TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 5. August 2020

„Too hot to handle“ – noch so ein Dating Trash-Tv Format?

von Antonia Post
Ein paradiesisches Resort am Strand von Mexiko und eine Reihe attraktiver Langzeitsingles, welche sich von ihrem vier wöchigen Aufenthalt viel Spaß, Genuss und vor allem Sex versprechen. “Too hot to handle” (im Deutschen „Finger weg“) ist eine, von Netflix produzierte, Reality-Tv-Show, welche internationalen Erfolg erntete. Obwohl sie mit ihrer Konkurrenz vieles, seien es gutaussehende willige Singles und eine traumhafte Location, gemeinsam hat, gibt es doch einen entscheidenden Unterschied. Während andere Formate wie „Love Island“ darauf hoffen, dass es zu sexuellen Interaktionen kommt, sollen die Kandidaten von „Too hot to handle“ während ihres Aufenthaltes „enthaltsam leben“. Das Konzept der Show ist ein Retreat, in welchem die Beziehungsphobiker lernen sollen, persönliche, emotionale Bindungen aufzubauen. Sie sollen sich mit den Personen, zu denen sie sich hingezogen fühlen auseinandersetzten, und herausfinden, was sie außer dem schönen Äußeren noch zu bieten haben. Als Anreiz hierfür dient ein Preisgeld von 100.000 Dollar. Mit jedem Regelverstoß wird die Siegesprämie um eine erhebliche Summe gekürzt. Allein ein Kuss kostet die Gruppe schlappe 3.000 Dollar. Alle anderen sexuellen Aktivitäten sind noch teurer.
Schon aus dem Trailer wird ersichtlich, dass nicht alle Singles die Regeln befolgen werden. Achtung, Spoiler-Alarm: Tatsächlich werden die Regeln so einige Male gebrochen, was jedoch auch Unstimmigkeiten und Streitereien in der Gruppe zufolge hat. Auf eine Umarmung, einen Kuss oder gar Sex zu verzichten, fällt ihnen, wie zu erwarten, nicht gerade leicht. Spätestens nach dem ersten Regelverstoß geht man davon aus, dass die Teilnehmer es nicht schaffen werden sich zu widerstehen, und das Geld schnell verspielt sein wird. Diesem ist jedoch nicht so. Sie schafften es größtenteils - vermutlich des Geldes wegen - den sexuellen Anziehungen nicht zu verfallen und es stattdessen nur bei einem nettem Gespräch zu belassen. (Und das, obwohl die Produzenten für ausreichend romantische Stimmung sorgen.) Überwacht werden die Teilnehmer von Lana – ein Plastikkegel mit Roboterstimme. Ihr entgeht kein Regelverstoß, sie gibt den Kandidaten Beziehungsratschläge und auch sonst entsteht das ein oder andere nette Gespräch mit ihr. Dieses Konzept ähnelt dem von „Big Brother“. Ansonsten sind die Singles von der Außenwelt komplett abgeschottet, und können sich deshalb nur miteinander beschäftigen. Unterstützt wird die emotionale Entwicklung der Kandidaten durch verschiedenste Workshops, bei welchen sie sich mit Gefühlen, Konsequenzen, Fehlern, Verantwortung, Ängsten und vor allem sich selbst auseinandersetzten müssen.
Tatsächlich zeigt der Retreat bei einigen Singles scheinbar seine Wirkung – sie haben sich zu offenen und ehrlichen Menschen entwickelt, welche Beziehungen eingehen können und auch wollen. Mithilfe der Workshops, Lanas Ratschlägen und den Dates wird ihnen bewusst, dass sie akzeptiert und geliebt werden wollen, so wie sie sind und ihre Bindungsangst auf Geschehnissen und Emotionen gründet, welche aufgearbeitet werden müssen.
Unabhängig von dem unterhaltsamen Inhalt unterliegt die Serie einem gutem Schnitt. Vier Wochen Dreharbeiten wurden auf acht Folgen gekürzt, weshalb es kaum Durchhänger gibt. Mit spannenden Ausblicken am Ende jeder Folge lockt die Serie den Zuschauer immer wieder zum weiterschauen.
Die Show, so trashig sie auch sein mag, kommt bei dem Publikum gut an – so auch bei mir. Reality-Tv lässt einen sich selbst besser und oft auch schlauer fühlen, da man durch den Vergleich mit den Teilnehmer derartiger Shows sich selbst aufwerten kann. Haley hat ein Tattoo in einer Sprache, die sie weder kennt noch versteht, Francesca profiliert sich über die Anzahl ihrer Instagramfollower, Sharrons ganzer Lebensstolz ist sein Genital und Chloe meint sie sei „nicht der hellste Funke im Buch“. Die Serie ist eine leichte, unterhaltsame Kost, der die aktuellen Situation mit der Quarantäne, in welcher wir alle noch mehr Zeit hatten, uns von Netflix zu berieseln, sicherlich zu Gute kam. Wer auf Reality-Tv steht, sollte dieser Show auf jeden Fall eine Chance geben, da sie doch ein wenig anders ist, als die uns bekannten Kuppel-Shows, bei welchen der persönlichen Weiterentwicklung kein hoher Stellenwert zugeschrieben wird. Zudem wachsen die leicht dümmlichen Kandidaten einem doch irgendwie ans Herz und man fiebert jede Folge ein wenig mit. Zur Freude vieler Fans wurde eine neunte Folge, eine „Reunion-Folge“ gedreht, bei welcher die Kandidaten erzählen, was sich seit den Dreharbeiten (die im Frühjahr 2019 stattfanden) verändert hat, und wie sie mit der aktuellen Situation der Quarantäne umgehen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen