TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 16. März 2015

Sturm der Liebe: Beziehungs- und Liebesgeschichten rund um das Hotel Fürstenhof

von Hannah Sander


Das Konzept einer Telenovela ist bereits bekannt. Die jeweilige Protagonistin taucht wie aus dem Nichts aus unterschiedlichsten Beweggründen in dem Fünf-Sterne-Hotel auf und findet nach vielen Intrigen und anderen Hindernissen endlich ihre große Liebe. Bereits die Titelmusik und der Vorspann lassen den Zuschauer eine dramatische und herzzerreißende Handlung erahnen, bei dem ein Happy- End natürlich vorprogrammiert ist.
Doch was genau macht diese Telenovela, die seit 2005 im Ersten ausgestrahlt wird so beständig und besonders? Sturm der Liebe läuft seit dem 26. September 2005 von montags bis freitags um 15:10 Uhr in der Erstausstrahlung. Mittlerweile befindet sich das Format in seiner 10. Staffel. Zudem wurde die Telenovela inzwischen von 20 Sendern aufgekauft und galt im Jahr 2012 als die einzige Serie unter den Top 10, die nicht aus den vereinigten Staaten kommt.


Die Thematik der einzelnen Staffeln ähnelt sich ungemein und führt immer wieder zum gleichen Ziel. Zudem sticht dieses Format meiner Meinung nach durch keine besonderen Eigenschaften hervor und ähnelt vielen anderen Sendungen. Doch die ARD bringt gleich zwei Beispiele solcher Nachmittagsunterhaltungen im Programm. Zum einen die Telenovela „Rote Rosen“, welche eine Stunde vor „Sturm der Liebe“ ausgestrahlt wird. Sie erreicht täglich rund 1,5 Millionen Zuschauer. Und natürlich „Sturm der Liebe“, welche täglich sogar rund 2 Millionen Zuschauer für sich gewinnen kann. Aber warum? Wieso? Weshalb? Mittägliche Langeweile?

Die Handlung vollzieht sich in der fiktiven Gemeinde Bichelheim im oberbayrischen Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Im Mittelpunkt der Handlung stehen vor allem die Mitglieder der Familie Saalfeld, in dessen Besitz sich das Hotel befindet und ihre Angestellten. Der Fürstenhof, Charlotte und Werner Saalfeld sowie das Ehepaar Sonnenbichler begleiten die seit 2005 gedrehten Staffeln durchgehend. Jede Staffel thematisiert eigenständig ein Liebespaar, das trotz Irrungen und anderer Strapazen am Ende zueinander findet. Zudem existiert in jeder Staffel ein gewisser Störfaktor (eine intrigante Rolle), bei der es sich meist um die Partnerin des männlichen Protagonisten oder der Rolle des Werner Saalfeld handelt. Sie sorgt für die besondere dramatische Stimmung. Neben den Protagonisten befinden sich weitere Paarbeziehungen sowie die Eltern-Kind-Beziehungen - passend zum Thema im sogenannten „Sturm“ der Liebe.

Julia Wegener und Niklas Stahl: Das neue Liebespaar am Fürstenhof

Und natürlich auch in der 10. Staffel der Telenovela treffen zwei ganz neue Charaktere am Fürstenhof ein. Julia kommt zusammen mit ihrem Bruder Sebastian und dessen Freundin Sophie - Tochter von Friedrich Stahl -  an den Fürstenhof. Sophie wird nach wenigen Tagen von Patrizia überfahren und stirbt. Da sich Julia und Sophie zum Verwechseln ähnlich sehen, nimmt Julia Sophies Identität an und gibt sich als diese aus. Sie und ihr Bruder sind auf das Geld von Friedrich angewiesen, um Sebastians Therapie bezahlen zu können. Etwa zu der gleichen Zeit zieht es auch Niklas an den Fürstenhof. Er ist der älteste Sohn von Friedrich Stahl und kommt zur Hochzeit seines Bruders Leonard und Pauline. Dort trifft der Sternekoch auf Julia und verliebt sich sofort in sie. Von nun an beginnt das Drama. Die beiden müssen ihre Liebe unterdrücken, da Niklas selbst davon ausgeht, in seine eigene Schwester verliebt zu sein. Die intrigante Patrizia, die alles versucht um Friedrich Stahl zu vernichten, macht es dem unglücklichen Liebespaar zusätzlich schwer. Auch Sebastian entschließt sich der Familie Stahl zu schaden. Die gutgläubige Julia ahnt von alledem nichts und leidet zunehmend darunter, sich als ihre tote Freundin auszugeben. 
Dem Zuschauer sind die Gedanken der Protagonistin Julia bekannt. Er wird mit all ihren Gefühlsstrapazen konfrontiert. Natürlich haben Julia und Niklas, wie auch alle anderen Protagonisten-Pärchen bei Sturm der Liebe, ihren eigenen Song. Immer wenn Julia an ihren Niklas denken muss wird ihr ganz spezielles Lied eingespielt. Der Zuschauer ist jedoch nicht nur dem Herzschmerz der beiden Hauptfiguren ausgesetzt. Er verfolgt auch die alltäglichen Lebenskrisen der anderen Personen, die auf unterschiedliche Arten mit dem Fürstenhof verbunden sind. Da wären beispielsweise das Zimmermädchen Tina und ihr Freund Jonas, der in der Sterneküche des Anwesens arbeitet. Als sich Jonas in Tina verliebt, kann sie ihn davon überzeugen, seine kriminellen Machenschaften hinter sich zu lassen und von nun an nur noch ehrlicher Arbeit nachzugehen. Er ist der Neffe von Alfons und Hildegard Sonnbichler. Sie haben in meinen Augen die sympathischste Rolle in der Telenovela. Die bereits seit Jahrzehnten am Fürstenhof beschäftigten Eheleute sind verliebt, wie am ersten Tag. Sie leben das Bild einer perfekten Ehe. Gegenseitiges Wertschätzen und Rücksichtnahme sind dabei selbstverständlich. Bei den Sonnenbichlers wohnt Natascha Schweizer zur Untermiete. Die Gesangsdiva überzeugt durch ihre ganz besondere Art. Allen weiblichen Zuschauern im Alter über 40 dürfte spätestens jetzt bewusst sein, dass man trotz zunehmenden Alters seine Reize nicht verliert. Michael, der Hausarzt des Anwesens, hat es leider nicht so einfach. Trotz bester Voraussetzungen hat er sein Glück in der Liebe noch nicht endgültig gefunden. Er lebt zusammen mit André, dem Bruder von Werner Saalfeld, in einer Männer-WG. André hat seine große Liebe Nicola aufgrund einer Krankheit verloren. Der Chefkoch des Hauses hatte in seiner Vergangenheit nicht nur bei legalen Geschäften die Finger im Spiel, bei denen sein Bruder Werner natürlich auch eine entscheidende Rolle spielt. Geldwäsche und andere schmutzige Geschäfte stehen immer wieder auf dem Programm. Werner wird in Kürze heiraten und ist unsterblich in seine Verlobte Poppy Schweizer verliebt. Die junge, gutaussehende Ex-Stripperin könnte beinahe seine Enkelin sein, doch die beiden stehen zu ihrer Liebe. Werner, amtierender Bürgermeister und Anteilseigner des Fürstenhofs, scheint auf den ersten Blick unerreichbar für die  blond-naive Tochter zweier Imbissbudenbetreiber. Doch Poppy und Werner sind glücklich und lassen sich von den Vorurteilen der anderen nicht abhalten. In der Privatwohnung der Familie Saalfeld lebt Werner gemeinsam mit seiner Exfrau Charlotte und ihrem neuen Ehemann Friedrich Stahl. - Offensichtlich ist dem Zuschauer eine große Vielzahl an unterschiedlichen Charakteren geboten und jeder dürfte sich in der einen oder anderen Person wiederfinden. So ziemlich jede Generation ist vertreten, wobei auch dieses Format wieder einmal zeigt, dass sich im Alter nicht alles ändert.

Die Spannung ist kaum auszuhalten

Ganz schön viel Action für eine fünfzigminütige Sendung, könnte man meinen. Es passiert so viel, da kommt man beim ersten Gucken fast gar nicht hinterher. Doch leider lässt sich schnell feststellen, dass man kein geübter Zuschauer der Telenovela sein muss, um zu begreifen, dass es sich hier keineswegs um die großen Shakespeare-Dramen handelt, die sich da in einem Nobelhotel irgendwo in Bayern abspielen. Eigentlich fehlt es an nichts. Alle sind sie da: Der Böse, die Gute, die Verwirrte, der Tatterige, der Unerbittliche, die Unversöhnliche, die Süße, der Nicht-so-Süße. Mit all ihrem Charme kämpfen sie auf unterschiedlichen Wegen gegen die Tiefen und Höhen des Lebens an. Es geht hoch und runter, Vorwürfe werden erhoben, Intrigen geschmiedet, alte Lieben neu entdeckt, Freundschaften entwickeln sich. Und dann, im spannendsten Augenblick, ist es auch schon wieder vorbei. Natürlich spielt sich am Fürstenhof viel Theater um nichts ab. Klagen auf sehr hohem Niveau! Doch irgendetwas scheint dieses Format, trotz seiner sich stetig wiederholenden Handlung, so wertvoll zu machen. Vielleicht ist es auch nur die eher schwache Programmkonkurrenz der anderen Sender zur Mittagszeit. Aber vielleicht sind die Schauspieler, jeder für sich auf eine andere Art und Weise, einfach authentisch und dem Zuschauer sympathisch.

Ich selbst darf mich dazu bekennen, dass ich sehr gut verstehen kann, warum in so vielen Haushalten zur Mittagszeit im Fernsehen das Erste läuft.„Sturm der Liebe“ ist eine gute Alternative zu vielen anderen  Reality Soups, die auf manchen Sendern zu dieser Zeit gebracht werden. Zudem lässt es sich bekanntlich auf dem Sofa am besten entspannen und bei „Sturm der Liebe“ ist es auch nicht schlimm, wenn man mal ein paar Minuten der einzelnen Folgen verpasst.

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