TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.
Donnerstag, 5. September 2019
Fernsehen, dafür wurden Filme gemacht
Mittwoch, 24. Juli 2019
Serien enden!
I want you ist einer der längsten Songs, den die Beatles veröffentlicht haben. Er wiederholt nur wenige Worte, die die Liebe und das Verlangen John Lennons zu und nach Yoko Ono ausdrücken sollen, und lässt den Song in einem Fadeout ausklingen. Das Fadeout ist schön, aber auch lang, und dieser simple, aber auch verzweifelte Song scheint kein Ende zu finden. Das Ende beschert eine Schere, die das Tonband einfach durchschneidet – unglaublich brutal und abrupt, aber immerhin ein Ende. John Lennon mag sich das an dem Nouvelle Vague-Film Jules und Jim von François Truffaut abgeschaut haben, der seinen verspielten Liebesfilm auch abrupt enden lässt: mit einem herbeigeführten, aber unvorbereiteten Unfall, der ein Auto von einer Brücke stürzen lässt. I want you und Jules und Jim reflektieren damit auch über die Enden von Musik und von Film, vielleicht auch als eine Kritik an der Geschlossenheit, die Erzählungen und Musikstücke immer zu erzeugen versuchen. Tatsächlich wünschte ich mir, es gäbe auch bei Serien eine Schere, die einfach die die Episode durchschneidet, alle narrativen Fäden kappt und endgültig, kalt und schmerzlos alles beendet. Es ist manchmal eine Qual, dass Serien kein Ende finden.
Montag, 9. Februar 2015
Das Phänomen Bob Ross
Das Konzept der schlichten Glückseligkeit ist so simpel wie erfolgreich: Vor einer schwarzen Studiokulisse steht eine Leinwand und davor ein sanftmütiger Maler mit Farbpalette in der Hand.
Donnerstag, 29. Januar 2015
Alpenpanorama: Die Ränder des Fernsehens
Sonntag, 25. Januar 2015
ProSieben - Do you still entertain us?
Donnerstag, 22. Januar 2015
Die unvermeidliche Kritik zu Dschungelcamp: Nur weil wir keine Ausbildung haben...
Donnerstag, 15. Januar 2015
Der Verfall von Wer wird Millionär
Mittwoch, 7. Januar 2015
Das Lied von Manuel auf ZDF Kultur: Fernsehen das wehtut und die Macht der Populärkultur
Montag, 22. Dezember 2014
Die Weihnachtsmonotonie- Fluch oder Segen?
Donnerstag, 11. Dezember 2014
Bekenntnisse eines Skisprungfans
Dienstag, 17. Januar 2012
Kleine Ereignisse: Günter Jauch: Menschen, Bilder, Emotionen

Dienstag, 21. September 2010
Is it Cultural? Ein besonderer Moment mit Sam the Eagle aus der Muppet Show
Was ist Kultur? Diese Frage wird immer wieder von der Figur Sam the American Eagle in der Muppet-Show gestellt. Sam mischt sich immer dann ein, wenn er die Chance dazu sieht, hohe Kultur in diese seiner Ansicht nach kulturell recht unbedarfte Show zu integrieren. Dabei hat, wie einige Szenen der Show beweisen, Sam nicht so große Ahnung von Kultur und wirft immer wieder Begriffe und Autoren durcheinander, selbst zu dem von ihn so hochgeschätzten Shakespeare ist sein Wissen sehr rudimentär.
Sam, als Adler das Symbol eines konservativen amerikanischen Patriotismus verkörpernd, symbolisiert auch die Unsicherheit, die aus dem Kontrast von Hochkultur und Populärkultur entsteht. Er ist selbst eine komische Figur, die nur sehr unzulänglich, aber sehr bestimmt, um die eigene Würde ringt. Trotzdem ist er ein Fremdkörper. In einem seiner Gespräche mit seinem Chef Kermit, in der er wieder einmal seine Vorstellung von hoher Kultur ins Spiel bringen will, wird seine Verlorenheit deutlich, als Kermit im mitteilt, dass er eigentlich keine Ahnung habe, warum er in der Show ist und welche Funktion er darin hat.
Samstag, 11. September 2010
Der Wandel der Fernsehzeitschrift und ihre Bedeutung in der heutigen Zeit oder: Warum immer weniger Movie in der TV Movie steckt
Wie denkt man über eine Fernsehzeitschrift, die man Zeit seines Lebens zweiwöchentlich nach Hause geliefert bekommt und plötzlich beim Stöbern am Dachboden ein exakt 10 Jahre altes Exemplar in die Finger bekommt? Neben viel Nostalgie macht man sich Gedanken, was sich in der letzten Dekade verändert hat. TV Movie ist die besagte Zeitschrift mit der laut eigenen Angaben ‚Härtesten Filmredaktion Europas‘. Um es vorwegzunehmen: so hart wie sie sich ausgibt, ist sie nicht.
Mittwoch, 1. September 2010
Programmzeitschriften – vom Kiosk oder online?

Kampf der Geschlechter: Vergleich zwischen Männer- und Frauensender

Im deutschen Fernsehen gibt es keine zwei Sender, die so gegensätzlich ausgerichtet sind und das Gesamtpublikum derart nach Geschlechtern aufspalten, wie der neue Frauensender Sixx und der Männersender DMAX. Beide setzen auf ein sehr spezielles Programm, unterscheiden sich jedoch stark in ihrer Umsetzung.
Von Kompromissen und Wagnissen: Kinofilme im TV

von Christina Grundl
Als im März die Free-TV-Premiere des Blockbusters „Fluch der Karibik 3“ auf ProSieben ausgestrahlt wurde, gelang dem Sender ein fulminanter Quotenhit. Sage und schreibe sieben Millionen Zuschauer lockte das Piraten-Epos an - satte 40 Prozent der werberelevanten Zielgruppe. So viel hatte seit der Fußball-EM 2008 keine Sendung mehr erreicht. Die unglückliche Panne eines ProSieben-Mitarbeiters trat dabei eher ins Hintertreffen. Am besagten Sonntagabend vergaß der Bemitleidenswerte nämlich, den Schluss des Blockbusters einzulegen. Stattdessen ließ er das Programm nach dem letzten Werbeblock nahtlos weiterlaufen. Ein solcher Fauxpas ist an sich keine große Sache, der Sender entschuldigte sich und machte menschliches Versagen für den Fehler verantwortlich. Die letzte Sequenz war ohnehin nicht unbedingt essenziell für das Verständnis der Story – im Kino lief sie als Post-Credit-Szene nach dem Abspann.
Solch unglückliche Einzelfälle sind zwar ärgerlich, aber nur die Spitze des Eisbergs. Bei allem Komfort durch HD-Fernseher und gute Soundanlagen – ein Heimkinofreund muss sich auf einige Kompromisse einlassen. Die Werbeunterbrechungen, die den Zuschauer etwa alle 20 Minuten aus der Geschichte reißen und zurück in sein Wohnzimmer katapultieren, sind dabei das geringste Problem. Daran hat man sich nach fast 30 Jahren Privatfernsehen im Normalfall gewöhnt. Die Immersion, das tatsächliche Eintauchen in den Film wird vielmehr durch die Rezeptionssituation an sich erschwert. Sieht man sich einen Spielfilm werbefrei, beispielsweise auf einem öffentlich-rechtlichen Sender an, befindet man sich deswegen trotzdem noch zuhause. Im Gegensatz zum Kino schafft der Fernseher keine Realität - er ist Teil der Realität. In Günter Giesenfelds und Prisca Pruggers Arbeit zu Fernsehserien beschreiben sie das Fernsehen passend als „zweite Ebene von kontinuierlicher Lebenserfahrung, in der Fiktion und Alltagswelt sich verschlingen können“. Die Alltäglichkeit ist es gerade, welche die beiden Medien so stark voneinander abgrenzt – von der Bildgröße ganz zu schweigen. Anders als im Kinosaal ist der Zuseher im Wohnzimmer zeitlich, räumlich und sogar inhaltlich ungebunden. Und selbst wenn er nicht um- oder abschaltet oder sich ein neues Bier aus der Küche holt – allein die Möglichkeit dazu macht den Unterschied. Der Inhalt ist dabei fast nebensächlich, wie Marshall McLuhan bereits 1964 erkannte. „The Medium ist the Message“ – die Werbepausen tragen nur ihren Teil dazu bei.
Komplizierter wird es aber, wenn selbst dieser Rezeptionskompromiss immer weiteren Einschränkungen unterliegt. Ein passendes Beispiel hierfür ist der Trend zur Split-Screen-Werbung, also die parallele Ausstrahlung werblicher und redaktioneller beziehungsweise fiktionaler Inhalte. Werbung und Programm werden auf dem Bildschirm räumlich voneinander getrennt, per Gesetz ist eine eindeutige, optische Unterscheidung vorgeschrieben. So kann es also sein, dass sich unter der fliegenden Plastiktüte aus „American Beauty“ plötzlich ein stöhnender Homer Simpson ins Bild drängt, der einen überdimensionalen Doughnut vor sich her schiebt und für die neue „Simpsons“-Staffel wirbt. Auch die Praxis des langsameren Abspielens von Filmen durch den Sender ist kein Geheimnis. Dadurch lässt sich ein zusätzlicher Werbeblock im zuschauerstarken Programm platzieren, ohne den rechtlich festgelegten Abstand von 20 Minuten zwischen den Unterbrechungen zu unterschreiten. Durch solche Praktiken wird der Film nicht nur unterbrochen, sondern in seiner ästhetischen und sogar inhaltlichen Wirkung verfremdet. Noch extremer zeigt sich das in der gängigen TV-Praxis des nachträglichen Schneidens von Spielfilmen. Dabei muss es sich nicht unbedingt um brutale Horror- oder Sexszenen handeln. Am 27. Dezember 2009 zeigte RTL die Wiederholung des Peter-Jackson-Remakes vom Monster-Klassiker „King Kong“. Der Sender entschied sich dafür, den Film bereits nachmittags um 13:45 Uhr auszustrahlen. Der Kompromiss diesmal: 67 Schnitte und unglaubliche 23 Minuten Kürzung vom Original, das von der FSK ohnehin bereits für Zwölfjährige freigegeben worden war. Ob Peter Jackson das weiß?
Dabei handelt es sich nur um ein Beispiel von unzähligen, kaum ein Film wird uns im Privatfernsehen so gezeigt, wie er ursprünglich beabsichtigt war. Dabei stellt sich doch die Frage, wie viel den Sendern ein solcher Kinofilm wert ist. Muss man gewaltlastige Action- oder Horrorfilme unbedingt vor 23:00 Uhr senden und dabei schlechte Schnitte und Anschlussfehler billigend in Kauf nehmen? Wie wichtig ist es den Sendern überhaupt, dem Zuschauer einen bestmöglichen Fernsehabend mit einem guten Film zu bieten? Der Lizenzhandel funktioniert längst nicht mehr nur mit Einzeltiteln. In „package deals“ werden bis zu 100 Spielfilme auf einmal gekauft. Die A-Titel funktionieren dabei als Zugpferde. Blockbuster gibt es aber nur in Kombination mit weniger attraktiven B- und C-Titeln. Offenbar sind einige Verantwortliche glühende McLuhan-Fans – der Inhalt wird überbewertet. Das würde auch ProSiebens kleines Piratenunglück in völlig anderem Licht erscheinen lassen.
Dabei muss es nicht so sein. Die meisten öffentlich-rechtlichen Sender bemühen sich durchaus, Kinofilme möglichst in ihrer Originalfassung und sogar im Originalformat auszustrahlen, auch wenn das manchmal zu seltsamen schwarzen Balken an allen vier Seiten des Bildschirmes führt. Ein Fernseher, egal wie dünn und groß, ist und bleibt ein Fernseher und keine Kinoleinwand. Trotzdem wäre es falsch zu fordern, Kinofilme nicht mehr ins TV-Programm aufzunehmen. Das Fernsehen hat im Laufe der Zeit einen großen, wenn auch nicht unverzichtbaren Beitrag zur Entwicklung einer Filmkultur beigetragen. Vor dem Siegeszug von DVD und Internet stellte es die einzige Vermittlungsinstanz zwischen Filmgeschichte und Gegenwart dar.
Erst am gestrigen Samstagabend wagte arte dabei einen interessanten Versuch und kooperierte dafür sogar mir einem eher ungeliebten Kollegen – der „Bild“-Zeitung. Gezeigt wurden Alfred Hitchcocks „Bei Anruf Mord“ von 1953 und der Horrorfilm „Der Schrecken vom Amazonas“ aus dem Jahr 1954 – in 3D! Um möglichst viele Zuschauer anzusprechen wagte arte einen gelungenen Marketing-Coup. Die Brillen lagen der aktuellen Ausgabe der „Bild“-Zeitung bei, die ihrerseits komplett in 3D-Optik gedruckt war. arte dabei die Absicht zu unterstellen, auf den 3D-Zug aufspringen zu wollen, ist - hat man den Film gesehen - völlig ungerechtfertigt. Das Polarisationsverfahren mit den rot-grünen 3D-Brillen ist kaum mit aktuellen Techniken zu vergleichen. Tatsächlich hatte Alfred Hitchcock bereits ein halbes Jahrhundert vor James Camerons „Avatar“ mit der Technik experimentiert – damals übrigens, um dem drohenden Kinosterben entgegen zu wirken. Im Gegensatz zu den hyperrealen tiefschichtigen Ansichten eines „Avatar“ wirken die rot-grünen Pappbrillen fast süß und irgendwie kultig. Auch wenn die strapazierten Augen nach 101 Minuten irgendwann nach Erlösung schreien und der zweifellos raffinierte Hitchcock-Klassiker auch zweidimensional Spaß gemacht hätte, von solchen Wagnissen wünscht man sich mehr im Fernsehen – auch von den Privatsendern.
Es muss ja nicht gleich ein 50er-Jahre-Film sein, etwas mehr Wertschätzung und Gegenliebe gegenüber dem Werk von Filmschaffenden würde schon genügen. Schließlich gelten Spielfilme als entscheidende Investition in die Marke des Senders, nicht zuletzt weil Werbekunden etwa fünf Mal soviel in sie investieren, wie in TV-Produktionen. Daneben profitiert auch die Filmindustrie von Lizenzvergaben an Fernsehsender. Etwa ein Viertel der Einnahmen eines Kinofilms resultieren aus der nachgelagerten TV-Vermarktung, von den DVD-Verkäufen ganz abgesehen. Anders könnten die horrenden Budgetaufwendungen auch nicht mehr refinanziert werden. Sah sich die Kinoindustrie in den 50er und 60er Jahren noch durch das aufstrebende neue Medium Fernsehen in Gefahr, ist aus der einstigen Konkurrenz eine Interdependenz geworden, die für die Zuschauer ebenso sinnvoll sein sollte, wie für Fernsehmacher und Filmschaffende.
Grey’s Anatomy, Emergency Room und Co.: Arztserien und wieso sie immer wieder funktionieren

Das heutige Fernsehprogramm ist gefüllt von Serienformaten aller Art. Abenteuer Serien, Fantasy Serien und Krimiserien begeistern schon lange eine große Anzahl von Zuschauern. Serien sind beliebt, sie fesseln und funktionieren im Grunde alle nach einem ähnlichen Prinzip: umso höher das „Suchtpotenzial“ – umso besser die Serie.
Auch Arztserien können vor allem im Rückblick auf die letzten zehn bis fünfzehn Jahre einen wahnsinnigen Erfolg für sich verbuchen. Emergency Room schaffte es auf insgesamt fünfzehn Staffeln, Grey’s Anatomy ist zurzeit in der sechsten Staffel im deutschen Fernsehen zu sehen, und brachte sogar eine „Tochterserie“ heraus – auch Privat Practice läuft mit dem erwarteten Erfolg. Jedoch sind es nicht nur eben diese amerikanischen Produktionen, sondern auch Deutsche wie die Schwarzwaldklinik, welche die Zuschauer durchaus überzeugen und mich so zum Nachdenken anregten – wieso haben gerade Arztserien so großen Erfolg und wieso funktionieren sie immer und immer wieder?
Ein Krankenhaus ist ein Ort, den jeder kennt. Ob eigene oder fremde, jeder Mensch hat wohl persönliche Erinnerungen und Bezüge an ein Krankenhaus. In vielen Fällen dürften diese eher negativ ausfallen – ein Unfall, eine schlimme Krankheit oder sogar ein Todesfall – Krankenhäuser sind der Ort, mit welchem wir genau solche Dinge verknüpfen. Dies mag auch der Grund dafür sein, wieso man sich nicht gerne dort aufhält, warum man sich dort schnell unwohl fühlt und wieso einem dieser klinische Geruch nicht mehr aus dem Kopf geht, sobald man einmal ein Krankenhaus betreten hat.
Auf der anderen Seite kann ein Krankenhaus auch ein Ort für schöne Momente sein: die Geburt eines Kindes, eine gelungene Operation oder der Sieg über eine schlimme Krankheit. Zumindest eines steht fest: ein Krankenhaus ist ein Ort unserer Realität. Gesundheit, Krankheit, Leben und Tod – also zentrale Säulen unseres Lebens – finden genau dort statt. Eine Tatsache, die für den einen besonders schön, für den anderen wahnsinnig schlimm sein kann – ein Krankenhaus ist ein Ort emotionaler Extremsituationen.
Aber ist es allein das, was das Krankenhaus als Schauplatz einer Serie so besonders macht? Auf der einen Seite ist das Krankenhaus der perfekte Ort für eine Fernsehserie. Eine feste Gruppe von Ärzten – die in den meisten Fällen natürlich wahnsinnig gut aussehen, auch wenn sie schon seit 28 Stunden durchgehend arbeiten – trifft Folge für Folge auf die unterschiedlichsten Patienten. So wie das halt ist in einem Krankenhaus. Für eine Serie ist genau das sehr vorteilhaft! Immer wieder tauchen neue Charaktere auf und es entstehen dadurch neue Handlungsstränge, die dem Betrachter eine natürliche Abwechslung bieten. Eine Arztserie lebt von zwischenmenschlichen Beziehungen. Jedoch findet auch der Serien-Verkaufsschlager schlechthin in Arztserien reichlich Verwendung: Sex. Der mit dem, er mit ihr .. die Frage nach Realität muss in diesem Zusammenhang gar nicht erst gestellt werden, aber funktionieren tut es trotzdem. Eine Tatsache, die eine Arztserie zwar mit Sicherheit nicht von anderen Serien abhebt - dieses offensichtliche Geheimrezept findet nun mal überall Verwendung – sie jedoch trotzdem zu dem macht, was sie ist. Zu einer Serie mit großem emotionalem Aspekt.
Womöglich ist auch das der Grund, wieso der Großteil der Arztserien-Fans weiblich ist. Nicht nur die verworrenen und verstrickten Beziehungen zwischen Arzt und Ärztin, Patient und Krankenschwester fesseln die Zuschauer an den Bildschirm. Gerade die verschiedenen Schicksale, die Patientengeschichten und Krankheiten sind emotional mitreißend. Besonders weil das Krankenhaus eben ein so realer Ort ist, ist es dem Betrachter möglich sich schnell in das Geschehen hineinzufinden und mitzufühlen – ein „Suchtfaktor“, den die Arztserie im Vergleich zu anderen Serien womöglich auszeichnet.
Auf der anderen Seite ist jedoch gerade diese Realität, die Nähe und Wirklichkeit eines Krankenhauses als Schauplatz einer Fernsehserie etwas paradox. Ohne Zweifel sind die meisten Unfälle und Krankheitsbilder in Arztserien total überzogen und unwahrscheinlich dargestellt – dennoch beinhalten sie zentrale und immer anwesende Grundängste des Menschen: die Ängste vor Krankheit, Unfall oder sogar dem Tod. Natürlich sind auch diese Punkte gern gesehener Inhalt anderer Serientypen – jedoch ist es wohl trotzdem wahrscheinlicher nach einem Unfall im Krankenhaus zu landen als von CIS Special Agent Gibbs erschossen zu werden. Arztserien sind - trotz dramatischer und übertriebener Elemente – wahnsinnig nah und real. Der an einem Herzinfarkt gestorbene Mann könnte auch Opa sein - oder sogar der eigene Vater. Die an Krebs erkrankte Frau könnte einen selbst zeigen – in zwanzig Jahren. Aber wieso schauen wir uns das an? Ist es nicht irgendwie abartig dabei zuzusehen, wie sich Menschen verletzen, wie sie sterben – und das Folge für Folge?
Vielleicht ist es das - in gewisser Hinsicht. Auf der anderen Seite zeigt uns vielleicht gerade dieses Geschehen, dass es normal ist und irgendwie zum Leben dazugehört. Womöglich macht es uns Mut zu sehen, dass ein schweres Schicksal auch gut ausgehen kann. Möglicherweise ist eine Arztserie deshalb so erfolgreich, weil sie uns das moderne Bild eines Helden vermittelt? Einen Helden im weißen Kittel, der eben nicht mit Hilfe von Spinnenweben durch die Lüfte jagt, sondern sich als Mensch zeigt, mit Gefühlen und Problemen wie wir sie auch haben? Oder ist es einfach angenehm zu sehen, dass das Krankenhaus – ein Ort den jeder mit eigenen Erinnerungen und Gefühlen verknüpft – ein Ort sein kann wie jeder andere auch? Eben nicht weit entfernt und nur im Notfall mit Hilfe der „112“ erreichbar, sondern ganz normal und vielleicht sogar etwas sympathisch? Die Arztserie ist nun einmal etwas Besonderes unter den Serien. Und trotz ständiger Kritik an mangelnder Realität zeigt sich, dass sie gerade im Vergleich zu anderen Serientypen in diesem Punkt weit voraus ist. Schließlich interessiert sich auch niemand dafür, wieso Raumschiff Enterprise nun Krieg gegen andere Sterne führt, oder wieso die Personen in FlashForward von unbeschreiblichen Zukunftsvisionen heimgesucht werden. Das ist einfach so, und damit gibt sich der Zuschauer auch zufrieden. Deshalb darf man wohl auch von einer Arztserie nicht verlangen, total realistisch zu sein. Sie spielt an einem realen Ort, mit mehr oder weniger realen Personen, und zeigt uns – zumindest teilweise – reale Unfälle und Begebenheiten. Was will man mehr? Schließlich fehlt noch ein ganz wichtiger Punkt, der eine Serie zu einer guten Serie macht: sie muss unterhaltsam sein! Und – mit welchen Mitteln auch immer – das schafft die moderne Arztserie wohl eindeutig. Es soll schließlich Spaß machen, fesseln, süchtig machen. Und das kann sie ohne Zweifel – nicht viele Serien haben letzten Endes ganze fünfzehn Staffeln durchhalten können, oder?