TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 7. März 2012

Harper's Island: Einer nach dem anderen

von Alexa Heilmeier

Was als eine Woche voller Spaß und Feierlichkeiten geplant war, wird zum Alptraum für die gesamte Hochzeitsgesellschaft der reichen Trish Wellington und dem „einfachen Jungen“, Henry Dunn. Denn obwohl die Insel, auf die die beiden eingeladen haben, bezaubernd und romantisch erscheint, besitzt sie eine dunkle Vergangenheit. Vor sieben Jahren wurden auf Harper’s Island sechs Menschen auf grausame Weise durch John Wakefield getötet – unter anderem die Mutter der Hauptdarstellerin Abby Mills.  Je näher der Tag der Hochzeit rückt, desto mehr Familiengeheimnisse werden enthüllt und sowohl Freundschafts- als auch Liebesbeziehungen auf die Probe gestellt.

Zunächst unbemerkt von der Hochzeitsgesellschaft finden sowohl Besucher als auch Einheimische der Insel einen gewaltsamen Tod. Währenddessen werden Einzelschicksale näher beleuchtet und die Figuren dadurch dem Zuschauer sympathisch gemacht – eine gewisse Schonungslosigkeit spielt hier eine Rolle: jeder wird getötet, ob sympathisch oder nicht. Somit steigt die Anzahl der Opfer ununterbrochen, der Kreis der Verdächtigen wird jedoch immer kleiner. Allerdings ist es nicht so, dass die Nebengeschichten langweilig erscheinen, denn im Fokus der Aufmerksamkeit ist immer der zunächst unbekannte Killer.
Die Nebendarsteller spielen überzeugend die unbeschwert Feiernden - nicht ohne Grund hat Elaine Cassidy den „Irish Film and Television Award“ für „die beste Schauspielerin in der Hauptrolle in einer Fernsehserie" für ihre Rolle der Abby Mills erhalten. So wechseln Sympathie und Witz oft mit Spannung und Entsetzen: eine Gefühlsachterbahn für das Publikum. Den Produzenten gelingt es diese Spannung bis zum überraschenden Finale permanent zu steigern, das Ratespiel um den Mörder und sein Motiv fesselt nahezu durchgehend. Anders als man erwarten würde, wird der Killer schon vor dem Finale enthüllt - was nicht heißt, dass alle Fragen gelöst sind. Da aber von vornherein klar gestellt ist, dass es nach den 13 Episoden ein Ende und eine Aufklärung des amerikanischen Mysterythrillers geben wird, ist das Publikum komplett bei der Sache, es gibt kein sprunghaftes Erzählen, keine offenen Fragen. Die Geschichte ist vollständig und in sich stimmig.
Dass die Serie erst ab 16 Jahren freigegeben ist, ist völlig gerechtfertigt: die Menschen werden zwar auf grausame Weise umgebracht, allerdings verzichtet die Serie auf die exzessive Darstellung von Gewaltszenen. In Deutschland wurde Harper’s Island im Jahr 2009 auf ProSieben ausgestrahlt. Die Einschaltquote jeder einzelnen Episode lag bei ca. einer Million Zuschauern. Das entspricht 8,7 % Marktanteil – überraschenderweise deutlich unterhalb des Senderschnitts. Das lag höchstwahrscheinlich daran, dass die Sendungen „Desperate Housewives“ und „Lipstick Jungle“, die damals vor „Harper’s Island“ ihre Sendezeit hatten, nicht dem gleichen Zielpublikum entsprachen. Viele junge Mädchen oder Frauen haben dann um 22:15 Uhr wohl lieber aus- oder umgeschaltet als sich einen Mysterythriller anzusehen. Den Fans allerdings stellen sich am Ende jeder Folge immer neue Fragen, die sie in der nächsten Woche natürlich beantwortet haben wollen. Das Phänomen des flows und der Serialität ist damit perfekt verwirklicht, das Publikum wird mitgerissen, es will keine Episode verpassen. Die Segmentierung der einzelnen Handlungsorte auf der Insel wird noch verstärkt durch ca. fünf-sekündige Pausen mit komplett schwarzem Bildschirm, in denen der Zuschauer förmlich auf Kohlen sitzt und nicht mehr warten kann. Mit dieser Spannung, vielen Wendungen, kleinen Liebesdramen, dem Reiz des Thrillers und einer Brise Humor wird Harper’s Island zu einer der aufregendsten Serien überhaupt und damit den Ansprüchen des heutigen Fernsehpublikums gerecht.

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