von Lisa Hölzl
Die Pilotfolge – sie soll eine Serie in kurzer Zeit vorstellen, sie dabei möglichst gut repräsentieren und den Zuschauer davon überzeugen, sie weiter zu verfolgen. Sind gut gemachte Piloten das Geheimnis langjähriger Serienformate?
Ein Beispiel wäre Supernatural. Die Serie ist in den USA mittlerweile bereits in der siebten Staffel, über eine achte wird verhandelt. Wer hätte zu Beginn der Ausstrahlung gedacht, dass die Serie so viele Staffeln bekommen würde – und das, obwohl sie eigentlich nur für fünf Staffeln ausgelegt war? Die erste Folge lief in den USA am 13. September 2005 auf The WB, bei uns zwei Jahre später, am 15. Oktober 2007, auf ProSieben. Im Großen und Ganzen geht es in der Serie um zwei Brüder, die das Böse (in Form von übernatürlichen Monstern, Geistern und Dämonen) jagen und besiegen wollen, um Menschenleben zu retten. „Saving people, hunting things – the family business“ wie der Zuschauer in fast jeder Recap erinnert wird. Kurze Horrorfilme in Serie, könnte man sagen. Und genau so fängt die Serie auch an: mit einem 44-minütigem Horrorfilm, der aber gleichzeitig die beiden Hauptcharaktere, Sam und Dean Winchester, und den roten Faden der ersten Staffel vorstellt.
Die Folge beginnt mit dem Blick auf ein Haus, das von unheimlichen Schatten von Bäumen umgeben ist – und es ist natürlich Nacht, denn schließlich wäre bei Tageslicht nur alles halb so gruselig. Munter baut man klassische Horrorfilmelemente wie mysteriöse Geräusche, Klavier-geklimper und flackernde Lichter ein, als das Innere des Hauses gezeigt wird und die Mutter der noch jungen Brüder von letzteren verunsichert ist – wohl um dem Zuschauer von Anfang an klar zu machen, worauf er sich eingelassen hat. Der erste richtige Schocker kommt erst, als die Mutter wenig später blutend an der Decke des Kinderzimmers von Sam hängt und plötzlich in Flammen aufgeht; der Vater kann nur noch seine beiden Kinder retten und muss von draußen zusehen, wie das Haus explodiert. Und damit wurde der weitere Verlauf der Serie innerhalb weniger Minuten eingeläutet, denn jetzt liegt es dem Vater daran, was auch immer seine Frau getötet hat ausfindig zu machen und sich zu rächen. Anschließend wird der Zuschauer mit der Gegenwart bekannt gemacht – passend zum Genre Horrorfilm geht es ab auf eine Halloween-Party, wo man den nun erwachsenen Sam und seine Freundin kennenlernt. Doch der richtige Mini-Horrorfilm innerhalb der Folge wird erst behandelt, als Dean sich mit Sam auf die Suche nach ihrem Vater machen will, da er diesen seit Tagen nicht erreichen kann; sie gehen einem Fall nach, den dieser als letztes untersucht haben soll – einer Geistergeschichte, wie sie im Buche steht. Zart besaitet sollte der Zuschauer nicht sein, denn der Geist, die „Frau in Weiß“, taucht gerne plötzlich auf, verschwindet wieder und tötet ihre (männlichen) Opfer so grausam, dass nur Blutspritzer gezeigt werden dürfen. Spannend wird das Ganze, als Sam ihr neustes Opfer ist, doch natürlich findet er einen Weg, die Geisterfrau für immer zur Ruhe zu legen – schließlich kann man ja einen Hauptcharakter nicht gleich in der ersten Folge dran glauben lassen. Fall gelöst, Folge zu Ende. Könnte man jedenfalls meinen. Aber nein: als Sam zu Hause ankommt, werden die Nerven des Zuschauers noch einmal belastet. Seine Freundin stirbt vor Sams Augen denselben grausamen Tod wie seine Mutter. Für ihn steht nun fest: Nichts hält ihn mehr in der Stadt; von nun an geht er mit Dean auf Geisterjagd und will ihren Vater finden – „We’ve got work to do“, meint er nur noch. Der rote Faden dieser Staffel also: die Suche nach dem Vater und letztendlich nach dem, das die Mutter und Sams Freundin getötet hat. Ein relativ schwacher roter Faden, der die kleinen Horrorfilme eigentlich nur lose verbindet. Was bewegt den Zuschauer also trotzdem dazu, jede Woche einzuschalten und damit einen Unterschied zum Horrorfilm an sich zu schaffen? Es sind wohl die beiden Brüder, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und der Charme der Serie, die das bewirken. Und das erkennt man schon in der ersten Folge. Kleine Streitigkeiten zwischen den Brüdern, wie zum Beispiel über den Musikgeschmack von Dean, sorgen mehrmals für humorvolle Augenblicke und auch Deans schwarzer 67er Chevrolet Impala zusammen mit Musik von AC/DC machen einfach nur Spaß. Außerdem sind die Brüder keine herkömmlichen Bekämpfer des Bösen, wie schon hundertmal gesehen – sie setzen auf Fake-FBI-Marken und gefälschte Kreditkarten und sind coole Kumpeltypen, mit denen man gerne befreundet sein würde.
Alles in allem hat die Pilotfolge wohl alles richtig gemacht. Für Fans des Horrorgenres wird dieses richtig bedient, der Humor kommt nicht zu kurz und auch die Charaktere werden gut vorgestellt. Das gepaart mit dem stimmigen Feeling der ganzen Episode bringt den Zuschauer dazu, gerne dranzubleiben – und das ist schließlich die Aufgabe des Piloten.
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