TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 21. November 2017

Auf Streife - Blaulichtwahn am Abgrund?

von Katharina Sodtke

Die Sirenen heulen, ein Polizeiauto bremst abrupt mitten auf der Straße ab, bei laufendem Motor springen zwei Polizisten aus ihrem Wagen und verfolgen einen verdächtigen Mann. Die Rede ist hierbei nicht von einem zweitklassischen, klischeebehafteten Actionfilm, sondern von der Polizei Scripted-Reality Serie Auf Streife

Seit 2013 strahlt SAT 1 die Scripted-Reality Serie Auf Streife aus, in der es sich laut eigener Aussage des Senders bei den Protagonisten um echte Polizisten und tatsächlich geschehene Einsätze handelt. Dadurch bewirkt sie den Anschein einer Dokumentation realer Ereignisse, obwohl die Szenerie einem Drehbuch folgt und die Fälle gestellt sind. Auf Streife begleitet jeweils zwei Polizisten durch Tag- und Nachteinsätze des alltäglichen Lebens, natürlich immer begleitet von der Kamera und jeder Zeit bereit für ein Interview, um zu erklären was gerade passiert ist. Sei es häusliche Gewalt, Ladendiebstähle, Familiendramen, schief gegangene Liebesbeweise oder einfach nur die verwirrte Rentnerin, die ihre Adresse vergessen hat – die Bandbreite der Polizeiarbeit ist enorm. 
Innerhalb einer Folge werden vier verschiedene Fälle abgearbeitet, die in sich geschlossen sind und bei der jeweils ein anderes Polizistenduo zum Einsatz kommt. Zu Beginn der Sendung kommt nach einer schnellen Bildsequenz mit Poilzeisirenengeheul, die sonore Stimme aus dem Funkgerät, die den Titel der Sendung ansagt. Dann sieht man die angespannten Gesichter des Polizistenteams in ihrem Wagen, die zu ihrem Einsatz rasen, während die Stimme aus dem Off den Grund des Einsatzes erklärt. Direkt im Anschluss springt die Szene zum Ort des Geschehens. So müssen sie zum Beispiel im ersten Fall der Folge vom 10.05.2017, dramatisch benannt mit dem Titel „Mit Sprengstoff zum Ziel“ drei Jugendliche davon abhalten, ein Auto mit selbstgebastelten Böllern in die Luft zu sprengen. Natürlich sind die Täter sich keiner Schuld bewusst, da diese nur ein cooles YouTube Video drehen wollen. Nachdem der noch minderjährige Täter nach Hause gebracht wurde und die Mutter befragt, stellt sich in einer unvorhergesehenen Wendung heraus, dass der Stiefvater Schwarzpulver zum Böllerbau in der Garage lagert. Hier erscheint sofort die Info zum Sprengstoffgesetz. Gesetzesverstöße werden nochmals aufgezählt, die beteiligten auf die Wache beordert, der Fall ist erledigt, der Täter dingfest gemacht. Direkt im Anschluss kündigt die dokumentarische Stimme aus dem Off den nächsten Einsatz an, bei dem es um ein Familiendrama geht. Hier ein vorgetäuschter Diebstahl, dessen die zukünftige Schwiegertochter beschuldigt wird. Am Ende erweist sich diese Anschuldigung jedoch als von der Schwiegermutter fingiert heraus. Es endet alles mit einem großen Mutter-Sohn-Drama mit einem sehr emotionalen Abgang des Sohnes und seiner Freundin. Es folgt die Belehrung der Mutter über ihre begangenen Straftaten. Und sofort springen wir wieder zum nächsten Einsatz. 
Mit standardisierten Sprüchen wie „halt doch mal den Ball flach, Weib“ wird der männliche Teil der Täter als klassischer Macho gekennzeichnet. Während ein Beschwichtigungsversuch der Polizisten durch den Satz „Ruhe bitte, die Polizei ist da“, eher nicht so wirklich seine Wirkung erzielt. Auch der Versuch, eine Spannungskurve zu entwickeln, in dem ein Erzähler immer mal wieder erklärt, dass niemand ahnt, dass sich hinter all dem noch etwas viel Schlimmeres verbirgt, bringt leider nicht den gewünschten Erfolg. Kaum sind die Protagonisten abgeführt, beziehungsweise über ihre Rechte aufgeklärt, springt die Szene schlagartig in das Polizeiauto des nächsten Einsatzgespannes. Es wiederholt sich wieder die Szene vom Anfang. Auf Abwechslung beziehungsweise einen weicheren Übergang hofft der Zuschauer vergebens. 
In Rekordzeit schaffte es SAT 1 durch ein Überangebot an Polizei Scripted-Reality Sendungen das Bedürfnis des Zuschauers nach Recht und Gesetz überzustrapazieren. Mit mehr als einem Viertel seiner Sendezeit malträtiert SAT 1 seine Zuschauer täglich von Montag bis Freitag ab 13:00 Uhr mit insgesamt fünf Stunden Polizeieinsätzen. Denn nicht nur Auf Streife dominiert das Daytime-Programm von SAT 1, sondern ebenso die Spin-offs des Formates um die Sendungen Auf Streife-Die Spezialisten sowie Auf Streife-Berlin mit zusammen 2160 ausgestrahlten Folgen im Jahr 2016. Der Erfolg des Formates hat natürlich seine Gründe. Nichts befriedigt den standhaften Bürger mehr, als dass der Übeltäter gefasst und seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Dann kann der Zuschauer bei diesen Sendungen ungeniert und ohne sich zu schämen „gaffen“. Auch das Schutzbedürfnis des Zuschauers wird erfüllt und natürlich nicht zu vergessen die Faszination der Menschen einen Blick in den Alltag eines Polizisten zu werfen. Positiv zu vermerken ist aber auch, dass solche Scripted-Realities bei dem einen oder anderen Zuschauer vielleicht auch einen „Aha-Effekt“ bewirken, in dem ihm bewusst wird, dass er in bestimmten Lebenssituationen eigentlich auch schon Gesetzesbrüche begangen hat oder dazu versucht war.
Dennoch ist auf langfristige Sicht eine klar negative Entwicklung der Quote des „Blaulichtformats“ zu erkennen. Im Januar 2015 schalteten noch über 13% der Zuschauer ein, während es im Januar 2017 nur noch knapp 8% waren. Die Formate, auch von anderen Sendern, sind allesamt von der gleichen Produktionsfirma Filmpool erstellt und ähneln sich sehr stark. Da nützen auch weitere Ableger wie Die Klinik am Südring nichts, in die die verletzen Opfer der Auf Streife-Fälle eingeliefert werden. Das immer belanglosere und gleichförmige Programm von SAT 1 zeigt sich dann auch in der Konsequenz ständig sinkender Einschaltquoten. Fünf Stunden Polizeieinsatz täglich sind einfach zuviel. Vielleicht tauscht SAT 1 dann einfach mal wieder den Geschäftsführer aus, wie sie es in den letzten Jahren öfter mal versucht haben, um die Quoten zu retten. Oder es wird entsprechend SAT1 Gold noch einen Sender SAT1 Blaulicht geben.

4 Kommentare:

  1. Übelster Dreck vom Schlimmsten.

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  2. viel zu wenig Paul Richter #bestermann & seine Zusammenfassung sind genial

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  3. Ich sehe die Folgen auch im Alter von 72 Jahren gern auf YouTube. das is allererster Trash made in Germany, und manchmal finde ich die Folgen schon fast so gut wie Sledge Hammer. Dass es sich hier um "echte" Polizeibeamte und wirkliche, nachgespielte Geschehnisse handeln könnte, glaubte ich von Anfang an keinen Augenblick lang, doch finde ich den Unterhaltungswert enorm für deutsche Verhältnisse. Mein Lieblingspolizist ist Stephan Sindera - was für ein gelungener Name! Mein Lieblingstäter bisher der junge Typ an der Leine, der auf Droge(!!)als Hund agiert und Leute beißt. Da tut es schon fast weh beim Zuschauen - OHA!!!

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  4. Heidi Matera ,die übergewichtige Polizistin wie ich noch keine gesehen habe, möchte ich mir Mal ansehen bei der Verfolgung eines Flüchtigen.Einfach lächerlich.Bei ihrer Einstellung dürfen sie ein gewisses Körpergewicht nicht überschreiten und später können sie so fett werden wie sie wollen?🥳

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