TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 1. September 2010

Kampf der Geschlechter: Vergleich zwischen Männer- und Frauensender

von Julia Schmid
Im deutschen Fernsehen gibt es keine zwei Sender, die so gegensätzlich ausgerichtet sind und das Gesamtpublikum derart nach Geschlechtern aufspalten, wie der neue Frauensender Sixx und der Männersender DMAX. Beide setzen auf ein sehr spezielles Programm, unterscheiden sich jedoch stark in ihrer Umsetzung.
Der am 07.05.2010 gestartete Sender Sixx ist Teil der ProSiebenSat.1 Media AG und dies ist an der Programmauswahl deutlich zu spüren. Als erstes Format lief dort „Sex and the City – The Movie“. Ein Film, der aufgrund seiner erstmaligen Ausstrahlung im FreeTV großen Zuspruch der praktisch ausschließlich angesprochenen weiblichen Fans fand. Als man dann jedoch auf das reguläre Programm umschwenkte, in welchem Spielfilme eine Ausnahme darstellen, lies sich die Zugehörigkeit zu ProSieben und Sat.1 nicht mehr verleugnen. Den größten Teil des Tages füllen Wiederholungen vor allem amerikanischer Formate, die vorher teilweise sehr erfolgreich bereits auf anderen Sendern ausgestrahlt wurden, so zum Beispiel Grey’s Anatomy, Desperate Housewives und Lipstick Jungle, um nur einige der Bekannteren zu nennen. Dies ist besonders für echte Fans der Serien interessant, die von ihren Lieblingsdarstellern nicht genug bekommen können und sich die bereits Bekanntes immer wieder gerne ansehen. Aber auch für solche, die erst nach einigen Folgen oder Staffeln auf die Formate gestoßen sind, denn sie können so die Anfänge mit verfolgen, was beispielsweise bei den Desperate Housewives wichtig ist, da sich hier über die Dauer der ersten und teilweise noch zweiten Staffel Sachverhalte klären und Themen zentrale Rollen spielen, die fast ausnahmslos in den ersten Sendungen angesprochen werden. Sich im Nachhinein alles selbst zusammenreimen zu müssen gestaltet sich einigermaßen schwierig und anstrengend.
In erster Linie diese Serien sind es, die dem Sender seine Einschaltquoten sichern sollen, denn sie haben international gewaltige Erfolge gefeiert, sind zahlreich für Fernsehpreise nominiert und damit ausgezeichnet worden und erfreuen sich bei dem gewünschten weiblichen Publikum großer Beliebtheit. Ihre Hauptdarstellerinnen sind meist mehr oder minder starke, selbstbewusste und interessante Frauen, die sich durch die Schwierigkeiten ihres Lebens manövrieren und es dabei meist noch schaffen, fantastisch auszusehen.
Doch auch Sendungen, die bereits bei ihrer Erstausstrahlung nur für mäßige Quoten sorgten, wurden hier wieder in den Tag integriert, so erfreut sich zum Beispiel „Frank – der Weddingplaner“ eines Comebacks. Im Großen und Ganzen ist es schade, dass sich Sixx so sehr auf alte, bzw. schon in den USA ausgestrahlte Formate verlässt. Zwar bietet man auch eigene Shows an, doch jene sind stark in der Unterzahl und laufen auch nicht zur Prime Time, sondern häufig vor- und nachmittags. Allerdings soll sich das neue Programm 2010/2011 hiervon unterscheiden. Zum einen will man verstärkt auf Ausstrahlungen von noch nicht gezeigten Staffeln setzen, unter anderem der neuen Folgen von „Damages – Im Netz der Macht“ und „90210“, zum anderen sind auch neue eigene Projekte geplant. So bastelt man gerade an einer speziell auf Frauen ausgerichteten Version einer Wissensserie – nämlich „Galileo für die Frau“.
Was jedoch wirklich neu an der selbsternannten „Frauensenderin“ ist, stellt das Fehlen von Werbeunterbrechungen dar, welches es bei keinem anderen privatrechtlichen Fernsehsender gibt. Während man sonst mit ungefähr fünf bis sieben Minuten, zur besten Sendezeit sogar mit bis zu zehn Minuten Werbung rechnen muss, kann man hier ganz ungestört das Geschehen genießen. Wir sind nicht mehr gezwungen zwischendurch reizüberflutende Spots zu sehen, die uns so sehr von der Handlung unserer eigentlich ausgesuchten Abendbeschäftigung ablenken, dass wir schon vergessen haben, um was sie sich dieses Mal überhaupt drehte, wenn die Werbepause endlich beendet ist. Auf Sixx lassen sich Serien so erleben, wie es bisher nur bei Erwerb der Staffel auf DVD möglich war und dies stellt eine sehr angenehme und willkommene Abwechslung dar.
DMAX existiert seit dem 01.09.2006 und bietet laut Slogan „Fernsehen für die tollsten Menschen der Welt: Männer“. Hier findet man zwar viele Shows, die ebenfalls bereits auf dem amerikanischen Kontinent bekannt sind, da sie jedoch auf dem deutschen Markt vorher keine Verbreitung fanden, kann man sie trotzdem als hierzulande neu betiteln. Ein zentraler Unterschied zu Sixx besteht darin, dass man auf gänzlich auf Schauspieler und feste Drehbücher verzichtet und sich vor allem auf Reportagen, Dokumentationen und Real-Life-Sendungen spezialisiert hat. So findet man zum Beispiel Survival-Shows, die einem beibringen, wovon man sich ernährt, wenn man sich alleine in der Wildnis Alaskas, der Sahara oder Alpen befindet, wie man einen Einbruch bei dünnem Eis in einen Bergsee überlebt oder sich vor gefährlichen Wildtieren schützt. Nicht, dass ein besonders großer Teil unserer Bevölkerung jemals in Situationen geraten wird, in welchen man auf solche Informationen angewiesen wäre. Dennoch fasziniert das freiwillige Leiden des jeweiligen Überlebenskünstlers bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt, auf der Flucht vor angriffslustigen Nilpferden oder seiner Ekeldiät, in der Maden immer eine Hauptrolle zu spielen scheinen. Auch die vielen Auto- und Motorradschrauber-Sendungen, Abenteuerformate und Dokumentationen über die härtesten und gefährlichsten Berufe der Welt ziehen ein überwiegend männliches Publikum an, eben so wie beabsichtigt. Kein anderer Sender bedient die männlichen Faszinationen Auto, Technik und Technologie so umfassend, die einzige Leidenschaft die komplett außer Acht gelassen wird ist Sport.
Dennoch gibt es trotz des sehr techniklastigen Programms, das die allermeisten Frauen umgehend das Weite suchen lässt, durchaus Sendungen, die auch auf weibliches Publikum anziehend wirken. So etwa „das Hausbaukommando“. Hier wird für Familien, welche durch Schicksalsschläge ohne eigenes Verschulden in Not geraten sind oder sich schlicht die Anpassung an die besonderen Erfordernisse einzelner sehr kranker Familienmitglieder nicht leisten können, innerhalb von sieben Tagen von Grund auf ein auf ihre speziellen Bedürfnisse und Vorlieben zugeschnittenes Traumhaus gebaut, liebevoll eingerichtet und dekoriert. Während für Männer hier eher die Handhabung von Werkzeugen und die gewaltige Leistung eines Hausbaus innerhalb einer Woche im Fokus der Betrachtung liegen dürften, kann frau sich an Dankbarkeit und Überwältigung der Familie, neuesten Dekorationstipps und wundervollen Lebensgeschichten erfreuen. Auch „Miami Ink“ und „LA Ink“ - Shows über einige der besten Tatookünstler der Welt - ziehen sowohl Männer als auch Frauen in ihren Bann. Zum einen wahrscheinlich, da sich das Format mit künstlerischer Kreativität beschäftigt, was vermutlich eher in das Interessengebiet weiblicher Zuschauer fällt als die Neuverkabelung eines Autoradios, zum anderen aber auch, da die Faszination Tatoo nicht geschlechterspezifisch ist.
So unterschiedlich die beiden Sender auch sein mögen, was sich nicht abstreiten lässt ist, dass beide Spartensender sind. Sie bedienen zwar die beiden größten Gruppen unserer Gesellschaft - Männer und Frauen - dennoch sind sie relativ unbekannt oder zumindest nicht viel gesehen. Leider veröffentlicht Sixx seine Einschaltquoten nicht, obwohl sie ermittelt werden. Begründet wird dies mit der Neuheit und dem daraus resultierenden geringen Bekanntheitsgrad. Außerdem kann man nicht einfach über Sixx „stolpern und hängen bleiben“. Der Sender muss bewusst mit einem Suchlauf ausfindig gemacht und dann eingespeichert werden, da er einen neuen Sendeplatz einnimmt. DMAX hingegen, welcher aus dem Vorgängersender XXP hervorging, hatte hier gewisse Vorteile. Zwar war XXP kein rein auf Männer zugeschnittener Sender, doch auch hier liefen fast ausschließlich Reportagen und Dokumentationen, was zum einen bedeutet, dass DMAX auf einen bereits existierenden Sendeplatz zugreifen und dazu auch schon ein gewisses Publikum übernehmen konnte. Bereits bei Einführung des dem Discovery Channel zugehörigen Senders erreichte er einen Jahresmarktanteil von 0,8% bei den 14- bis 49-Jährigen, welcher sich seither auf 1,1% gesteigert hat. Dies dürfte ohne Zweifel zum Teil ein Verdienst der Serie „Die Ludolfs – 4 Brüder auf’m Schrottplatz“ sein. Die vier Schrecken einer jeden Schwiegermutter, die einen Schrottplatz besitzen und über drei Millionen alte Autoteile angesammelt haben, brachten dem Sender die bisher besten Einschaltquoten und sind das bekannteste Format des Senders. Bei einem Ludolf-Marathon wurden Spitzenergebnisse von Tagesmarktanteilen bis 7,7% erzielt, mehr als bei jeder anderen gesendeten Ausstrahlung. Der Kultstatus geht sogar soweit, dass es mittlerweile einen Kinofilm, mehrere DVD-Boxen, Sondersendungen, Bücher, Comics und zahlreiche Merchandising-Artikel zu erwerben gibt.
Insgesamt bedienen beide Sender geschickt die Vorlieben des von ihnen angestrebten Publikums, auch wenn DMAX dabei möglicherweise etwas origineller vorgeht und sich nicht so sehr auf Altbewährtes verlässt wie das Gegenstück Sixx. Einschalten und hinein schnuppern lohnt auf alle Fälle.

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