TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 1. September 2010

„Willkommen zu den aktuellen Nachrichten, es ist Sonntag Abend Zwanzig Uhr“


von Jana Kodadova
Ein ganz gewöhnlicher Abend, die Familie kommt zusammen, isst zu Abend, alle erzählen von ihrem Tag, die Kleinen vom Kindergarten oder der Schule und die Eltern lassen den Alltagsstress von sich abfallen. Es findet das gemütliche Familienleben statt, doch kurz vor Acht machen es sich alle vor dem Fernseher bequem, nicht um sich schon rechtzeitig auf das heutige Abendprogramm vorzubereiten, sondern um sich über das Geschehen in der Welt des heutigen Tages zu informieren. Dieses Ritual kennt vermutlich jeder. „Pssst wir wollen das hören!“, ertönt allabendlich in Richtung der Kinder, denn es beginnen die Nachrichten. Für den Nachwuchs sind die 15 Minuten Politik, Wirtschaft, Wetter, Krieg und Umweltkatastrophen der Tagesschau im Ersten nicht sonderlich unterhaltsam, dennoch nimmt oft die ganze Familie an dieser Gewohnheit teil, um vielleicht später auch mit ihrer eigenen so vor dem Fernseher zu sitzen. Seit dem 26. Dezember 1952 strahlt die ARD die Tagesschau täglich um Punkt 20 Uhr aus und versucht das Geschehen der Welt innerhalb von 15 Minuten zu erklären. 

Doch seit 1993 gibt es eine direkte Konkurrenz der Tagesschau, die „ RTL II News“. Zur gleichen Zeit werden die „vielseitig unterhaltsamen – aber auch seriösen und glaubwürdigen“ Nachrichten, wie sie die Redaktion von RTL 2 bezeichnet, gesendet. Hier kann man erleben wie verschieden eine Nachrichtensendung aufgebaut sein kann. Es ist Sonntag der 29. August 2010 und auf beiden Sendern beginnt die Zusammenfassung des heutigen Geschehens. Die Tagesschau beginnt mit der Innenpolitik und somit mit Angela Merkel und dem aktuellen Thema der Atomkraftwerk-Laufzeiten. Die Bundeskanzlerin selbst erscheint auf dem Bildschirm und erklärt ihre Pläne, unterstützt wird sie durch eine männliche Stimme, die alles in einem beruhigenden Ton zusammenfasst bzw. ergänzt, wobei oft und gerne Fachsprache und Fremdwörter benutzt werden. Dieser Bericht dauert ungefähr zwei Minuten. Der Einspieler zeichnet sich durch wenig Schnitt aus, es gibt keinen schnellen Zoom oder andere dynamische Kamerabewegungen. Die Stimme von Angela Merkel, die des Kommentators, die dezente Kameraführung und die blau unterlegten Titel- und Nameneinblendungen ergeben zusammen ein ruhiges, dezentes Gesamtbild. Judith Rakers sitzt im blauen Tagesschau-Studio und moderiert im perfekten Nachrichten-Sprecher Ton das nächste Thema an. Ganz anders läuft das auf RTL II ab. Zunächst fällt auf, dass hier im Stehen moderiert wird und dies in einem roten Studio. Bereits auf den ersten Blick sind Unterschiede zu erkennen. Miriam Schneiders ist sehr jung und ist mit einem schwarzen Stiftrock und geblümter Bluse zwar dezent, aber sehr modisch gekleidet. In der Tagesschau fällt die Kleidung der Moderatorin kaum ins Auge, denn sie ist nicht ausschlaggebend für die Inhalte der Sendung. Das Konzept bei RTL 2 ist ein anderes, „ … die News werden von jungen Menschen für junge Menschen gemacht.“ Darauf basiert die 10 Minütige Nachrichtensendung. Innerhalb von drei Minuten werden die Nachrichten aus Politik und Wirtschaft gezeigt. Die einzelnen Spots sind meist nicht länger als 30 Sekunden, so berichtet RTL 2 auch über Merkels Atomenergie- Pläne, allerdings nur kurz und bündig, unterlegt mit Musik und kommentiert von einer männlichen schnell sprechenden Stimme. Dem Zuschauer werden die wichtigsten News in einem rasenden Tempo gezeigt, es bleibt kaum Zeit, um die Nachrichten zu verinnerlichen oder gar darüber nachzudenken. Viel wichtiger ist für dieses Nachrichtenformat, dass Paris Hilton wegen Drogenbesitz verhaftet wurde. Dieser Bericht nimmt 1:45 Minuten der News ein, das scheint der perfekte Übergang zu den VIP- News zu sein. Und als diese vorbei sind, folgt ein kurzer Einblick in den Sport und das morgige Wetter. Die RTL II News bilden das Kontrastprogramm, während man im Ersten versucht als Moderator korrekt und unauffällig zu sein, ist man bei RTL2 modisch gekleidet und spricht eindeutig lauter als bei der Konkurrenz. Das Konzept der jungen Nachrichten soll dynamischer und moderner als das der Tagesschau sein. Durch das knallige Rot, die Musik, verwackelte Kamerabilder und den vielen Neuigkeiten aus der Welt der Promis lockt man die 15 bis 30- Jährigen vor den Bildschirm – und es funktioniert. Die Tagesschau verliert ihre jungen Zuschauer, denn die Nachrichten auf RTL II haben keine schlechtere Qualität, nur weil sie auf Fachjargon verzichten, sie sind durch die Kürze vermutlich attraktiver für ein junges Publikum. Der schlechte Ruf der News hat seine Ursache darin, dass Klatsch und Tratsch zu viel Platz in einer eigentlichen Nachrichtensendung einnehmen. Die Inhalte des Fernsehens versuchen nicht nur die Bedürfnisse der Zuschauer zu befriedigen, sondern geben auch ein Bild der aktuellen Gesellschaft wieder. Doch bedeutet das, dass das heutige Publikum sich nicht ein Mal die Zeit nimmt um sich über die Welt zu informieren? Sondern mehr daran interessiert ist, was die Prominenten auf ihrem Tagesplan haben, oder welche neuen PC-Spiele auf dem Markt sind. Es ist schade, dass kritische Stimmen laut werden die Tagesschau sei zu alt und konservativ, denn nicht alles muss jung und spritzig sein. In einer Sendung in der von Naturkatastrophen und Krieg berichtet wird, sollte es nicht unbedingt nötig sein spritzig und modern herüberzukommen, da sind eher Zurückhaltung und Feingefühl gefragt. Der Jugend ist es zu anstrengend sich in der Politik und ihren Fachbegriffen, die im Ersten geschildert werden, zurechtzufinden. Denn glücklicherweise gibt es eine Alternative – die RTL II News, die die selben Inhalte kürzer und einfacher präsentieren. Positiv ist, dass wenigstens diese drei Minuten tatsächliche Nachrichten gesehen werden, denn anders bildet sich der durchschnittliche Jugendliche, was das allgemeine Nachrichtewesen angeht, kaum weiter. Die Leser der qualitativ hochwertigen Zeitungen gehen zurück, das Internet boomt, aber kaum jemand liest im Netz Nachrichten. Nachrichtpräsentation besteht immer aus „ Attention“ und „Information“. Bei den RTL II News ist der Aufmerksamkeitsfaktor sehr hoch gehalten, bei der ARD ist eher der Informationsgehalt das Wichtige. Man sollte versuchen ein Mittelmaß zu finden. Da stellt sich die Frage, wie es sich weiter entwickelt? Werden die News der Stars und Sternchen zum neuen allabendlichen Ritual der Zuschauer? Verändert sich das Format der Tagesschau, um im Trend zu liegen? Oder stellt man vielleicht fest, dass alt nicht gleich schlecht bedeutet, sondern sich alt bewährte Formate der deutschen Fernsehgeschichte halten? Ob sich die Nachrichtensendungen in diese oder eine völlig andere Richtung verändern, wird sich zeigen. Ändert sich die Gesellschaft und ihre Bedürfnisse, wird auch das Programmangebot ein anderes. Allerdings ist es so gut wie sicher, dass es immer Nachrichten geben wird. Erinnert man sich Beispielsweise an den 11. September so denkt man beinahe auf der ganzen Welt an Fernseherbilder der Nachrichtensendungen zurück. Das war der direkte Draht zu den schrecklichen Szenarien. Ohne die vielen Moderatoren und Reporter hätte die Welt erst viel später davon erfahren und so war sie, wenn es auch makaber klingt, live dabei. An Ereignissen wie diesen zeigt sich, dass Feingefühl und dezente Moderationsweise angemessener sind, als musikalisch unterlegte, in rasendem Tempo kommentierte Bilder. Ich persönlich bevorzuge die Tagesschau, wobei ich zugeben muss hin und wieder auch auf RTL II zu schalten, um mich lediglich berieseln zu lassen. Die Nachrichten der ARD sind ausführlicher und wenn man als Teil einer großen Gesellschaft lebt, dann sollte man sich auch 13 Minuten dafür nehmen, um sich über all die anderen zu informieren.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen