschauer etwa alle 20 Minuten aus der Geschichte reißen und zurück in sein Wohnzimmer katapultieren, sind dabei das geringste Problem. Daran hat man sich nach fast 30 Jahren Privatfernsehen im Normalfall gewöhnt. Die Immersion, das tatsächliche Eintauchen in den Film wird vielmehr durch die Rezeptionssituation an sich erschwert. Sieht man sich einen Spielfilm werbefrei, beispielsweise auf einem öffentlich-rechtlichen Sender an, befindet man sich deswegen trotzdem noch zuhause. Im Gegensatz zum Kino schafft der Fernseher keine Realität - er ist Teil der Realität. In Günter Giesenfelds und Prisca Pruggers Arbeit zu Fernsehserien beschreiben sie das Fernsehen passend als „zweite Ebene von kontinuierlicher Lebenserfahrung, in der Fiktion und Alltagswelt sich verschlingen können“. Die Alltäglichkeit ist es gerade, welche die beiden Medien so stark voneinander abgrenzt – von der Bildgröße ganz zu schweigen. Anders als im Kinosaal ist der Zuseher im Wohnzimmer zeitlich, räumlich und sogar inhaltlich ungebunden. Und selbst wenn er nicht um- oder abschaltet oder sich ein neues Bier aus der Küche holt – allein die Möglichkeit dazu macht den Unterschied. Der Inhalt ist dabei fast nebensächlich, wie Marshall McLuhan bereits 1964 erkannte. „The Medium ist the Message“ – die Werbepausen tragen nur ihren Teil dazu bei.

Komplizierter wird es aber, wenn selbst dieser Rezeptionskompromiss immer weiteren Einschränkungen unterliegt. Ein passendes Beispiel hierfür ist der Trend zur Split-Screen-Werbung, also die parallele Ausstrahlung werblicher und redaktioneller beziehungsweise fiktionaler Inhalte. Werbung und Programm werden auf dem Bildschirm räumlich voneinander getrennt, per Gesetz ist eine eindeutige, optische Unterscheidung vorgeschrieben. So kann es also sein, dass sich unter der fliegenden Plastiktüte aus „American Beauty“ plötzlich ein stöhnender Homer Simpson ins Bild drängt, der einen überdimensionalen Doughnut vor sich her schiebt und für die neue „Simpsons“-Staffel wirbt. Auch die Praxis des langsameren Abspielens von Filmen durch den Sender ist kein Geheimnis. Dadurch lässt sich ein zusätzlicher Werbeblock im zuschauerstarken Programm platzieren, ohne den rechtlich festgelegten Abstand von 20 Minuten zwischen den Unterbrechungen zu unterschreiten. Durch solche Praktiken wird der Film nicht nur unterbrochen, sondern in seiner ästhetischen und sogar inhaltlichen Wirkung verfremdet. Noch extremer zeigt sich das in der gängigen TV-Praxis des nachträglichen Schneidens von Spielfilmen. Dabei muss es sich nicht unbedingt um brutale Horror- oder Sexszenen handeln. Am 27. Dezember 2009 zeigte RTL die Wiederholung des Peter-Jackson-Remakes vom Monster-Klassiker „King Kong“. Der Sender entschied sich dafür, den Film bereits nachmittags um 13:45 Uhr auszustrahlen. Der Kompromiss diesmal: 67 Schnitte und unglaubliche 23 Minuten Kürzung vom Original, das von der FSK ohnehin bereits für Zwölfjährige freigegeben worden war. Ob Peter Jackson das weiß?

Dabei handelt es sich nur um ein Beispiel von unzähligen, kaum ein Film wird uns im Privatfernsehen so gezeigt, wie er ursprünglich beabsichtigt war. Dabei stellt sich doch die Frage, wie viel den Sendern ein solcher Kinofilm wert ist. Muss man gewaltlastige Action- oder Horrorfilme unbedingt vor 23:00 Uhr senden und dabei schlechte Schnitte und Anschlussfehler billigend in Kauf nehmen? Wie wichtig ist es den Sendern überhaupt, dem Zuschauer einen bestmöglichen Fernsehabend mit einem guten Film zu bieten? Der Lizenzhandel funktioniert längst nicht mehr nur mit Einzeltiteln. In „package deals“ werden bis zu 100 Spielfilme auf einmal gekauft. Die A-Titel funktionieren dabei als Zugpferde. Blockbuster gibt es aber nur in Kombination mit weniger attraktiven B- und C-Titeln. Offenbar sind einige Verantwortliche glühende McLuhan-Fans – der Inhalt wird überbewertet. Das würde auch ProSiebens kleines Piratenunglück in völlig anderem Licht erscheinen lassen.

Dabei muss es nicht so sein. Die meisten öffentlich-rechtlichen Sender bemühen sich durchaus, Kinofilme möglichst in ihrer Originalfassung und sogar im Originalformat auszustrahlen, auch wenn das manchmal zu seltsamen schwarzen Balken an allen vier Seiten des Bildschirmes führt. Ein Fernseher, egal wie dünn und groß, ist und bleibt ein Fernseher und keine Kinoleinwand. Trotzdem wäre es falsch zu fordern, Kinofilme nicht mehr ins TV-Programm aufzunehmen. Das Fernsehen hat im Laufe der Zeit einen großen, wenn auch nicht unverzichtbaren Beitrag zur Entwicklung einer Filmkultur beigetragen. Vor dem Siegeszug von DVD und Internet stellte es die einzige Vermittlungsinstanz zwischen Filmgeschichte und Gegenwart dar.

Erst am gestrigen Samstagabend wagte arte dabei einen interessanten Versuch und kooperierte dafür sogar mir einem eher ungeliebten Kollegen – der „Bild“-Zeitung. Gezeigt wurden Alfred Hitchcocks „Bei Anruf Mord“ von 1953 und der Horrorfilm „Der Schrecken vom Amazonas“ aus dem Jahr 1954 – in 3D! Um möglichst viele Zuschauer anzusprechen wagte arte einen gelungenen Marketing-Coup. Die Brillen lagen der aktuellen Ausgabe der „Bild“-Zeitung bei, die ihrerseits komplett in 3D-Optik gedruckt war. arte dabei die Absicht zu unterstellen, auf den 3D-Zug aufspringen zu wollen, ist - hat man den Film gesehen - völlig ungerechtfertigt. Das Polarisationsverfahren mit den rot-grünen 3D-Brillen ist kaum mit aktuellen Techniken zu vergleichen. Tatsächlich hatte Alfred Hitchcock bereits ein halbes Jahrhundert vor James Camerons „Avatar“ mit der Technik experimentiert – damals übrigens, um dem drohenden Kinosterben entgegen zu wirken. Im Gegensatz zu den hyperrealen tiefschichtigen Ansichten eines „Avatar“ wirken die rot-grünen Pappbrillen fast süß und irgendwie kultig. Auch wenn die strapazierten Augen nach 101 Minuten irgendwann nach Erlösung schreien und der zweifellos raffinierte Hitchcock-Klassiker auch zweidimensional Spaß gemacht hätte, von solchen Wagnissen wünscht man sich mehr im Fernsehen – auch von den Privatsendern.

Es muss ja nicht gleich ein 50er-Jahre-Film sein, etwas mehr Wertschätzung und Gegenliebe gegenüber dem Werk von Filmschaffenden würde schon genügen. Schließlich gelten Spielfilme als entscheidende Investition in die Marke des Senders, nicht zuletzt weil Werbekunden etwa fünf Mal soviel in sie investieren, wie in TV-Produktionen. Daneben profitiert auch die Filmindustrie von Lizenzvergaben an Fernsehsender. Etwa ein Viertel der Einnahmen eines Kinofilms resultieren aus der nachgelagerten TV-Vermarktung, von den DVD-Verkäufen ganz abgesehen. Anders könnten die horrenden Budgetaufwendungen auch nicht mehr refinanziert werden. Sah sich die Kinoindustrie in den 50er und 60er Jahren noch durch das aufstrebende neue Medium Fernsehen in Gefahr, ist aus der einstigen Konkurrenz eine Interdependenz geworden, die für die Zuschauer ebenso sinnvoll sein sollte, wie für Fernsehmacher und Filmschaffende.

Grey’s Anatomy, Emergency Room und Co.: Arztserien und wieso sie immer wieder funktionieren




von Jeanette Bretan

Das heutige Fernsehprogramm ist gefüllt von Serienformaten aller Art. Abenteuer Serien, Fantasy Serien und Krimiserien begeistern schon lange eine große Anzahl von Zuschauern. Serien sind beliebt, sie fesseln und funktionieren im Grunde alle nach einem ähnlichen Prinzip: umso höher das „Suchtpotenzial“ – umso besser die Serie.

Auch Arztserien können vor allem im Rückblick auf die letzten zehn bis fünfzehn Jahre einen wahnsinnigen Erfolg für sich verbuchen. Emergency Room schaffte es auf insgesamt fünfzehn Staffeln, Grey’s Anatomy ist zurzeit in der sechsten Staffel im deutschen Fernsehen zu sehen, und brachte sogar eine „Tochterserie“ heraus – auch Privat Practice läuft mit dem erwarteten Erfolg. Jedoch sind es nicht nur eben diese amerikanischen Produktionen, sondern auch Deutsche wie die Schwarzwaldklinik, welche die Zuschauer durchaus überzeugen und mich so zum Nachdenken anregten – wieso haben gerade Arztserien so großen Erfolg und wieso funktionieren sie immer und immer wieder?

Ein Krankenhaus ist ein Ort, den jeder kennt. Ob eigene oder fremde, jeder Mensch hat wohl persönliche Erinnerungen und Bezüge an ein Krankenhaus. In vielen Fällen dürften diese eher negativ ausfallen – ein Unfall, eine schlimme Krankheit oder sogar ein Todesfall – Krankenhäuser sind der Ort, mit welchem wir genau solche Dinge verknüpfen. Dies mag auch der Grund dafür sein, wieso man sich nicht gerne dort aufhält, warum man sich dort schnell unwohl fühlt und wieso einem dieser klinische Geruch nicht mehr aus dem Kopf geht, sobald man einmal ein Krankenhaus betreten hat.

Auf der anderen Seite kann ein Krankenhaus auch ein Ort für schöne Momente sein: die Geburt eines Kindes, eine gelungene Operation oder der Sieg über eine schlimme Krankheit. Zumindest eines steht fest: ein Krankenhaus ist ein Ort unserer Realität. Gesundheit, Krankheit, Leben und Tod – also zentrale Säulen unseres Lebens – finden genau dort statt. Eine Tatsache, die für den einen besonders schön, für den anderen wahnsinnig schlimm sein kann – ein Krankenhaus ist ein Ort emotionaler Extremsituationen.

Aber ist es allein das, was das Krankenhaus als Schauplatz einer Serie so besonders macht? Auf der einen Seite ist das Krankenhaus der perfekte Ort für eine Fernsehserie. Eine feste Gruppe von Ärzten – die in den meisten Fällen natürlich wahnsinnig gut aussehen, auch wenn sie schon seit 28 Stunden durchgehend arbeiten – trifft Folge für Folge auf die unterschiedlichsten Patienten. So wie das halt ist in einem Krankenhaus. Für eine Serie ist genau das sehr vorteilhaft! Immer wieder tauchen neue Charaktere auf und es entstehen dadurch neue Handlungsstränge, die dem Betrachter eine natürliche Abwechslung bieten. Eine Arztserie lebt von zwischenmenschlichen Beziehungen. Jedoch findet auch der Serien-Verkaufsschlager schlechthin in Arztserien reichlich Verwendung: Sex. Der mit dem, er mit ihr .. die Frage nach Realität muss in diesem Zusammenhang gar nicht erst gestellt werden, aber funktionieren tut es trotzdem. Eine Tatsache, die eine Arztserie zwar mit Sicherheit nicht von anderen Serien abhebt - dieses offensichtliche Geheimrezept findet nun mal überall Verwendung – sie jedoch trotzdem zu dem macht, was sie ist. Zu einer Serie mit großem emotionalem Aspekt.

Womöglich ist auch das der Grund, wieso der Großteil der Arztserien-Fans weiblich ist. Nicht nur die verworrenen und verstrickten Beziehungen zwischen Arzt und Ärztin, Patient und Krankenschwester fesseln die Zuschauer an den Bildschirm. Gerade die verschiedenen Schicksale, die Patientengeschichten und Krankheiten sind emotional mitreißend. Besonders weil das Krankenhaus eben ein so realer Ort ist, ist es dem Betrachter möglich sich schnell in das Geschehen hineinzufinden und mitzufühlen – ein „Suchtfaktor“, den die Arztserie im Vergleich zu anderen Serien womöglich auszeichnet.

Auf der anderen Seite ist jedoch gerade diese Realität, die Nähe und Wirklichkeit eines Krankenhauses als Schauplatz einer Fernsehserie etwas paradox. Ohne Zweifel sind die meisten Unfälle und Krankheitsbilder in Arztserien total überzogen und unwahrscheinlich dargestellt – dennoch beinhalten sie zentrale und immer anwesende Grundängste des Menschen: die Ängste vor Krankheit, Unfall oder sogar dem Tod. Natürlich sind auch diese Punkte gern gesehener Inhalt anderer Serientypen – jedoch ist es wohl trotzdem wahrscheinlicher nach einem Unfall im Krankenhaus zu landen als von CIS Special Agent Gibbs erschossen zu werden. Arztserien sind - trotz dramatischer und übertriebener Elemente – wahnsinnig nah und real. Der an einem Herzinfarkt gestorbene Mann könnte auch Opa sein - oder sogar der eigene Vater. Die an Krebs erkrankte Frau könnte einen selbst zeigen – in zwanzig Jahren. Aber wieso schauen wir uns das an? Ist es nicht irgendwie abartig dabei zuzusehen, wie sich Menschen verletzen, wie sie sterben – und das Folge für Folge?

Vielleicht ist es das - in gewisser Hinsicht. Auf der anderen Seite zeigt uns vielleicht gerade dieses Geschehen, dass es normal ist und irgendwie zum Leben dazugehört. Womöglich macht es uns Mut zu sehen, dass ein schweres Schicksal auch gut ausgehen kann. Möglicherweise ist eine Arztserie deshalb so erfolgreich, weil sie uns das moderne Bild eines Helden vermittelt? Einen Helden im weißen Kittel, der eben nicht mit Hilfe von Spinnenweben durch die Lüfte jagt, sondern sich als Mensch zeigt, mit Gefühlen und Problemen wie wir sie auch haben? Oder ist es einfach angenehm zu sehen, dass das Krankenhaus – ein Ort den jeder mit eigenen Erinnerungen und Gefühlen verknüpft – ein Ort sein kann wie jeder andere auch? Eben nicht weit entfernt und nur im Notfall mit Hilfe der „112“ erreichbar, sondern ganz normal und vielleicht sogar etwas sympathisch? Die Arztserie ist nun einmal etwas Besonderes unter den Serien. Und trotz ständiger Kritik an mangelnder Realität zeigt sich, dass sie gerade im Vergleich zu anderen Serientypen in diesem Punkt weit voraus ist. Schließlich interessiert sich auch niemand dafür, wieso Raumschiff Enterprise nun Krieg gegen andere Sterne führt, oder wieso die Personen in FlashForward von unbeschreiblichen Zukunftsvisionen heimgesucht werden. Das ist einfach so, und damit gibt sich der Zuschauer auch zufrieden. Deshalb darf man wohl auch von einer Arztserie nicht verlangen, total realistisch zu sein. Sie spielt an einem realen Ort, mit mehr oder weniger realen Personen, und zeigt uns – zumindest teilweise – reale Unfälle und Begebenheiten. Was will man mehr? Schließlich fehlt noch ein ganz wichtiger Punkt, der eine Serie zu einer guten Serie macht: sie muss unterhaltsam sein! Und – mit welchen Mitteln auch immer – das schafft die moderne Arztserie wohl eindeutig. Es soll schließlich Spaß machen, fesseln, süchtig machen. Und das kann sie ohne Zweifel – nicht viele Serien haben letzten Endes ganze fünfzehn Staffeln durchhalten können, oder?