von Laura Altweger
Es war einmal ein Junge namens Ned, dem eines Tages klar wurde, dass er nicht war, wie die anderen Kinder und übrigens auch nicht, wie irgendjemand sonst.
Ned, die Hauptfigur der amerikanischen Serie „Pushing Daisies“, hat eine besondere Gabe. Berührt er einen Toten, so wird dieser wieder lebendig. Mit einer zweiten Berührung befördert er denjenigen jedoch sofort wieder ins Jenseits. Diese übernatürliche Fähigkeit nutzt der hauptberufliche Kuchenbäcker um sein Gehalt aufzustocken. Mit der Hilfe des Privatdetektivs Emerson klärt er Mordfälle auf, indem er die Opfer für eine Minute ins Leben zurückholt. Hier wird kommuniziert, nicht obduziert.
Das außergewöhnliche an „Pushing Daisies“ ist, neben der Gabe des Hauptdarstellers, jedoch das Set. Obwohl die Straßen, Häuser und Städte keine irrealen Elemente enthalten, wirkt dennoch alles so, als sei es einer Märchenwelt entsprungen. So hat das Gebäude, in dem „der Kuchenbäcker“ arbeitet, auch die Form eines Kuchens. Alles was zu sehen ist passt auch in unsere Welt, gleichzeitig aber auch irgendwie nicht.
Für den speziellen Charme der Serie sorgt des weiteren ein Voice-over. Eine Erzählstimme begleitet das Geschehen aus dem Hintergrund, wobei der Sprecher streckenweise wie ein Märchenonkel klingt. Das besondere an dem Voice-over sind jedoch die trockenen, schmucklosen Kommentare die immer wieder eingeworfen werden und dann um so mehr für ein Schmunzeln sorgen.
Was das Format aber letzten Endes so märchenhaft und verträumt erscheinen lässt, sind die Farben. Bei der Nachbearbeitung der Filmaufnahmen wurde die Farbsättigung derartig erhöht, dass die Welt von „Pushing Daisies“ stets in einer ungewohnten Intensität erstrahlt. Die Farben werden extrem betont. Das Rot ist noch röter, das Gelb ist noch gelber. Der Himmel ist tiefblau und der Rasen giftgrün.
Die Welt scheint wunderschön und zuckersüß. Gebrochen wird diese romantische und verspielte Atmosphäre immer wieder durch den Privatdetektiv Emerson. Der schlagfertige und taffe Ermittler scheint nicht in diese Welt zu passen. Durch einen lakonischen und trocken Kommentar bringt er die Sendung immer wieder zurück auf den Boden.
Vor allem die außergewöhnliche Liebesbeziehung die „der Kuchenbäcker“ zu einer Frau namens Chuck hegt, scheint ihm auf die Nerven zu gehen.
Ned kennt Chuck bereits aus Kindertagen. Jedoch haben sich die beiden aus den Augen verloren und so begegnet er ihr erst wieder, als sie Opfer eines Mordes geworden ist. Durch eine Berührung schenkt er ihr ein zweites Leben. Von nun an wäre jedoch jeder körperliche Kontakt zwischen den beiden tödlich für Chuck. Ein Kuss ist nur mehr durch eine Frischhaltefolie möglich und Händchenhalten geht nur mit Handschuhen. Einen Ausweg aus dem Dilemma scheint es nicht zu geben, statt dessen gibt es pure Romantik. Diese platonische Beziehung scheint beim Publikum gut anzukommen. Leserumfragen ergaben, dass die beiden Hauptdarsteller zu den beliebtesten Fernsehpaaren gehören.
Bei all der Liebe ist jedoch nicht zu vergessen, dass die Serie auch Themen wie Tod, Liebeskummer und psychische Probleme behandelt. Jedoch auf eine ganz spezielle Weise. Chucks Tanten haben Persönlichkeitsstörungen, soziale Phobien und Schwierigkeiten das Haus zu verlassen. Auch wenn es einige sentimental anrührende Szenen gibt, scheint das alles doch irgendwie nur halb so wild zu sein. Die Dinge werden mit einer Leichtfüßigkeit behandelt, die der Serie die nötige Portion schwarzen Humors verpasst und gleichzeitig einen wunderbaren Kontrast zur bunten Welt darstellt. Somit erhält das Format eine ganz eigene Ästhetik.
An dieser Stelle bleibt noch zu erwähnen, dass diese bunte Welt nicht nur durch die Farben, die Erzählweise und das ausgefallene Setting entsteht. Vor allem durch die Kameraführung entstehen eindrucksvolle, schöne Bilder. Die Kamera wird klar gesteuert, sie bewegt sich sehr viel, geht mit dem Geschehen und versucht alles perfekt einzufangen. Es gibt Momente in „Pushing Daisies“ die komponiert zu sein scheinen. Tatsächlich wirkt die Fernsehserie dadurch stellenweise mehr wie ein Spielfilm.
Das in den USA produzierte „Pushing Daisies“ legte sowohl in den Vereinigten Staaten, als auch in Deutschland einen Spitzen-Start hin. In der Bundesrepublik wurde die erste Folge auf Pro 7 von 2,23 Millionen werberelevanten Zuschauern verfolgt. Dies entspricht einem Marktanteil von 8,8 Prozent. Dieser vielversprechende Serienstart konnte den Erwartungen jedoch nicht standhalten. In den folgenden Episoden verlor die Serie zunehmend an Zuschauern und wurde daher nach der zweiten Staffel eingestellt. In den USA wurde „Pushing Daisies“ sogar während der zweiten Staffel unterbrochen und die letzten drei Folgen wurden nicht mehr ausgestrahlt.
Warum verschwand das Interesse an der Serie so schnell? Möglicherweise ist das Konzept von „Pushing Daisies“ nicht für eine wöchentliche Ausstrahlung geeignet. Vielleicht funktioniert ein solches Werk auf Kinoleinwänden besser als auf Fernsehbildschirmen. Es kann sein, dass der bezaubernde Charme der Serie im eigenen Wohnzimmer zu schnell verfliegt.
Abschließend kann man sagen, dass das Format inhaltlich, mit ungelösten Mordfällen und Liebesproblemen, nicht mit neuen, aufregenden Ideen auftrumpft. Es ist die außergewöhnliche Machart, die die Serie zu einem besonderen Erlebnis werden lässt. Ich kenne kein Format das vergleichbar wäre. Das Produktionsdesign, die teilweise skurrilen Figuren und die schnellen Dialoge geben dieser Mischung aus Fantasy, Drama, Comedy, Krimi und Romantik seinen speziellen, liebenswürdigen Charakter.
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