TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 1. September 2010

Frauentausch - Experimentelle Horizonterweiterung oder simple Bedienung von Klischees?


von Jasmin Bechtum

Eine besondere Form des Kulturkontakts kann man seit 2003 immer donnerstags auf RTL2 verfolgen: Frauentausch. Das Grundprinzip der Sendung ist simpel: Zwei Frauen mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen tauschen für 10 Tage Mann, Kinder und Wohnung. Wie sie sich in der ungewohnten Umgebung zurechtfinden, wird von einem Kamerateam dokumentiert. Nach der Hälfte der Zeit darf die Tauschmutter eigene Regeln in der Familie aufstellen und am Ende trifft sie mit der anderen Frau zu einem Erfahrungsaustausch zusammen. 

Die Sendung beschert RTL2 im Vergleich zum restlichen Programm gute Quoten- im Schnitt sehen rund 1 Million Zuschauer die Sendung, bei den 14 bis 49-Jährigen hat sie einen Marktanteil von gut 10%. 2007 baute RTL2 das Format aus: Es wurden Promi-Spezials mit Olivia Jones, Jürgen Drews u.a. gedreht, und bis 2009 lief zusätzlich zum normalen Frauentausch montags Das Aschenputtel-Experiment- Eine reiche Frau tauscht mit einer mittellosen. Zugegeben: Oft sind die Episoden wirklich sehr unterhaltsam, man kann kaum fassen, dass solche Menschen existieren und wird durch ihre Kommentare in Interviews oft in seiner herablassenden Meinung über die Person bestätigt. Auch z.B. die kreative Auswahl der eingespielten Musik, die meist aus deutschen, eher unbekannten Liedern besteht, die perfekt zum jeweiligen Bild passen, kann überzeugen. So sieht man also seit 10 Jahren mehr oder weniger sympathische Frauen, die ihren Tauschsohn mit Pornoheften zum Onanieren bringen wollen, die Tauschfamilie zum Austritt aus der Kirche bewegen möchten oder sich einfach über die hygienischen Zustände in der Tauschwohnung auslassen. Für den Zuschauer manchmal Anlas zum Lachen, manchmal einfach schockierend- auf jeden Fall bietet die Sendung Gesprächsstoff. Zur Quotensicherung setzte der Sender im Laufe der Zeit immer mehr auf Konfrontation: Christen tauschen mit Hexen, Konservative mit Homosexuellen und natürlich Hartz IV- Empfänger mit arbeitenden Mittelständlern. Hierbei wird vom Sender stets eine Familie als positiv und die andere als negativ dargestellt. Zusätzlich gibt es bei der Produktion vor Ort einen Realisator, der die gewünschte Darstellungsweise der Familie anhand eines Drehbuchs manipuliert, die Teilnehmer, denen jeder Kontakt zu Außenwelt während der Tauschzeit verboten ist, unter Druck setzt und so eine ganz neue Realität schafft. In fast jeder Folge werden Hartz IV-Empfänger als faul, dumm und dreckig dargestellt, was mit der Zeit Stereotypen schafft und den Familien nach der Ausstrahlung Anfeindungen beschert. Diese Familien gehen nun an die Öffentlichkeit: mit Anti-Frauentausch-Foren und Fernsehauftritten in seriöseren Formaten. Was RTL2 alles für gute Quoten macht, schockiert sogar Fans. Bei der Sendung handelt es sich jedenfalls nicht um eine Reality-Dokusoap, die den Tausch der teilnehmenden Familien etwas überspitzt darstellt; die Realität wird vielmehr so verdreht, dass man Frauentausch eher als ein fiktionales Format betrachten muss, welches seine Quoten auf Kosten der Teilnehmer sichert. Man schmunzelt nicht mit Recht über die faule Hausfrau, die nicht weiß wo Berlin ist, oder die Eltern, die den ganzen Tag „World of Warcraft“ spielen, sondern über Zusammenschnitte, die oft normale Menschen in einem völlig falschen Licht erscheinen lassen. Eigentlich schade, denn ohne dieses Wissen hat es immer großen Spaß gemacht, zuzuschauen.


2 Kommentare:

  1. Mich würde ja mal stark interessieren auf welche seriösen Informationsquellen sich der Autor dieses Artikels bezieht? Bei unserem Dreh gab es auf jeden Fall kein Drehbuch, wir wurden nicht als assozial hingestellt und das Team war von der ersten bis zur letzten Minute nett! Wir waren sehr zufrieden mit unserer Sendung und haben bis heute noch Kontakt zu der anderen Familie. Aber bei so vielen Folgen die es bisher gab, kann es natürlich mal vorkommen, dass sich Menschen beim Dreh auch nicht so gut verstehen. Aber solche Artikel finde ich definitiv übertrieben!

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