von Ramona Nowarra
Drei Paare in der Krise suchen Rat in einer Therapie. Während die Therapeuten sich selbst spielen, werden die Klienten von Schauspielern dargestellt. In dieser betont künstlichen Anordnung treten erstaunlich authentische Emotionen hervor. Dieser Film nennt sich „Beziehungsweisen“ und beginnt bereits mit der Warnung: „Ein gespielter Dokumentarfilm“.
Die Paare tragen Kontroversen um Seitensprünge, Abtreibung und getrennte Schlafzimmer aus. Vorwürfe Ängste und Verletzungen kommen zur Sprache. Die Option Trennung steht im Raum. Die Fallgeschichten lassen überindividuelle Konfliktlinien, Strukturen und Beziehungsmuster zutage treten.
Die Versuchsanorndung: Im nüchternen Ambiente eines Studios finden Therapiesitzungen statt. Die verhandelten Probleme sind gängige. Die Klienten werden von Schauspielern dargestellt, die Therapeuten sind tatsächlich in diesem Beruf tätig und nicht inszeniert. Hinzu kommen in der Tradition des epischen Theaters gestaltete Szenen aus dem Alltag der Paare, die mit minimalem Dekor auskommen, ähnlich schon wie in Dogville von Lars von Trier. Ähnlich nüchtern erscheinen die Werkstattgespräche, in denen die Therapeuten dem Filmteam aus ihrer Praxis berichten.
Dokumentarische Elemente und improvisiertes Schauspiel gehen eine ungewöhnliche Verbindung ein und ergeben eine Spiel-Art des Dokumentarischen, die mit Abstraktion und Fiktion arbeitet und sich um Authentizität nicht schert. In der offensichtlichen Laborsituation und ihrer Künstlichkeit entstehen trotz allem berührende Momente voller Emotion.
Die Gegenüberstellung von ähnlichen Fernsehformaten mit diesem Film scheint interessant. Wo in diesem Film bewusst dargestellt wird, dass es sich hier um eine „Nicht-Realität“, ein Filmset und Schauspieler handelt wird bei Scripted-Reality-TV-Shows, wie „Mitten im Leben“, „Bauer sucht Frau“ oder „Zwei bei Kallwass“ versucht den Zuschauer um jeden Preis davon zu überzeugen, dass das eigentlich gespielte echt ist.
Ein großer Unterschied stellt die schauspielerische Kompetenz dar. Im Film „Beziehungsweisen“ wird mit teils guten und sehr überzeugenden Schauspielern gearbeitet, sodass der Zuschauer trotz des Wissens über die Fiktion des Stücks dem Ganzen glauben schenkt. Das kommt sicherlich auch daher, dass sich jeder mit dem Thema „Beziehungen“ und den damit verbundenen Problemen identifizieren kann. Im Gegensatz dazu werden in den Scripted-Reality-Shows Laien für einen Hungerlohn aufgefordert möglichst so zu spielen, dass der Rezipient denkt er hat einen Einblick in deren wirkliches Leben.
Doch welche Veränderung in der Wahrnehmung solcher Formate tritt auf, wenn der Zuschauer sich der geschriebenen Realität bewusst wird? Wird der Realitätscharakter dadurch geschwächt oder sogar womöglich noch verstärkt?
Klar ist, nach den ersten Minuten vergisst der Zuschauer durch die alltäglichen Probleme, die im Film behandelt werden ziemlich schnell, dass es sich um Schauspieler handelt. Viel mehr werden die Paare als Paradebeispiel gesehen. Die nüchternen Einspieler, welche Einsicht in das Alltagsleben der Paare gibt, lässt die gesamte Thematik und das Verhältnis zwischen Realität und Vorstellung verstärkt auf eine höhere Ebene rücken.
Der Regisseur von „Beziehungsweisen“ dreht das sonst übliche Realitätsspiel aus dem Fernsehen bewusst um und erzeugt damit eine interessante und geladene Spannung zwischen Realität und Fiktion. Dadurch, dass die Therapeuten jedoch auch „echte Therapeuten“ im wahren Leben sind wird eine Grundlage gesetzt, durch die der Rezipient den Zugang zum sonst so nüchtern und realitätsfern wirkenden Schauspiel findet. In den Szenen zwischen den Therapiesitzungen, die die paare zuhause zeigen, oder die Konversationen des Regisseurs mit den Therapeuten durch Dogville-Artiges Flair wird die Fiktion immer wieder bewusst gemacht .
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