TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 21. September 2010

Is it Cultural? Ein besonderer Moment mit Sam the Eagle aus der Muppet Show

von Herbert Schwaab

Was ist Kultur? Diese Frage wird immer wieder von der Figur Sam the American Eagle in der Muppet-Show gestellt. Sam mischt sich immer dann ein, wenn er die Chance dazu sieht, hohe Kultur in diese seiner Ansicht nach kulturell recht unbedarfte Show zu integrieren. Dabei hat, wie einige Szenen der Show beweisen, Sam nicht so große Ahnung von Kultur und wirft immer wieder Begriffe und Autoren durcheinander, selbst zu dem von ihn so hochgeschätzten Shakespeare ist sein Wissen sehr rudimentär.
Sam, als Adler das Symbol eines konservativen amerikanischen Patriotismus verkörpernd, symbolisiert auch die Unsicherheit, die aus dem Kontrast von Hochkultur und Populärkultur entsteht. Er ist selbst eine komische Figur, die nur sehr unzulänglich, aber sehr bestimmt, um die eigene Würde ringt. Trotzdem ist er ein Fremdkörper. In einem seiner Gespräche mit seinem Chef Kermit, in der er wieder einmal seine Vorstellung von hoher Kultur ins Spiel bringen will, wird seine Verlorenheit deutlich, als Kermit im mitteilt, dass er eigentlich keine Ahnung habe, warum er in der Show ist und welche Funktion er darin hat.

Als Kermit ihn nach seiner Familie fragt, kommt heraus, dass sein Legen keineswegs den amerikanischen family values folgt, er geschieden ist und wenig Kontakte zu seinem Sohn hat.

Trotz seiner Verbissenheit ist Sam auch eine sehr sympathische, eine tragische Figur. Sein Ringen um Würde, sein Wunsch, als Muppetfigur, als griesgrämiger Vogel, so etwas wie Ernsthaftigkeit in dieser verrückten, tierischen Showbizwelt einzufordern, kommt vor allem in diesem Ausschnitt zum Ausdruck. Von dem Pianisten und Hund Rowlf dazu eingeladen, mit ihm einen Song großer Operettenkomponisten (Gilbert und Sullivan) darzubieten, sieht er mal wieder seine Chance gekommen, für etwas hohe Kultur zu sorgen. Das Ergebnis ist ein entwürdigender Auftritt, der ihn darauf reduziert, den Gesang immer wieder mit Singvogelgeräuschen zu unterbrechen, für einen stattlichen Adler mehr als eine Demütigung. Er quält sich durch den Vortrag, er schlägt die Hände vor dem Kopf zusammen, er will der Situation entfliehen, er versteht vor allem sehr gut, dass diese Nummer nicht seinen Wünschen entspricht. Die Frage "But is it cultural", die Rowlf mit ja beantwortet, führt ihn auf die falsche Fährte. Auch in einer anderen Szene, als der Komiker Marty Feldman in der Sendung auftritt, lässt er sich durch dessen englische Herkunft, für Sam ein Ausweis für eine kulturelle Hochrangigkeit dieser Person, dazu verleiten, mit ihm in einer schrillen Bühnennummer aufzutreten, die auch diesmal demütigend endet.

Der Song mit Rowlf ist für mich einer der schönsten Momente der Show, vielleicht auch, weil ich mich mit Sam the American Eagle und seiner Verlorenheit in der Welt identifizieren kann. Er ist und bleibt ein Muppet, er ist in diese Welt geworfen und versucht sich etwas von seiner Würde zu bewahren, aber er kann nicht aus seiner Haut. Allerdings handelt es sich hier auch um eine überaus interessante Frage: Is is cultural? In den 1980er Jahren hätte man die Frage noch mit Nein beantwortet, weil Fernsehen nicht als Kultur betrachtet wurde. Spätestens mit dem Werk des Cultural Studies Vertreter John Fiske, "Television Culture" von 1987, beginnt sich eine andere Sichtweise durchzusetzen und vielleicht kann man auch erst heute wirklich bewerten, wie großartig, wie (populär-)kulturell die Muppets wirklich waren. Die Show hat mit ihren zumeist tierischen Figuren Archetypen geschaffen. Manchmal hat man den Eindruck, dass Figuren wie das Biest Alexis Carrington aus Dynasty (Denver Clan) mit ihren großen Gesten nach Miss Piggy modelliert wurde und nicht umgekehrt. Auch viele Heavy Metal Schlagzeuger scheinen sich am Look und Auftreten des Schlagzeugers der Hausband orientiert zu haben, viele schüchterne Menschen sind wiederum Wiedergänger des ängstlichen Beaker, der von Prof. Morgenthau immer wieder für eigenartige und gefährliche Experimente verwendet wird. Und auch der depressive und mit wenig Selbstbewusstsein ausgestattete Komiker Fozzy Bär ermöglicht sehr leicht die Identifikation aller unsicheren Menschen mit ihm.

Die Muppet-Show schafft durch ihre Figuren eine große Nähe zu ihren Zuschauer, aber sie ist auch überaus (post-)modern in der Art, wie sie die Populärkultur imitiert und parodiert, etwa wenn ein Haufen wilder Wikinger den YMCA Song In the Navy auf ihrem Drachenboot zum besten gibt. Kontraste, Transfigurationen, Intertextualität, Verschiebungen und Widerspiegelungen aller Art haben die Muppetshow zu einem Gegenstand gemacht, der die Frage danach, Is it Cultural?, sehr leicht und eindeutig beantworten lässt. Vielleicht mag das für Sam the American Eagle ein kleiner Trost sein.

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