TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Sonntag, 25. Januar 2015

ProSieben - Do you still entertain us?

von Sebastian Pleischl


"We Love To Entertain You!" - mit diesem Motto mischt ProSieben seit 2010 die deutsche Fernsehlandschaft gehörig auf, oder? Als einer der beiden Hauptsender des Medienhauses ProSiebenSat.1 Media ist ProSieben einer der derzeit erfolgreichsten Privatsender im deutschsprachigen Raum. Diese Media AG bestehend aus den beiden Flaggschiffen ProSieben und Sat.1, den Töchtern kabel eins, sixx, ProSiebenMAXX, N24 und weiteren Free-TV- und Pay-TV-Sendern entstand 2000 im Zuge der Fusion von ProSieben und Sat.1.


ProSieben ist neben RTL der größte Privatsender im deutschsprachigen Raum (gemessen an der Quote in der relevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen) und kämpft mit selbigem Sender seit Jahrzehnten um die Gunst des Zuschauers. Ist man als Fernsehzuschauer ehrlich zu sich selbst, so muss man sich wohl eingestehen, dass man entweder zum ProSieben-/Sat.1-Lager gehört, oder sich lieber vom luxemburgischen Konkurrenten unterhalten lässt. Doch unterscheiden sich beide Sender so extrem voneinander, dass solch eine Zugehörigkeitspräferenz überhaupt möglich ist? Betrachtet man die bevorzugt und hauptsächlich gesendeten Formate und die Programmgestaltung, im Folgenden am Beispiel von ProSieben, wird dem ein oder anderen vielleicht klar, dass dies sehr wohl möglich sein kann. Um aufgebrachte oder empörte Kritiker gleich im Voraus zu bremsen, muss ich gestehen, dass ich diese Präferenz hin zu einer der beiden Sendergruppen an mir selbst festgestellt habe und daraus, natürlich fälschlicherweise, von mir auf andere schließe. Doch vielleicht liege ich mit meiner Beobachtung auch gar nicht so falsch und lasse im Moment die Rezeptionserfahrung einiger Leser in einem völlig neuen Licht erscheinen. 
Im Vergleich zu anderen Sendern vertraut ProSieben seit mehreren Jahren in erster Linie auf Serien und Sitcoms. Gerade im Vormittags-/Nachmittags- und Nachtprogramm stellen die oftmals aus den USA stammenden Formate eine gewisse Quotensicherheit dar. Betrachtet man hierbei die Programmgestaltung anderer privater Sender wird schnell deutlich, dass ProSieben in dieser Hinsicht eine Sonderstellung unter dem mittlerweile großflächig verbreiteten Reality-, oder, wie es der Volksmund flapsig bezeichnet, Trash-Formaten einnimmt. Auch an verschiedenen Mottoabenden wird der Zuschauer mit seriellem Material gefüttert. Im Laufe der Jahre war von Comedy-Dienstag über Mistery-Monday, oder dem aktuellen Montagsprogramm, dem Mad-Monday, für jeden Geschmack etwas dabei.  
Seit einigen Jahren stellt der Donnerstag einen exklusiven Platz für Eigenproduktionen dar. Auf dieser Bühne versuchen neben Quotengaranten wie Germanys Next Topmodel und The Voice of Germany immer wieder teils innovative und mutige Formate ihr Glück. Formate die in den letzten Jahren diese Position mehr oder minder erfolgreich einnahmen sind unter anderem Got to Dance, Keep Your Light Shining, Catch The Millionaire oder The Anti-Social-Network. Sollte der ein oder andere nun fragend die Stirn runzeln, da er einige dieser Formate weder gesehen, noch etwas von ihnen gehört hat, so kann ich ihn an dieser Stelle beruhigen und verweise auf einen folgenden Absatz, der sich den ProSieben-Flops widmen wird. Abgerundet wird das ProSieben Programm mit zur Prime Time ausgestrahlten modernen Spielfilmen. Diese findet man in der TV-Zeitschrift in erster Linie am Wochenende, oder an Feiertagen, wenn die Serienhelden Pause haben. Verlässt ProSieben am Wochenende dann doch einmal den Walk of Fame, dann nur, weil ein großes Show-Event ins Haus steht. Seien es Raabsche Events, oder die Unterhaltungspopstars Joko und Klaas - die Samstagabend-Shows sind meiner Meinung nach, neben den diversen Serien und Sitcoms, das eigentlich imagegebende Element bei ProSieben. Zu behaupten dies sei nur bei ProSieben so wäre natürlich nur die halbe Wahrheit. Auch andere Sender wie beispielsweise RTL definieren sich zum Großteil über ihre Samstagabend-Shows (z.Bsp. DSDS, Das Supertalent, etc.). 
 Mit den zuletzt genannten ProSieben-Formaten wären wir auch schon bei den Erfolgs- und Quotengaranten angelangt. Aushängeschild, heimlicher Chef und in erster Linie Glücksfall für ProSieben ist das Multi-Talent Stefan Raab. Nach meiner Einschätzung der Mann, der wie kein anderer die letzten Jahre des Fernsehens dominiert und revolutioniert hat. Mit seinen von Raab TV eigens produzierten Samstag-Abend-Events wie Schlag den Raab, dem TV Total Turmspringen, der Wok-WM, Autoball Welt- und Europameisterschaften, oder dem Bundesvision-Song-Contest, um nur eine kleine Auswahl zu nennen, verwandelt Raab seit über 15 Jahren eine geniale Idee nach der anderen zu Gold. Darüber hinaus könnte man fast vergessen, dass er sich mit der Late-Night-Show TV total schon seit 1999 und mehr als 2000 Sendungen relativ stabil im Spätabendprogramm hält. Ähnliche Erfolge kann bei ProSieben nur das investigative Journalisten-Duo Joko und Klaas vorweisen. 
Mit ihrer 2013 gestarteten Late-Night-Show Circus HalliGalli und den Samstag-Abend-Shows Das Duell um die Welt, 17 Meter oder dem neu angelaufenen Freundschaftstest Mein bester Feind ziehen sie zum einen in erster Linie junge Zuschauer an und sorgen zum anderen mit ihren teilweise bizarren und grenzüberschreitenden Inhalten für ProSiebens Ruf als Enfant terrible der deutschen Fernsehlandschaft. Ein Image mit dem ProSieben nur zu gern spielt, betrachtet man Formate wie Himmel oder Hölle genauer. Seit einigen Jahren betreibt ProSieben nämlich aktiv eine jugendgerichtete Programmpolitik und nimmt dabei heftige Kritik für Joko und Klaas-Formate oder Sendungen wie Himmel oder Hölle in Kauf. Weniger naiv betrachtet: Man erhofft sich genau eben diese Diskussionen über Verlust des guten Geschmacks, oder Grenzen, die im TV eingehalten werden sollten. Diese Firmenpolitik scheint aufzugehen: ProSieben ist besonders in "seiner" Zielgruppe der 14 - 29-Jährigen mit durchschnittlich 18% Marktanteil sehr erfolgreich. 
Doch nicht alles was der Sender aus Unterföhring auf die deutschen Mattscheiben schickt ist so erfolgreich. So gab es für ProSieben in den letzten Jahren auch mehrere Misserfolge hinzunehmen. Darunter Formate wie das an früherer Stelle bereits genannte Anti-Social-Network, das nach lediglich einer Testfolge abgesetzt wurde, oder etliche Serien, wie Sleepy Hollow, deren Ausstrahlung nach nur wenigen Wochen wieder eingestellt wurde. Der größte Flop der jüngeren TV-Geschichte und damit auch der von ProSieben bleibt Die Millionärswahl, welche als anfangs innovatives Samstag-Abend-Event geplant, mit großer Marketing-Kampagne angepriesen und letztlich als Internet-Stream, ob der Notwendigkeit einer Siegerermittlung, zu Ende gebracht wurde. Kein Format offenbarte in letzter Zeit derart viele Fehler in Konzeption und Umsetzung, sodass auch Stefan Raabs Show-Praktikant Elton diese Produktion nicht retten konnte. 
Diese Fernseh-Events, egal ob mehr oder weniger erfolgreich, stellen jedoch nur einen kleinen Teil des Programms dar und ermöglichen dem Zuschauer daher nur wenig Abwechslung zu der mittlerweile seit mehreren Jahren laufenden Dreifaltigkeit von ProSieben: How I Met Your Mother, Two and a Half Men und The Big Bang Theory. Diese drei Serien/Sitcoms bestimmen nach wie vor das Programm und laufen in ihren schätzungsweise hundertsten Wiederholungen, wobei dies keinesfalls eine Übertreibung sein soll, da man ein und dieselbe Folge bis zu drei oder vier mal in einer Woche sehen kann. Dank dieser extremen Regelmäßigkeit des Wiederholens von einzelnen Folgen und Staffeln werde ich wahrscheinlich nicht der einzige sein, der sich dadurch eine beachtliche Textsicherheit innerhalb der einzelnen Folgen angeeignet hat. Nichtsdestotrotz verharren sowohl Verantwortliche als auch die Zuschauer bei ihren Lieblingen. Ein Phänomen, das ich mir nur anhand von Alternativlosigkeit, sowohl bei Sender als auch Zuschauer, einer sicheren Einfachheit und einem gewissen Gewohnheitseffekt erklären kann. Man könnte sie als Nudeln mit Tomatensauce der deutschen Fernsehlandschaft bezeichnen: eine einfache, schnelle Lösung, die zwar keinesfalls aufregend oder spektakulär ist, jedoch auch nicht enttäuscht, da man ja nicht zum ersten Mal darauf zurückgegriffen hat. Und so laufen die Wiederholungen munter weiter und neben der Frage, wie die Darsteller von Ted, Sheldon oder Charlie wohl heute aussehen und in welchem Seniorenstift sie untergebracht sind, bleibt dem Zuschauer nur abzuwarten, wann ProSieben den Speiseplan ändert. Zugegeben, auch bei anderen Sendern hat sich mit diversen Reality-Formaten eine gewisse Routine über die letzten Jahre eingestellt, sodass es ungerecht wäre ProSieben allein diesen Vorwurf zu machen. Scheinbar hat sich eine gewisse Ideenlosigkeit und Müdigkeit im ProSieben-Lager ausgebreitet, was sich durch die Tatsache, dass selbst die eigentliche Ideenmaschine Stefan Raab seit über zwei Jahren kein neues Format etablieren konnte bestätigt. Und so wird es wohl auch in nächster Zeit Nudeln mit Tomatensauce geben...


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