TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 13. Januar 2015

Frauentausch: (Un-)lustig um jeden Preis

  von Lyubov Walth

Zitate wie „Für mich ist wichtig gesundes Essen, frisches Essen, weil es gesund ist. Für meine Kinder kanns schon mal aus der Dose sein.“ , „Bio ist für mich Abfall“ , „Wurst und Brot haben keinen Zucker, deswegen machen sie auch nicht dick“ haben sie berühmt gemacht. Regelmäßige Zuschauer der Sendung wissen vermutlich um wen es sich handelt: die Rede ist natürlich von Nadine, die den Spitznamen „die dümmste Frau der Welt“ trägt. Im Jahr 2011 hat die arbeitslose Nadine, die ihre Kinder hauptsächlich mit gesunder Wurst und vitaminreichem Erdbeerkäse füttert, die Rolle mit einer Ökö-Mutter getauscht, die ihre Familie mit Kräutern und Gemüse aus dem eigenen Garten ernährt. In dieser Folge verblüffte die Tauschmutter die Zuschauer nicht nur mit kuriosen Kochkünsten und mangelnden Lesefähigkeiten, sondern auch mit zahlreichen anderen dubiosen Aktionen.

Sie ist jedoch nicht die einzige „Berühmtheit“, die aus einer 11 jährigen Ausstrahlung dieser Sendung herausgeht. Auch „Der Meerschweinchen-Mann“ und „Aggro-Andi“ dürften vielen ein Begriff sein. Die, erstmals am 14.Juli 2003, wöchentlich auf RTL II  ausgestrahlte Sendung ist eine 90-minütige deutsche Doku-Soap, die auf der Idee der britischen Sendung „Wife Swap“ basiert. Das Konzept beinhaltet einen zehntägigen Austausch zweier Mütter, die in der neuen Familie die Aufgaben der dort lebenden Mutter übernehmen sollen. Oft kriegen die Tauschmütter auch Anregungen voneinander, was sie an ihrer Familie stört und die andere versuchen soll zu lösen. Dabei werden meistens Frauen aus gegensätzlichen Familien ausgewählt: Happy-Family vs. Macho-Clan, Putzteufel vs. Messis, oder auch Glaubensfanatiker vs. Atheisten. Schon bei der Auswahl zweier solcher Extreme sind Streitigkeiten und die Rechtfertigung außergewöhnliche Ansichten vorprogrammiert.

 
 



Nachdem sich die Mütter von ihren Familien verabschiedet haben, geht es zeitweilig in die neue Heimat, in der sie ihr neues Heim erstmals alleine erkunden dürfen und die Zettelbotschaften der Tauschmutter lesen. Diese sollen den Tauschmüttern jedoch nicht nur ihre Aufgaben verdeutlichen, sondern diese auch bloßstellen. Die Zettelbotschaften sind nämlich des Öfteren übersät mit Grammatik- und Rechtschreibfehlern und es wird keine Gelegenheit ausgelassen auf diese hinzuweisen, z.B. durch mehrfache Wiederholung der eingespielten Stimme, die sich durch die ganze Sendung zieht und das Geschehen kommentiert. Auch etliche Gedankenäußerungen und unglückliche Formulierungen durch die Tauschmutter werden vom Kommentator durch niveaulose Anmerkungen ins Lächerliche gezogen. Bei der Besichtigung des neuen Wohnorts sind auch viele Szenen mit einem dazu passendem Lied untermalt: eine extrem ungepflegte und altmodische Tauschmutter erklärt, dass sie keine Styling Produkte verwendet, weil sie auf Natürlichkeit setzt. Dabei wird Xavier Naidoos Lied „Ich kenne nichts, dass so schön ist wie du“ eingespielt. Wo der Kommentator sich nicht selber darüber lustig macht, werden bestimmte Mittel, wie das Einspielen von Liedern, Klängen oder Cartoon Ausschnitte verwendet, um auf eine seltsam wirkende Äußerung oder ein Verhalten aufmerksam zu machen und die Zuschauer zum Lachen zu bringen. Jeder noch so kleine Fauxpas, der den Zuschauern oft nicht mal auffallen würde, wird aufgegriffen und überspitzt dargestellt. Und wenn der Kommentator mal einige Sekunden nichts an der Tauschmutter zu bemängeln hat, macht er eben Witze über die im Haushalt lebende Katze und es wird ein Schlagerlied über Katzen eingespielt. Nach der selbständigen Besichtigung dürfen die Tauschmütter endlich ihre Tauschfamilien kennenlernen. Am Anfang verstehen sich noch alle gut, doch nach kurzer Zeit, als die Tauschmutter anfängt den Haushalt oder die Lebenseinstellung der Familie zu kritisieren und hinterfragen, gibt es die ersten Ausraster. Die Tauschfrau wird beleidigt und verhöhnt und flieht in ein Hotel oder weint sich in den Schlaf. Es gibt aber auch Treffen, bei denen es harmonischer zugeht und die Ruhe vor dem Sturm mehrere Tage andauert. Denn manche Frauen versuchen nicht gleich am ersten Tag das Familienleben völlig auf den Kopf zu stellen und sich so die Familie zum Feind zu machen, sondern sie bemühen sich die ersten Tage nach den Regeln der Tauschfamilie zu leben.  Am fünften Tag ist Halbzeit- Regeländerung ist angesagt. Hier dürfen die neuen Mütter alles kritisieren, was ihnen nicht gefällt und neue Regeln für ein friedlicheres Zusammenleben aufstellen - falls sie die Spielregeln nicht gebrochen haben und dies schon gleich am ersten Tag getan haben. Spätestens hier ist die Harmonie bei vielen Familien vorbei. Denn nur wenige Familienmitglieder nehmen die neuen Regeln an, der Rest verweigert jegliche Vorschläge und versucht ab dem Zeitpunkt der Tauschmutter das Leben schwer zu machen. Das Verhalten und die Reaktionen der Familienmitglieder, aber auch der Tauschmütter, wirken jedoch oft sehr gekünstelt und wenig authentisch und als Zuschauer vermutet man, dass es sich dabei nicht um die wahre Persönlichkeit des Menschen handelt, sondern so von den Machern des Formats vorgegeben ist, um möglichst viel Dramatik und Action in die Sendung einzubringen (vor allem wenn die Tauschmutter anfängt von der Form und der Größe des Geschlechtsteil ihres Mannes zu berichten). 
Um das große Heimweh der Tauschfrauen ein wenig zu lindern, gibt es für beide Mütter eine Videobotschaft von ihren Liebsten, in denen sie warme Worte zu hören bekommen. Aber es geht auch anders: in einer Folge teilt ein kleiner Junge seiner Mutter mit, dass die neue Tauschmutter besser sei als sie, und seine Mutter nicht wieder nach Hause kommen soll. Über diese Aussage kursierten viele Spekulationen, bis kurze Zeit später heraus kam, dass der Junge von den Produzenten der Sendung zu dieser Äußerung gedrängt wurde.
Nach zehn Tagen ist das Experiment nun endlich vorbei, doch bevor es nach Hause geht, treffen die aufgewühlten Tauschmütter aufeinander. Nicht selten kommt es dabei zu Auseinandersetzungen, Beleidigungen und in manchen Fällen auch zu Handgreiflichkeiten, weil die Frauen die harte Kritik an ihrer Familie, an ihnen selbst und ihrem Lebensstandard nicht ertragen. Zu Hause angekommen und von der Familie begrüßt, sind einige dankbar über die gemachte Erfahrung, viele hätten sie sich jedoch gerne erspart. 
Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass das Experiment, in dem zwei Frauen ihre Familien tauschen, eher eine Randerscheinung der Sendung ist. Sofern man das Format überhaupt ein Experiment nennen kann, da zahlreiche Aussagen und Verhaltensweisen der Teilnehmer durch einen Vertrag von den Produzenten vorgegeben sind. In erster Linie geht es nämlich um die bewusste Entwürdigung und Blamage der Kandidaten, die der Sendung auch schon mal eine Klage wegen Verletzung der Menschenwürde einbrachte, um so die Zuschauer zu locken. Je dümmer, schlampiger, tollpatschiger und verhaltensauffälliger ein Teilnehmer wirkt bzw. dargestellt wird, desto mehr bleiben die Rezipienten am Format hängen und schalten auch zur nächsten Episode rein, um sich erneut über derart vorgeführte Leute zu amüsieren. Gelegentlich scheinen sich die Produzenten selber zu übertreffen und kreieren  Persönlichkeiten wie den „Aggro-Andi“ oder „Nadine- die dümmste Frau der Welt“, die in die Geschichte von Frauentausch eingehen. Das Konzept, sich in einer Sendung über andere Menschen lustig zu machen, ist an sich nichts Neues, das ist aus zahlreichen Casting-Shows bekannt. Doch die Kandidaten  an Verträge zu binden und sie zu bezahlen, um aus ihnen Witzfiguren machen zu dürfen und es dann als ein Experiment zu verkaufen, ist  wiederum ein anderes Level als Casting-Shows. Am Ende einer Folge frage ich mich dann, war an diesen Menschen (bzw. an ihrem Verhalten und ihren Kommentaren) irgendetwas echt oder ist es nur ein schlecht geschriebenes Theaterstück der Produzenten gewesen?

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