TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 14. September 2010

Eine Apokalypse und ihre Folgen: Jericho - Der Anschlag

von Florian Grassler

Was tun, wenn eine Regierung zusammen bricht? Und mit ihr die Versorgung des ganzen Landes? Wenn sich Unmut und Angst breitmachen? Und wie kann es überhaupt dazu kommen? Jericho – Der Anschlag gibt Antworten.
Die post-apokalyptische Fernsehserie spielt in einem kleinen Ort namens Jericho, Kansas. Gerade als Jake Green (Skeet Ulrich) nach fünf Jahren wieder in seine Heimatstadt zurückkehrt geschieht die Katastrophe deren Folgen in insgesamt 29 Episoden abgehandelt werden. Am Horizont erscheint ein enormer Atompilz und nach kurzer Zeit wird klar, dass das nahegelegene Denver zerstört wurde. Die Kleinstadt Jericho ist daraufhin von der Außenwelt abgeschnitten: keine funktionierenden Kommunikationsmittel, kein Strom, kein Wasser, keine Vorräte. Und niemand scheint zu wissen was genau geschehen ist.

Die Serie passt demnach perfekt in die amerikanische Gesellschaft, die spätestens seit September 2001 mit der ständigen Angst vor Terroranschlägen leben muss.
Was ist geschehen? Wer steckt dahinter? Wer hat überlebt und wie geht es weiter? Jerichos Bevölkerung ist geschockt und auf sich allein gestellt. Sie sehen sich in den ersten Episoden etlichen Problemen konfrontiert: strahlungsverseuchter Regen der die Menschen dazu zwingt Schutz zu suchen, der Wiederaufbau des Stromnetzes um unter anderem das Krankenhaus wieder zu versorgen, eine brennende Schule deren Flammen auf die nebenstehenden Gebäude überzuspringen drohen usw. Doch der richtige Ärger beginnt erst als Truppen aus den umliegenden Dörfern, denen es ebenso schlecht geht, anfangen Transporter zu überfallen und die Krankenhäuser der Umgebung zu plündern. Doch den Bürgern von Jericho gelingt es, vor allem dank Jake der eine Führungsrolle übernimmt, immer wieder die Probleme zu lösen und die Stadt zu beschützen.
Neben der Haupthandlung der Serie werden noch viele weitere, private Angelegenheiten thematisiert. Darunter die Geschichte von Stanley Richmond (Brad Beyer) der zusammen mit seiner gehörlosen Schwester Bonnie Richmond (Shoshannah Stern) auf einer Farm lebt die von Mimi Clark (Alicia Coppola), einer Mitarbeiterin der Steuerbehörde, geprüft wird. Aus anfänglichem Hass entwickelt sich zwischen Stanley und Mimi eine Liebesbeziehung.
Auch das Leben der Familie Green spielt eine wichtige Rolle. Die Differenzen zwischen Jake und seinem Vater Johnston Green (Gerald McRaney) stehen dabei im Vordergrund. Letzterer ist verstimmt, da sein Sohn ohne Begründung für fünf Jahre verschwunden war.
Die gute schauspielerische Leistung von Skeet Ulrich (Jake) in dieser Serie gab mit Sicherheit den Ausschlag in der Wahl der Besetzung für das neue Law & Order-Spin-off, Law & Order: Los Angeles in der er der neue Hauptdarsteller sein wird.
Im Laufe der ersten Staffel zeichnet sich die Rolle des mysteriösen Robert Hawkins (Lennie James)immer deutlicher ab. Durch ihn erfährt der Zuschauer, dass neben Denver 22 weitere Großstädte in den USA durch Atombomben zerstört wurden. Hawkins der als Ex-Polizist nach Jericho kam und sich später als ehemaliger FBI-Mitarbeiter ausgibt ist in Wahrheit ein CIA-Agent der mit den Anschlägen in Verbindung steht. Er hält sogar die letzte Atombombe als Beweis versteckt.
Gegen Ende der Staffel bahnt sich ein Krieg mit der Nachbarstadt New Bern an. Deren Einwohner sind zwar, wie sich herausstellt deutlich besser ausgerüstet, weil sie heimlich eine Munitionsfabrik betreiben, aber dennoch will sich Jericho nicht kampflos ergeben. In der letzten Folge kommt es schließlich zum Kampf in dem Jakes Vater stirbt. Vermutlich würden weitere sterben, wenn nicht plötzlich eine Militärarmee aus dem Nichts auftauchen und Jericho zu Hilfe kommen würde. Doch wer sind diese Helfer und woher kommen sie?
Mit dieser Frage im Raum endet die erste Staffel und CBS gibt bekannt die Serie wegen schwacher Einschaltquoten absetzen zu wollen. Die von dem abrupten Ende ihrer Lieblingsserie enttäuschten Fans starteten Rettungsversuche in Form von tausenden „save Jericho“-Internetseiten und Unterschriftensammlungen. Als Konsequenz auf die Szene der letzten Folge, in der Jake auf das Drängen zur Aufgabe seinem Gegenüber nur „Nuts“ entgegnete (eine Anspielung auf eine Begebenheit aus dem 2. Weltkrieg, bei der General Anthony McAuliffe seinem Gegner auf die gleiche Frage mit „Nuts“ antwortete)wurde CBS mit Nüssen terrorisiert. Laut nutsonline.com wurden beim Sender ca. 20 Tonnen Nüsse abgeliefert. Die Verantwortlichen entschieden sich aufgrund dieser enormen Protestwelle doch noch eine 7 Folgen umfassende zweite Staffel zu drehen, die allerdings hauptsächlich dazu dienen soll der Serie einen würdigen Abschluss zu ermöglichen.
Die Retter von Jericho am Ende der ersten Staffel entpuppen sich in der zweiten als das von den Allied States of America (ASA) gesandte Militär. Diese neue Regierung versucht nach und nach alle Staaten für sich zu gewinnen. Jennings & Rall, eine Behörde der ASA, übernimmt nun in Jericho das Kommando, sorgt für Frieden mit New Bern und stellt die Ordnung in der Stadt wieder her. Doch bald entdecken Jake und Hawkins, dass die ASA hinter den Anschlägen stecken und auch die restlichen Bürger Jerichos sind mit der radikalen und korrupten Führung nicht einverstanden. Um die Machenschaften der ASA zu enthüllen versuchen die beiden die verbliebene Atombombe nach Texas, dem letzten Staat der sich noch nicht der ASA angeschlossen hat, zu transportieren.
Dies gelingt ihnen nach einer Reihe von Problemen natürlich auch und die Serie endet mit der Gewissheit, dass nun alles aufgedeckt werden kann und das Land vor einem erneuten Neuanfang steht.
Die Serie lebt von vielen kleinen Geheimnissen, die nach und nach alle entschlüsselt werden. Aus anfänglicher Ungewissheit und der Suche nach Gut und Böse ergibt sich im Laufe der zwei Staffeln für den Zuschauer ein funktionierendes, gut durchdachtes und spannendes Ganzes. Die vielen Rätsel um die Hintergründe der Explosionen, die Vorgeschichten der Protagonisten und der Wiederaufbau eines ganzen Landes halten den Beobachter auf Trab und erzeugen eine Spannung die sich durch die komplette Serie zieht. Die privaten und persönlichen Geschichten in den Nebenhandlungen helfen dabei sich mit der einen oder anderen Figur zu identifizieren oder zumindest mit ihr zu sympathisieren. Es ist faszinierend zu beobachten, wie sich die Menschen nach einer solchen Katastrophe zusammenschließen. Auch wenn es mal zu Unstimmigkeiten kommt, ziehen am Ende alle an einem Strang und versuchen für jeden das Beste aus der Situation zu machen. Werte wie Solidarität, Familienzusammenhalt und, vor allem für die Amerikaner besonders wichtig, Vaterlandstreue kommen nicht zu kurz.
Die zweite Staffel ist leider auf sieben Episoden beschränkt, was zur Folge hat, dass die Geschichte recht schnell zu einem Ende kommen muss. Und das merkt man leider auch. Was in der ersten Staffel noch zwei Folgen gefüllt hätte wird in der zweiten Staffel in kurzer Zeit abgehandelt. Aber dennoch bleibt die Spannung der Serie bestehen und auch die Qualität erleidet keinen Abbruch.
Was tun wenn eine Regierung zusammenbricht? Und mit ihr die Versorgung des ganzen Landes? Wenn sich Unmut und Angst breitmachen? Und wie kann es überhaupt dazu kommen?
Zusammenhalten, sich organisieren, sich gegenseitig unterstützen und die eigenen Werte und Prinzipien nicht aufgeben. Nur so ist ein geordnetes Leben nach einer solchen Katastrophe, wie wir es in Jericho miterlebt haben, möglich.
Attentate in diesem Ausmaß sind für uns unvorstellbar, doch wer kann schon vorhersagen was nach dem Ende des Maya-Kalenders, der den Weltuntergang für Dezember 2012 vorhersagt, geschehen wird. Vielleicht sind diejenigen die Jericho gesehen haben und etwas daraus gelernt haben ein klein wenig im Vorteil. Hoffen wir das Beste.

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