TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 1. September 2010

Action à la Hollywood im eigenen Wohnzimmer

von Susanne Wolf


Wenn ich mich Donnerstagabend vor meinen Fernseher knalle, beginne ich erst einmal damit, dass ich durch alle Programme zappe und mich von der Flut an Informationen - aber auch Unsinnigem – berieseln lasse. Letzten Donnerstag bin ich dann zur Primetime bei RTL hängen geblieben und habe mich der unrealistischen und übertriebenen Darstellung einer Actionserie à la Hollywood hingegeben. Es handelt sich um „Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei“. Semir Gerkhan und die zwei Streifenpolizisten Hotte und Bonrath sprechen über den Polizeifunk mit dem anderen Kriminalhauptkommissar Ben Jäger, der gerade beim nächsten Dönerstand war und für seine Kollegen die falschen Mittagsimbisse gekauft hat. Plötzlich erhält er einen ominösen Anruf von einer Frau, die ihm mitteilt, dass ein gewisser Häftling namens Wolf aus dem Gefängnis entkommen sei und sie Angst um ihr Leben habe. Jäger wird im gleichen Moment von einem Auto gerammt und von der Straße in ein stillgelegtes Gebäude gedrängt. Semir macht sich sofort auf den Weg, da er seinen Kollegen nicht mehr über Funk hört und ein schlechtes Gefühl hat. Schon diese Gefühlsduselei - und das unter Männern – bringt mich zum Schmunzeln. Schon hier beginnt eine totale Übertriebenheit. Wahrscheinlich ist das die Strategie der Produzenten, um die Zuschauer bei Laune zu halten und sie am Weiterschalten zu hindern. Es wird versucht, den Zuschauer durch gegenseitige Sticheleien der Polizisten bei Laune zu halten, sie aber auch mit einer großen Menge an Action zu versorgen. Gut- dann bleibe ich eben auch noch etwas bei den Autobahnpolizisten hängen. Nun wird der Vorspann eingespielt- u.a. fallen die Worte „Gefahr“ und „Risiko“, die eine männliche Stimme mit dramatischem Unterton vorliest und die auch auf dramatische Weise eingeblendet werden.

„Ihr Revier ist die Autobahn.
Ihr Einsatz heißt: volles Tempo
Ihre Gegner von heute: extrem schnell und gefährlich.
Verbrechen ohne Limit – Jeder Einsatz volles Risiko
für die Männer von Cobra 11.“

Jetzt sollte die Spannung steigen. Klar interessiert es mich, wie es weitergeht… Also lasse ich mich weiterberieseln. Das Problem dieser Serie ist nur, dass man sich wirklich berieseln lassen kann und nicht großartig mitdenken bzw. miträtseln muss, wie man es vom deutschen Tatort oder den amerikanischen CSI- Reihen her gewohnt ist. Gerkhan und Jäger ermitteln seit 2008 zusammen, wobei Semir Gerkhan seit der 3. Folge (1993) bei der Serie mitspielt und der Serienliebling geworden ist, um den sich das größte Geschehen dreht, da er in regelmäßigen Abständen seine Kollegen bei einem Einsatz verliert, aber auch sein Privatleben im Mittelpunkt steht, weil er mittlerweile mit Andrea, der ehemaligen Sekretärin ihres Dezernates, verheiratet ist und die beiden auch schon zwei kleine Mädchen zusammen haben. So hält sich der Privatsender RTL die Serie immer als Höhepunkt für den Krimiabend einmal wöchentlich in der Primetime vor. Und kommen die Regisseure und Schauspieler einmal nicht mit dem Drehen hinterher, dann sendet der Privatsender einfach eine Staffel als Wiederholung, die auch weiterhin gute Einschaltquoten bringt. Diese liegen im Durchschnitt bei 3,5 Millionen Zuschauern pro Abend, wobei die 200. Ausgabe eine Einschaltquote von 5,14 Millionen Zuschauern hatte, da die Folge in Spielfilmlänge ausgestrahlt wurde. Nun jedoch weiter in der spannenden Geschichte, die mich nicht mehr vom Fernseher wegsehen lässt… Der Ausreißer Wolf will sich an seiner Ehefrau und Ben rächen und hält Ben Jäger als Geisel, um so an seine Ex zu kommen. Da der Täter äußerst rachsüchtig ist, schlägt er den Kommissar bewusstlos, lässt ihn in einen Sarg legen und lebendig begraben- der Sarg ist natürlich mit einem Luftloch und einer Kamera versehen, womit der Ausbrecher sein Opfer per Computer beobachten kann. Schon hier werden die neuesten technischen Errungenschaften gezeigt- eben wie wir es mittlerweile fast täglich bei den CSI- Folgen und anderen amerikanischen Formaten vorgeführt bekommen. Nach einer Werbeunterbrechung, die inzwischen sieben Minuten dauert und von der ich ziemlich angenervt bin, geht das spannende Geschehen um die Entführung unseres Kommissars weiter. Ich muss noch ergänzen bzw. einräumen, dass ich in den Werbepausen immer versuche das Programm zu wechseln, da ich nicht der wahre Werbejunkie bin… Aber wer ist das denn eigentlich schon?! Nur habe ich das Gefühl, dass sich die Sender mittlerweile schon in etwa absprechen, wann sie Werbepausen einfügen und stimmen sich allem Anschein nach auf die gleichen Zeiten ab. Ich habe nämlich in der RTL- Werbepause auf Vox umgeschaltet, aber dort war auch Werbung. Was vielleicht auf die RTL-VOX-Fusion zurückzuführen ist… Danach habe ich Sat1, Pro7 und Co ausprobiert, aber dort kann auch spätestens nach 1 Minute Werbung. So- was machen? ARD und ZDF entsprach an dem Abend nicht meinem Interessenbereich, auf die Toilette muss man auch nicht jede halbe Stunde und auf Süßigkeiten hatte ich auch keine Lust… Hmm… Nun stand ich vor der Entscheidung: a) sollte ich mir diese stupide Werbung ansehen oder b) gehe ich in meiner Wohnung herum und suche mir für sieben Minuten eine neue Beschäftigung, um mich danach wieder der Alarm-für-Cobra-11-Berieselung hinzugeben? Ich entschied mich für a) – machte aber einen für mich geeigneten Kompromiss und schaltete den Fernseher auf lautlos. Endlich war die Werbung vorbei, begibt sich Semir zu einem vermeintlichen Zeugen, verhört diesen und bedroht ihn. So soll es spannend wirken und zeigen, dass er in großer Sorge um seinen Kollegen ist. Mich beeindruckt das weniger, da es immer das gleiche Gezeter ist und andauernd nach einem Schema abläuft. Auch viele „lustige“ Szenen werden eingeblendet und sollen zur Belustigung bei Fernsehpublikum führen. In den dramatischsten Momenten reißen die beiden Hauptkommissare Witze. Die beiden Streifenpolizisten Hotte und Bonrath geben derweil Wolf´s Ex Zeugenschutz und zeigen sich (wie in jeder Folge) als sehr einfühlsam und verständnisvoll und tragen auch ihre kleinen Zänkereien aus. Nun verwenden die Serienmacher eine gute Kameratechnik und machen einen Rückblick, der die Gendanken der Kronzeugin darstellen soll. So wird dem Zuschauer suggeriert, dass er in dem ganzen Geschehen involviert ist. Dank der neumodischen Techniken sind die Leute der Autobahnpolizei dazu fähig, dass sie innerhalb von ein paar Stunden den Standort des Häftlings herausfinden und ihn stellen wollen- ganz voran Semir, der seinen Partner retten will. Wolf entkommt jedoch dem SEK und Semir und entflieht mit einem Boot. Nun kommt eines der bedeutendsten dramaturgischen Mittel von Alarm für Cobra 11 zum Einsatz: die waghalsigen und doch total überdrehten Stunts, die die Ferne zur Realität immer deutlicher machen. Rein zufällig findet Semir ein Jetski und verfolgt Wolf, der ihn nach einer langen Verfolgungsjagd jedoch überlistet- Semir kommt knapp mit dem Leben davon. Um die Notlage des Kollegen weiter zu dramatisieren werden weitere Kameratechniken verwendet. Der Zuschauer wird anhand der Aufnahmen durch mehrere Erdschichten hindurchgeführt und landet bei Ben Jäger im Sarg. Somit erfolgt eine Spannungssteigerung und der Zuschauer fühlt sich auch überlegen, da er das Geschehen aus vielen Blickwinkeln verfolgen kann. So wird mir bewusst, dass sich die Regisseure hier in Deutschland gleichen Techniken wie die Hollywoodproduzenten bedienen, um das Geschehen spannender darzustellen und auch dem Zuschauer zu ermöglichen, dass er die Vorfälle aus vielen verschiedenen Blickwinkeln betrachten kann. Auch kommt Hartmut – der Techniker - ein weiteres Mal zum Zug, da er Ben via modernster Handyortung durch mehrere Erdschichten hindurch orten kann und Semir und das SEK seinen Kollegen im ALLERLETZTEN Moment kurz vor dem Ertrinken retten können, da ein spontaner Regenschauer eingesetzt hat. Dieser Part kommt mir wirklich sehr überzogen vor- aber anscheinend werden solche Szenen favorisiert, da sie in jeder Folge wiederzufinden sind. Muss man so die Zuschauer am Geschehen festnageln? Ich stelle mir diese Frage mittlerweile des Öfteren, wenn ich eine neue Serie im Fernsehen anschaue. Wieso muss alles so überzogen oder doch absehbar sein? Die meisten Produzenten verwenden ähnliche Mittel und so kann auf einfache Weise der Ausgang schon im Vornherein bestimmt werden. Und man liegt zu 80 – 90 % immer richtig mit seiner Vermutung. Oh- da hat sich aber ein großer Fehler eingeschlichen. Ben Jäger wird ja im letzten Moment aus seinem Grab befreit und dort ist er eigentlich schon ganz unter Wasser gelegen. Und was ist die nächste Szene? Kurze Umarmung von Semir und Ben - nach einer kurzen Verschnaufpause für den zuvor Gefangenen laufen die beiden schnell zum Auto, um sich um die Entführte zu kümmern. Nächste Sequenz: beide sitzen trocken und sauber im Auto. So kommt mir die Darstellung immer weniger authentisch vor. Nun folgt eine Verfolgungsjagd, da die Sekretärin mittlerweile den Aufenthaltsort von Wolf und seiner Ex herausgefunden hat und via nochmaliger Ortung auch Semir und Ben auf dessen Spur sind. Natürlich kommen die beiden Polizisten nun an einen heißen roten Flitzer, der ganz zufällig im Parkhaus steht und dessen Schlüssel neben dem Wagen liegt. Langsam aber sicher wird das Geschehen schon grotesk. Die Verfolgungsjagd wird als äußerst spannend und brenzlig dargestellt, kommt mir aber auch wieder sehr unrealistisch und überzogen vor, da Wolf die Autobahn blockiert und die beiden Kommissare dann einfach auf die andere Autobahnseite fahren und die Verfolgung als Geisterfahrer aufnehmen. Wirklich sehr absurd… Nun ist es auch vorbei mit der Berieselung, da ich nur noch den Kopf schütteln muss über solch ein Maß an Übertreibung und Absurdität. Zum Glück schnappen die Beiden den Fliehenden, indem sie ihn und seine Ex kurz vor der Explosion von deren Auto aus ihrem Fahrzeug retten. Wolf wird verhaftet, Ben tröstet dessen Ex und albert mit seinen Kollegen herum. Fazit der Cobra- Folge: Ben soll doch bitte zum nächsten Imbiss fahren und das Abendessen für sich und die Kollegen holen. So ist auch wieder eine Kurve zum Vorspann geschlagen. Nun zu meinem Fazit: Berieselung schön und gut. Aber ob ich mich wieder so einer Art von Berieselung aussetzen werde, weiß ich noch nicht. Diese Folge sollte mir eigentlich zum Abschalten dienen- ich konnte mich jedoch am Schluss nur noch aufregen über dumme Anfängerfehler der Produzenten und die Absurdität dieser Serie. Nach dem Ende dieser Folge dachte ich mir, ob denn die Zuschauer in manchen Punkten zum Narren gehalten werden sollen. Die Autokennzeichen AP stehen stupiderweise für Autobahnpolizei. In so einem Moment wünsche ich mir doch etwas mehr Kreativität für einige Produzenten deutscher Formate und denke auch, dass es oft besser wäre, wenn eigene deutsche Formate wieder auf dem Vormarsch und nicht schlechte Nachahmungen von US-Serien zu sehen wären.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen