TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 8. September 2010

Ein Glück, dass es Jon Stewart gibt


von Tim Sommer

„It is an important show tonight“, sagt ein mit Brille verkleideter Jon Stewart und zieht dabei ein ernstes Gesicht. Es scheint tatsächlich ein besonderer Abend auf dem US-amerikanischen Sender Comedy Central zu sein. Eigentlich hätte genau um 23 Uhr, so wie jeden Montag bis Donnerstagabend, die Intro-Musik der erfolgreichen Nachrichten-Parodie „The Daily Show“ ertönen müssen. An diesem Abend des 22.03.2010 jedoch nicht. Der Gastgeber Jon Stewart sitzt auch nicht wie gewöhnlich hinter seinem großen gewellten Schreibtisch, sonder steht vor einer noch unbeschriebenen Schultafel. „It’s an important show tonight and if you miss it, you will die“. Vom Publikum ertönt das erste Gelächter, denn schell ist klar, dass dies nicht seine Worte sind, sondern ein direktes Zitat eines gewissen Glen Becks vom konservativen Nachrichtensenders Fox-News, der nur ein paar Stunden zuvor seine Sendung auf genau dieselbe Art und Weise begonnen hatte. Der große Unterschied zwischen den beiden ist nur, dass Jon Stewart weiß, dass seine Zuschauer ihm nicht glauben werden. 
Die Sendung „The Dailyshow“ ist bereits seit 21 Jahren ein unangenehmer Dorn im Auge der „echten“ Nachrichtensender in den USA. Mit einem Mix aus politischer Satire und popkultureller Unterhaltung steht die Sendung irgendwo zwischen den Formaten News-Program und Late-Night Show. Die herausragende Fähigkeit der Sendung ist es dabei besonders einen Job zu übernehmen, den viele Nachrichtensendungen nur allzu gerne ausklammern. Den Job sich selbst zu reflektieren. Somit ist die Sendung in erster Hinsicht eine Karikatur der modernen, visuell aufpolierten amerikanischen News-Programs. Und wie die „echten“ News wird die Sendung gefüllt mit Berichten von Außenkorrespondenten, Reportagen und Kommentaren, welche sich auf das politische und gesellschaftliche Leben in den USA beziehen. Darüber hinaus macht die Sendung etwas, dass viele Zuschauer nur allzu sehr lieben, jedoch auch viel zu häufig vermissen. Sie sieht den Betrachter als einen intelligenten und informierten Betrachter an. Die Sendung dient dabei nicht als Nachrichtenersatz, sondern als Nachrichtenzusatz, indem sie die sich oftmals wiedersprechenden Informationen von MSNBC, FOX-News, CNN und wie sie sonst noch alle heißen gegenüberstellt und aus dem Kontext der politischen Agenda, des jeweiligen Senders, heraushebelt. 
Kein Wunder, dass die Dailyshow sich mittlerweile auch als eine nicht zu unterschätzende politische Kraft etabliert hat. Die zu Beginn erwähnte Folge ist dabei ein idealer Beweis dafür, dass man auf einem Sender wie Comedy Central auch abseits von Animationssendungen politisch aktiv sein kann. Glen Beck hatte an diesem 22.03.2010 in seiner Show zum letzten Kampf gegen Obamas Gesundheitsreform aufgerufen und sie als ersten Schritt in ein „kommunistisches Naziregime“ dargestellt, in dem er in vollkommen abstruser Logik, Bilder von Obama, Hitler und Hakenkreuzen an eine Schultafel geklebt hatte. Dieses Bild einer „marxistischen Nazi-Verschwörung“ und dieselbe Argumentationslogik von Beck wurden dann von der Dailyshow aufgegriffen und – wenn dies überhaupt noch möglich war – bis ins absurdeste gesteigert. Dass Stewart hier auf das poltische Denken der Zuschauer einwirken will steht außer Frage. Und dies tut er auch mit Erfolg. Somit zeigte eine Studie vor den Präsidentschaftswahlen 2008, dass 18 bis 29 jährige amerikanische Staatsbürger die meisten politischen Informationen, nicht nur aus dem Internet, sondern auch abends um 23 Uhr von seiner Show erhielten. Kein Wunder, dass die einflussreichsten Politiker des Landes es sich nicht mehr leisten können, nicht bei der Dailyshow als Gast aufzutreten. Und hier kommt die wahre überragende Fähigkeit von Jon Stewart ins Spiel. Seine herausragenden und unglaublich feinfühligen Interviewqualitäten. Er scheut sich nicht davor mit provokativen Fragen seinen Gast bloßzustellen und aus der Reserve zu locken. Dennoch ist er in dieser Hinsicht kein zweiter Bill O’Reily, der seinem Gegenüber, wenn dieser nicht seine Meinung vertritt, gerne mal vollkommen das Wort entzieht und aus dem Studio jagt. Nein Stewart ist immer bemüht ein Streitgespräch produktiv zu gestallten. Somit kommt es auch mindestens alle zwei Wochen vor, dass eine Debatte vollkommen den Zeitrahmen der Sendung sprengt und das gesamte Interview nachträglich auf die Webseite der Dailyshow gestellt werden muss. Dies passt ganz gut, da Comedy Central die gesamte Sendung sowieso für jeden frei verfügbar ins Internet stellt. Für alle die sich dann doch lieber vor der Fernseher setzen wird „The Daily Show – Global Edition“ auch vom deutschen Comedy Central jeden Montag um 0:40 Uhr und Donnerstag um 1:20 mit Untertiteln ausgestrahlt. Diese „Global Edition“ ist eine Zusammenfassung der 4 wöchentlichen Shows, wobei vor allem international relevante Themen hier den Vorrang bekommen und das ganze Material wiederum auf eine halbe Stunde gekürzt wird. 
Auch wenn man sich ein Comedyformat wie dieses nur zu sehr in einer deutschen Version wünschen würde, ist dies nur schwer vorstellbar. Einerseits kommt nicht einmal ein Harald Schmidt an eine Persönlichkeit wie Jon Stewart heran, der durch seinen Anti-Patriotismus so etwas wie das schwarze Schaf des amerikanischen Fernsehens darstellt. Andererseits lebt die Show gerade von dem Verlangen, die Nachrichtensender in den USA als das bloßzustellen, was sie Stewarts Meinung nach wirklich sind. Als Marktschreier der Partei, der sie sich verschrieben haben und die der Meinung sind, man müsste dem Zuschauer alles feinsäuberlich vorkauen, damit er überhaupt etwas begreift. Auch wenn das ZDF mit der „Heute Show“, seit 2009 einen Versuch unternimmt, die Sendung von Jon Stewart zu adaptieren, fehlt es der Kopie nicht zuletzt an dem brisanten Stoff, mit dem die „Daily Show“ täglich von FOX News und CNN gefüttert wird. Vielleicht sollte man deswegen froh darüber sein, dass eine Sendung wie „The Daily Show“ hier in Deutschland, zumindest zu diesem Zeitpunkt, noch nicht notwendig geworden ist.

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