TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Samstag, 11. September 2010

Der Wandel der Fernsehzeitschrift und ihre Bedeutung in der heutigen Zeit oder: Warum immer weniger Movie in der TV Movie steckt

von Sebastian Lauterbach

Wie denkt man über eine Fernsehzeitschrift, die man Zeit seines Lebens zweiwöchentlich nach Hause geliefert bekommt und plötzlich beim Stöbern am Dachboden ein exakt 10 Jahre altes Exemplar in die Finger bekommt? Neben viel Nostalgie macht man sich Gedanken, was sich in der letzten Dekade verändert hat. TV Movie ist die besagte Zeitschrift mit der laut eigenen Angaben ‚Härtesten Filmredaktion Europas‘. Um es vorwegzunehmen: so hart wie sie sich ausgibt, ist sie nicht.
Doch wie zeichnet sich das ab? Natürlich erwarte ich bei einer solchen Fernsehzeitschrift keine intelektuelle Diskussion über Film Noir. Das will ich auch nicht. Sie zielt nunmal auf ein breites Publikum ab, welches sich für Lifestyle, Promigeflüster und natürlich Fernsehen und Kino interessiert. Dennoch stellt man gewisse Ansprüche, um kompetente Kritiken beziehungsweise Empfehlungen aktueller Filme zu bekommen. Jedoch hat es den Anschein, dass Filme und Fernsehen nur noch schmückendes Beiwerk sind um Klatsch und Tratsch an den Mann zu bringen. Man liest auf den ersten 25 bis 30 Seiten, dass Ende 2000 Verona Feldbusch noch siegessicher Hollywood angreifen wolle und zurzeit mit dem 31-jährigen Architekturstudenten Franjo Pooth ausgeht oder im Herbst 2010 zwei neue Castingshows starten, bis man zum Fernsehprogramm gelangt. Dieses unterscheidet sich nicht von anderen. Sender sind von links nach rechts angeordnet und die Zeitachse verläuft von oben nach unten. Auf den letzen Seiten, von insgesamt zirka 200, bekommt man die Kritiken der in Kürze anlaufenden Kinofilme und diverse Berichte über Multimediaartikel, sowie Neuerscheinungen im Bereich Musik, Bücher und Videospiele. Während in der 2000er Ausgabe der hintere Teil mit 40 Seiten zu Buche schlägt, beschränkt sich die aktuelle Ausgabe auf 20. Der Unterschied rührt daher, dass sich in dem älteren Exemplar ausführlicher mit dem jeweiligen Themengebiet auseinandergesetzt wird. Ein direkter Vergleich zeigt ein kritischeres und auch qualitativ hochwertigeres Herangehen. Man wird nicht mit One-linern abgespeißt, sondern bekommt ein differenziertieres Bild des vorgestellten Films oder Produkts vorgesetzt. Nachvollziehbar, da man aus den Massen aus Fernsehzeitschriften, als auch anderen, zum Beispiel Lifestyle-Magazinen, positiv herausstechen will. Doch es scheint, dass TV Movie seine Stammleserschaft längst als gesichert hinnimmt und mehr Wert auf Entertainment als auf Informationsgehalt legt. Was sich aber die härteste Filmredaktion Europas denkt, wenn sie Filme im Laufe der Zeit immer besser bewertet, weiß vielleicht nur der stolz angepriesene Filmrat, bestehend aus bekannten Personen wie Til Schweiger, Michael Ballhaus oder Wolfgang Petersen. Beispiel gefällig: am 5.10.2000 startete Scary Movie in den deutschen Kinos und wurde mit dem rosa Stern, welcher einen mittelmäßigen Film beschreibt und dem Fazit: „Billige Gags ohne Ende – ein flacher Klamauk“ behaftet. 10 Jahre später bekommt jener Film, als er im Free-TV gesendet wird, einen empfehlens- beziehungsweise sehenswerten roten Stern und die Bewertung „Gnadenlos makaber“. Leider ist das nicht ein einmaliger Ausrutscher der Redaktion. Zahlreiche weitere Filme werden bei der Kinoauswertung als mittelmäßig eingeschätzt, bekommen kurz darauf bei der DVD/Blu-ray-Auswertung die nächst bessere Bewertung und enden bei der Free-TV-Premiere als Tages- oder sogar 14-Tage-Top-Tipp. Wieso aber ist das so? Da die Leserbriefeseite irgendwann stillschweigend entfernt wurde, vielleicht aufgrund der zunehmenden Kritik an der Zeitschrift selbst, habe ich mir auch nicht die Mühe gemacht und TV Movie angeschrieben, da mir eine zufriedenstellende oder ehrliche Antwort mehr als unrealistisch erschien. Realistisch erscheint mir hingegen eine Vermutung, dass gewisse Filme im Laufe der Zeit einen Kultstatus erreichen und TV Movie dann nicht als Spießerzeitschrift oder altmodisch dastehen möchte. Die weitaus schlimmere Vermutung wäre, dass TV Sender ihr Programm als besser für den Zuschauer präsentiert haben möchten. Es will sich schließlich niemand einen Film anschauen der mit einem gähnend grauen und somit langweiligen Stern bewertet wurde. Dies sind zwar nur Mutmaßungen, jedoch ist es egal wie es zu solchen Sinneswandel kommt, es führt zu einem Imageverlust und lässt die Zeitschrift unseriös wirken. Mit hartem Redaktionismus hat das sicherlich nichts mehr zu tun.
Dennoch ist die TV Movie mit einer Auflage von 1.587.555 Exemplaren und einer Leserschaft von 5,72 Millionen (Stand: Q4 2009) sehr beliebt. Ist es somit egal, wie kritisch oder konstant Fernsehzeitungen heutzutage sind? Will man lieber rundum unterhalten werden und eben „nur“ wissen welcher Blockbuster am Sonntag auf ProSieben kommt? Ehrlicherweise haben es Programmzeitschriften schwer im Markt zu bestehen. Das aktuelle Programm kann schnell und übersichtlich auf der jeweiligen Internetseite nachgelesen werden. Jeder Fernseher besitzt einen Videotext, der die Sendungen und Filme der mindestens nächsten 3 Tage anzeigen kann. Wieso sollte man sich also die Mühe machen, aufzustehen und nach der Zeitschrift zu suchen, geschweige denn alle 2 Wochen ein Exemplar am Kiosk zu kaufen? Da man im Grunde Zeitschriften wie TV Movie nicht mehr als Fernsehzeitschriften betiteln kann. Vielmehr sind sie all-round Magazine, die nur wenige Wünsche offen lassen. Filmnews, Hintergrundgeschichten, VIP-Biografien, Kreuzworträtsel, Sport und Technik, beziehungsweise Multimedia, sind die abgehandelten Hauptthemen. Bevor man sich also drei bis fünf verschiedene Zeitschriften kauft, entscheidet man sich für die kostengünstigere Komplettalternative. Abstriche muss man dann natürlich im Umfang machen, aber man hat zumindest einen groben Überblick über aktuelle technische Neuerungen und brisante Promigeschichten.
Sollte aber ein Zeitschrift mit dem Namen TV Movie nicht auch das liefern, was der Titel verspricht: Film und Fernsehen? Wird man als Käufer getäuscht? Würde man eine Zeitschrift namens Promis, Multimedia and Movies eher aus dem Regal nehmen? Meiner Meinung nach sollte man sich auch an das halten was man verspricht. Kompetente und vor allem wirklich hart recherchierte Artikel über Film und Fernsehen. Promigeschichten sind natürlich unvermeidbar, da Promis Schauspieler sind und diese wesentlicher Bestandteil von Filmen. Doch würde es mich mehr interessieren, welchen Film Leonardo DiCaprio zurzeit mit welchem Regisseur dreht und nicht, dass Eva Longoria die Königin des Dirty Talks ist. Auch wenn sie halbnackt ein gutes Bild abgibt, passt das abgedruckte Foto neben ihrem Porträt eher in einschlägige Männermagazine. Wie war das nochmal, dass man als Schauspielerin ernstgenommen werden will?
Jedoch bringt der Postbote alle 2 Wochen 1,5 Millionen Exemplare zu seinen Lesern. Nicht nur weil ein Dauerauftrag diese Ausgabe schön längst bezahlt hat. Es liegt an der Tatsache, dass man auch mal berieselt werden will. Vielleicht schrecken ich und die anderen zirka 5,7 Millionen Leser davor zurück, intellektuellere Zeitschriften zu abonnieren, da sie nicht so leicht verständlich sind und viel Hintergrundwissen abfordern. Man schaut sich schließlich auch mal gerne wieder King of Queens an, bevor man sich hochkonzentriert eine Folge Twin Peaks gönnt.
Und obwohl sich einiges getan hat in den letzten 10 Jahren der TV Movie, so blieb eine Sache immer bestehen und ich lehne mich wahrscheinlich nicht weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass es immer so bleiben wird. Hübsche Frauen mit tiefem Ausschnitt und lasziven Blick auf dem Cover. Man muss sich also nicht entscheiden ob TV Movie oder TV Spielfilm, sondern ob die nächsten zwei Wochen Jennifer Lopez oder Jessica Alba einen auf dem Wohnzimmertisch entgegenlächeln.

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