TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 13. Januar 2015

»Scheidung muss nicht bedeuten, dass das Experiment gescheitert ist.«




Kein Kuss beim Jawort, kein Sex in der Hochzeitsnacht. SAT. 1 prüde Neu-Definition von Ehe in der Sendung Hochzeit auf den ersten Blick

von Tim Ende
Das Konzept der Sendung Hochzeit auf den ersten Blick, deren erste Folge am 16.11.2014 auf SAT. 1 ausgestrahlt wurde, ist so provokant wie einfach. Ein Mann und eine Frau geben sich auf dem Standesamt das Jawort. Daran ist nichts Neues, das Besondere bei dieser Trauung sind jedoch die Umstände. Passend zum Namen der Sendung geschieht die Trauung, ohne dass sich die Partner je zuvor gesehen haben. Ähnlich wie ein Blind Date – bloß auf einem höheren Level.


Das klingt erst mal ziemlich verrückt. Ist es auch. Um die geistige Verfassung der Sendeverantwortlichen vor dem Zuschauer aber nicht völlig in Frage zu stellen, hat  sich SAT. 1 etwas Spezielles einfallen lassen. Die Paare werden nach „wissenschaftlichen“ Kriterien von sogenannten Experten ausgesucht, die der festen Überzeugung sind, ein perfektes „Match“ gefunden zu haben. Tindern für Profis sozusagen. Die Zusammensetzung dieses Experten-Teams wirkt etwas willkürlich (ein Theologe, eine Psychoanalytikerin, ein Wohnpsychologe und eine Matching-Expertin). Doch die Professionalität der Experten wird dadurch unterstrichen, dass sie sich in einem Hörsaal über mögliche Paar-Konstellationen beraten. Dating im Auftrag der Wissenschaften also. Passend hierzu wird aus dem Off ständig der Slogan der Sendung abgespielt: »Kann aus purer Wissenschaft das Gefühl der ganz großen Liebe werden?« 
Doch so merkwürdig wie dieses Sozialexperiment auch aussehen mag, es scheint zu funktionieren – zumindest für den Sender SAT. 1. Denn die Einschaltquoten sind nach wie vor recht hoch. Aber auch für den Zuschauer ist die Sendung nicht uninteressant. Das Experiment ist außergewöhnlich und deswegen spannend. Der Zuschauer erlebt die Hochzeit, Flitterwochen und den Alltag der unterschiedlichen Paare. Das Aufbauen der Beziehung wird von Anfang an mitverfolgt und so eine gewisse Identifikation geschaffen. Man fühlt und leidet mit. 
Höhepunkt der Sendung vom 07.12.2014 ist natürlich die bevorstehende Trauung eines sich noch völlig unbekannten Paares. Die Kandidaten werden auf dem Weg zur Hochzeit und bei den Vorbereitungen intensiv vom Experten-Team betreut. Dabei fragt man sich allerdings manchmal, ob der ständige Bezug zu diesen und deren zum Teil belanglose Kommentare eher die Sendung an sich oder die Experten selbst rechtfertigen sollen. Denn wenn diese mit Tipps wie »Wichtig ist, dass Sie sich nicht unter Druck setzen« der Braut vor der Hochzeit Mut machen wollen, ist das zwar nett gemeint, bei einem derart waghalsigen Unterfangen wirkt dieser Tipp jedoch völlig aus der Luft gegriffen. 
Eine Hochzeit unter diesen Umständen wirkt skurril – und so skurril fallen dann auch die für eine Hochzeit anfallenden Formalitäten aus. Wenn sich das Paar im Trau-Saal das erste Mal sieht, herrscht leichte Irritation, wie man miteinander umgehen soll. In-die-Augen-Schauen, ja oder nein? Kuss nach der Trauung, ja oder nein? Und wohin bloß mit den Händen? Doch diese Unsicherheiten wirken nicht so konstruiert wie die Umstände der Hochzeit, sondern natürlich und somit sympathisch.
Dass sich dieses Format für einen Sender wie SAT. 1 besonders gut eignet, ist nicht verwunderlich. Denn für einen Sender, dessen Spezialitäten Liebes-Shows (Kai Pflaume mit Nur die Liebe zählt) sowie kitschige Liebesfilme (SAT. 1 FILMFILM) sind, muss die twilight’sche Zurückhaltung der Frischvermählten wie Schmieröl im Rad der Prüderie wirken. Und auch die Experten scheinen hier wieder ihren passenden Kommentar parat zu haben, wenn sie sagen: »Gerade in der Distanz untereinander entsteht Ehe«. Perfekte Voraussetzungen für eine glückliche Beziehung also? Wir dürfen gespannt sein – denn sicherlich folgt bald eine „Was wurde aus...?-Sendung, die wieder viele Zuschauer vor die Fernsehbildschirme locken wird.

1 Kommentar:

  1. Damit es nicht zu streitigkeiten kommt hilft es oft einen Hochzeitscoach zuzuziehen, da kommt man auch nicht durcheinander und macht sich auch selber das leben leichter :)

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